Durch entzündetes Zahnfleisch können sich Bakterien im ganzen Körper verteilen und lebensbedrohliche Krankheiten auslösen. <BR /><BR /><BR /><i>Von Brigitta Willeit</i><BR /><BR /><BR /><BR />Entzündetes Zahnfleisch kennen viele: Zwischen 20 und 50 Prozent der Menschen leiden unter Parodontitis, einer bakteriell bedingten Entzündung des Zahnfleischs mit einhergehenden Knochenabbau im Zahnbereich. „Dabei bilden sich sogenannte Zahnfleischtaschen. Bleiben diese unbehandelt, schreitet der Knochenverlust voran und führt letztendlich zum Zahnverlust“, erklärt Dr. Alex Solderer, Spezialist für Parodontologie an der Universität in Zürich und nun auch in Südtirol tätig.<BR /><BR />Die Mundhöhle ist aber auch ein Reservoir für Bakterien. Das kann dann zum großen Problem werden, wenn durch entzündetes Zahnfleisch die Bakterien in den Blutkreislauf und damit in den ganzen Körper gelangen. Dann können weitab vom eigentlichen Infektionsherd mitunter lebensbedrohliche Krankheiten auftreten. Ein gesunder Zahnhalteapparat ist deshalb nicht nur der Zähne wegen sehr wichtig, betont Dr. Solderer. <BR /><BR /><b>Ab 40. Lebensjahr oft ein Problem</b><BR /><BR />Bei der Parodontitis gibt es verschiedene Formen bezüglich des Schweregrades, des Befallsmusters und der Schnelligkeit des Fortschreitens. „Der Großteil der Erkrankungen verläuft mittelschwer, eher lokalisiert, langsam voranschreitend und tritt vorwiegend nach dem 40. Lebensjahr auf“, erklärt Dr. Solderer. „In seltenen Fällen kann es allerdings schon im Jugendalter zu sehr schnell und aggressiv verlaufenden Formen kommen.“<BR /><BR />Das Fatale an Parodontitis ist, dass sie sich oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium bemerkbar macht und lange Zeit keine Schmerzen verursacht. Deshalb ist die regelmäßige Kontrolle von Zähnen und Zahnhalteapparat beim Zahnarzt sehr wichtig. <BR /><BR /><embed id="dtext86-48425435_quote" /><BR /><BR />Gefährlich werden kann eine Parodontitis vor allem deshalb, weil entzündetes Zahnfleisch eine Eintrittspforte für die Bakterien des Mundraumes in den Körper über den Blutkreislauf darstellen. „So kann eine unbehandelte Parodontitis auch weitab vom eigentlichen Infektionsherd die systemische Gesundheit negativ beeinflussen“, erklärt Dr. Solderer. Folgeerkrankungen von Parodontitis können Diabetes, Pneumonie (Lungenentzündung), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen des rheumatoiden Formenkreises, chronische Entzündungszustände im Allgemeinen und untergewichtige Frühgeburten sein. Das Risiko für diese Krankheiten ist bei Vorliegen einer Parodontitis teilweise stark erhöht. Eine kürzlich publizierte Studie kam sogar zum Ergebnis, dass Parodontitis den Verlauf einer Covid-19-Erkrankung beeinflussen kann – sie erhöht das Risiko für schwere Krankheitsverläufe.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="626963_image" /></div> <BR /><BR />Die Behandlung kann – je nach Schweregrad – unter Umständen über ein Jahr dauern. Dabei wird nach eingehender Befunderhebung und Diagnostik die Mundhygiene trainiert und die Zähne oberhalb des Zahnfleischsaumes gereinigt. Nach Erreichen einer guten Mundhygiene und gegebenenfalls einer Raucherentwöhnung wird eine Tiefenreinigung der Taschen unter Lokalanästhesie durchgeführt. In einigen Fällen ist auch eine begleitende Antibiotikagabe indiziert. <BR /><BR />Nach 3 bis 6 Monaten wird die Situation neu beurteilt. Sollten dann noch Restprobleme bestehen, kann ein chirurgischer Eingriff nötig werden, bei dem bestehende Zahnfleischtaschen eliminiert und wenn möglich das verloren gegangene Gewebe regeneriert wird. Letzteres bedarf zum Teil des Einsatzes von Biomaterialien (z.B. Knochenersatzmaterialien, Membranen etc.). „Knochenabbau und Zahnfleischrückgang hinterlassen nach einer systematischen Therapie leider ihre Spuren. Es muss mit gewissen ästhetischen Einbußen, wie freiliegenden Zahnhälsen, sowie Papillenverlust des Zahnfleisches gerechnet werden“, erklärt Dr. Solderer. <BR /><BR />Deswegen spiele die Früherkennung eine entscheidende Rolle. „Ein gesundes Zahnfleisch und eine engmaschige Betreuung durch den Zahnarzt kann das Risiko für Zahnverlust und Karies senken sowie die allgemeine Gesundheit fördern“, erklärt Dr. Solderer.<BR />