„Gäbe es ein Medikament, das nur annähernd ähnliche segensreiche Wirkungen wie ein regelmäßiges Ausdauertraining auf alle Risikofaktoren degenerativer Herz-Kreislauf-Erkrankungen hätte, man könnte es wohl kaum bezahlen!“ Dieses bekannte Zitat stammt vom renommierten, deutschen Sportwissenschaftler Jürgen Weineck (1941 - 2020). <BR /><BR />Es unterstreicht die immense Bedeutung eines aktiven, bewegungsfreudigen Lebens und hat nach wie vor nichts an Aktualität eingebüßt. Im Gegenteil, heute weiß man sehr gut, dass die positiven Effekte regelmäßiger Bewegung deutlich weitreichender sind und nicht nur unser Herz-Kreislauf-System betreffen. <BR />Es gibt wohl kein Organ und Organsystem, das nicht davon profitiert oder sogar darauf angewiesen ist. Vom positiven Einfluss auf unsere Psyche und unser allgemeines Wohlbefinden ganz zu schweigen. Es gibt keine Erkrankung, die durch Bewegung schlimmer wird. <BR /><BR />Entscheidend für unsere Gesundheit ist jedoch zu wissen: Bewegung ist nicht gleich Sport und Sport ist nicht gleich Bewegung. All zu oft werden die beiden Begriffe gleichgestellt und synonym genutzt. Dies ist trügerisch und steht einem integrativen Verständnis von Gesundheit im Weg. Denn: Regelmäßige Bewegung ist ein Muss für unsere Gesundheit – Sport hingegen nicht.<h3> Warum Sport nicht Bewegung ist</h3>Selbstverständlich können wir durch Sport die Gesundheit zusätzlich fördern. Jedoch kann selbst häufig ausgeübter Sport, die regelmäßige Bewegung untertags nicht ersetzen. Selbst der Lebensstil vieler sportbegeisterter und gesundheitsbewusster Menschen ist durch Bewegungsarmut im Alltag gekennzeichnet.<BR /><BR />Längst ist bekannt, dass Sitzen keine Wohltat für unseren Körper ist. Die negativen Auswirkungen auf unsere Haltung und unsere Wirbelsäule sind hinlänglich bekannt. Allen voran Rückenschmerzen und hartnäckigen Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich. Mittlerweile ist allerdings gut erforscht, was das ständige Sitzen noch alles mit unserem Körper anstellt. Und das ist nicht wenig, wie Untersuchungen und Studien deutlich und eindrucksvoll belegen: Die Konsequenzen für die Gesundheit sind erschreckend. <BR /><BR />Insbesondere in Bezug auf die neue Paradedisziplin des modernen Menschen im 21.Jahrhundert: dem Dauersitzen. Es macht nämlich einen entscheidenden Unterschied, wie viel Zeit am Stück man im Sessel verbringt. Es sieht sogar danach aus, dass die negativen Auswirkungen (im Erwachsenenalter) selbst Rauchen oder Übergewicht übertreffen – oder zumindest in nichts nachstehen. Nicht<BR />umsonst wird Sitzen mittlerweile gerne als „Das neue Rauchen“ bezeichnet, denn typische Zivilisationskrankheiten scheinen im sehr engen Zusammenhang damit zu stehen. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="916072_image" /></div> <BR /><BR /><BR />Sehr überraschend ist, wie schnell unser Körper negativ auf das Sitzen reagiert. Bereits nach 10 Minuten wird beispielsweise der Blutfluss in den Beinen reduziert und stellt somit ein Risiko für Gefäßerkrankungen dar. Und nach sage und schreibe 20, bis maximal 30 bis 40 Minuten, fällt unser gesamter Organismus in eine Art „gestressten Stand-By-Modus“. <BR /><BR />Stoffwechselprozesse verändern sich, und das „regungslose“ Verharren bewirkt unter anderem einen erhöhten Blutzuckerspiegel und eine verringerte Insulinsensitivität. Langfristig entsteht dadurch eine solide Basis für die Entwicklung von Insulinresistenzen und Diabetes. Weiters kommt es zu einem Anstieg des Blutdrucks, was wiederum die Entstehung von Hypertonie begünstigt.<BR /><BR />Auch die Blutfettwerte verändern sich negativ. In Summe resultieren daraus hervorragende Bedingungen für die weitverbreiteten Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hinzu kommen weitere Wirkungsmechanismen auf unser Immunsystem: Es entsteht eine allgemeine Entzündungs-Neigung und Förderung und sogar das Risiko für (bestimmte) Krebsarten steigt. Hinzu kommen negative Aspekte bezüglich unserer Psyche, Leistungsfähigkeit und unseren Wohlbefinden.<BR />Selbst eine gesunde Ernährungsweise ist nicht in der Lage, die beschriebenen Veränderungen zu verhindern. <BR /><BR />Mehrere Studien zeigen unter „Vielsitzern“ im Vergleich zu Menschen, die nur wenige Stunden am Tag sitzen, ein generell höheres Sterberisiko: Je mehr Stunden und je länger ununterbrochen man täglich Zeit im Stuhl verbringt, desto größer die Unterschiede.<BR /><BR />EIN TIPP: DAS KÖNNEN SIE TUN<BR /><BR /> Eine vollständige Lösung des Problems ist angesichts der heutigen Lebensweise kaum mehr möglich, findet Thomas Stricker: Erwachsene in den Industrieländern verbringen heutzutage durchschnittlich mehr als die Hälfte ihrer Wachzeit im Sitzen. Tendenz steigend, da es beruflich und schulisch bedingt immer mehr sitzende Tätigkeiten gibt. <BR /><BR />Aber diejenigen, die konsequent und regelmäßig Sitzpausen einlegen, können im Vergleich zu ihren Kollegen, die in Summe genauso lange Sitzen, die negativen Wirkungen zwar nicht vollständig eliminieren, aber zumindest deutlich positiv beeinflussen. Im Idealfall unterbrechen wir nach 30 Minuten das Sitzen und nutzen die Sitzpause effektiv: Das heißt kurz, aber möglichst aktiv bewegen um den Kreislauf wieder in Schwung zu bringen und den Stoffwechsel „wachzurütteln“. Dafür reichen dann aber bereits ein bis 2 Minuten. <BR /><BR />Dies ist natürlich nicht immer realistisch. Daher gilt, dass wir auf jeden Fall versuchen sollten, spätestens jede Stunde aktiv zu werden – dann aber für längere Zeit (mindestens 5 Minuten).<BR /><BR />Fazit: Es reicht nicht, sich nur am Wochenende sportlich zu betätigen. Nicht einmal täglicher Sport kompensiert die Auswirkungen, wenn davor oder danach wieder der Dauersitzmodus ohne Unterbrechungen dominiert. Regelmäßige Bewegungspausen hingegen tun uns nachweislich sehr gut: Und zwar schon dann, wenn man 30 Minuten seiner bisherigen, sitzenden Gesamtzeit durch aktive Bewegungen ersetzt.<BR /><BR /><BR />DER AUTOR<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="916075_image" /></div> <BR /><BR />Thomas Stricker aus Schlanders ist Therapeut für klinische Psychoneuroimmunologie und Gesundheitswissenschaftler für integrative, komplementäre und psychosoziale Gesundheitswissenschaften.<BR /><BR /><BR />