Es ist der 3. Juni 1968: An diesem Montag trifft eine Kugel aus einem Revolver des Kalibers .32 Andy Warhol mitten in die Brust. Für kurze Zeit ist der New Yorker Künstler klinisch tot. Doch er überlebt und steigt anschließend auf den Königsthron der Pop Art.<BR /><BR />Doch der Reihe nach: Am Vormittag bummelt der damals 40-Jährige durch das New Yorker Kaufhaus Bloomingdale's, nimmt sich dann ein Taxi nach Downtown, wo er am Union Square 33 aussteigt. Dort befindet sich seine Factory: Eine Künstlerkommune, in der sich Filmemacher, Künstler und Musiker um den extrovertierten Warhol scharen. Diese Gemeinschaft an Abgedrehten inspiriert sich gegenseitig – und begibt sich zusammen auf Drogentrips.<BR /><BR />Am Eingang zur Factory trifft Warhol seinen Freund Jed Johnson und Valery Solanas. Die 32-Jährige ist eine Bekannte Warhols, der er erst kürzlich eine Rolle in seinem Film „I, a man“ angeboten hatte.<BR /><BR />Als sie zum ersten Mal in Warhols Factory aufgeschlagen war, hatte sie dem Künstler eine Filmidee vorgeschlagen: „Up Your Ass“. Das Drehbuch dazu fand Warhol so grotesk, dass er dachte Solanas sei eine verdeckte Ermittlerin und wollte ihn hinters Licht führen. Anschließend war sie immer wieder in der Factory anzutreffen, meist mit der Bitte nach Geld. An diesem Montag hatte sie andere Pläne.<BR /><BR /><b>Ein Schuss mitten in die Brust</b><BR /><BR />Als Warhol, Johnson und Solanas in die Factory eintreten, zieht Letztere plötzlich einen Revolver aus einer Papiertüte und zielt damit auf auf den Pop Art-Star. Zunächst reagierte niemand darauf, das änderte sich als Solanas den ersten Schuss aus der Waffe abgibt.<BR /><BR />Dieser ging daneben, auch die 2. Kugel verfehlte den „Tu es nicht!“ schreienden Warhol. Erst beim 3. Mal zielt Solanas genauer und trifft den Künstler mitten in die Brust. Später berichtet Warhol von einem unglaublichen Schmerz, der durch seinen Körper fuhr: „Am liebsten wäre ich tot gewesen.“<BR /><BR />Solanas Blutrausch ist noch nicht gestillt: Sie richtet den Lauf des Revolvers auf einen um Gnade flehenden Assistenten Warhols, doch die Waffe entlädt sich nicht. 3 Stunden später stellt sich die Angreiferin der Polizei und übergibt ihr 2 Pistolen.<BR /><BR /><b>Herzmassage holt Warhol zurück ins Leben</b><BR /><BR />15 Minuten liegt Warhol schwer verletzt in der Factory, dann treffen die Sanitäter ein. Eine zu lange Zeitspanne: Im Krankenhaus war der Künstler klinisch tot, doch ein Chirurg holte ihn mittels Herzmassage wieder zurück ins Leben.<BR /><BR />Außer Lebensgefahr war Warhol aber auch nach einer 5,5 stündigen Notoperation immer noch nicht. Die „New York Post“ titelte in ihrer Abendausgabe „Andy Warhol fights for life“.<BR /><BR />Diesen Kampf kann er letztlich für sich entscheiden. Nach rund 2 Monat verließ Warhol das Krankenhaus, blieb aber für den Rest seines Lebens gezeichnet: Fortan musste er ein medizinisches Korsett tragen, sein Körper ist von Narben entstellt. Obwohl er sich direkt wieder in seine Arbeit stürzte, konnte der Künstler nie ganz hinter sich lassen, was passiert war. Die Angst vor einem erneuten Angriff auf sein Leben, war fortan ein ständiger Begleiter.<BR /><BR />Der Kunstmarkt hob Warhol nach diesem Attentat auf den Thron der Pop Art: Die Preise für seine Werke schossen in die Höhe, die Persona Warhol wurde omnipräsent. So erlangte er, wonach er stets am meisten gestrebt hatte: Ruhm und Anerkennung.<BR /><BR /><b>Gesellschaft für das Schlachten von Männern</b><BR /><BR />Im Laufe des Prozess gegen Solanas wurde klar, was die Frau zu der Gewalttat getrieben hatte: Sie war die Gründerin und einziges Mitglied der radikalen feministischen Gruppe S.C.U.M. (Englisch für Abschaum) – die Abkürzung für „Society for cutting up men“ „Gesellschaft für das Schlachten von Männern“.<BR /><BR />In einem Manifest hatte die 32-Jährige ihre abstruse Weltanschauung offen gelegt: Sie war der Ansicht, dass es sich bei dem y-Gen des Mannes um ein unvollständiges x-Gen der Frau handle. Den Mann empfand sie daher als „wandelnde Fehlgeburt, als seelischen Krüppel und als biologische Katastrophe“. <BR /><BR />Ihr schwebte folglich eine ideale Gesellschaft vor, die ausschließlich aus Frauen bestehen sollte. Männer galt es hingegen auszulöschen: Die Einsichtigen sollten in Selbstmord-Zentren „unauffällig, schnell und schmerzlos“ vergast werden, gegen die Uneinsichtigen helfe Gewalt.<BR /><BR />Ihren Hass gegen Andy Warhol begründete Solanas im Prozess mit der abwertenden Darstellung von Frauen in seinen Filmen. Das Attentat sei eine Racheaktion gewesen.<BR /><BR />Das Urteil wegen Körperverletzung, illegalen Waffenbesitzes und versuchten Mordes gegen Solanas fiel auf 3 Jahre Haft, die sie in einer Psychiatrie absaß. 1985 starb sie in einem Obdachlosenheim in San Francisco.