<b>Herr Burger, es scheint, mit ihrem Buch „Freiheit mit Narben“ haben sie nicht das erreicht, wofür sie es geschrieben haben.</b><BR />Philipp Burger: Nun, eines sollte klar sein: Primär habe ich dieses Buch nicht geschrieben, um mich in ein besseres Licht zu rücken, wieso auch? Dafür gab und gibt es keinen Grund. Ich kann als Mensch, der die Geister scheidet, auch jetzt und heute behaupten, das Leben führen zu dürfen, für das ich Tag für Tag gerne aufstehe und abends auch glücklich meine Augen schließe. Aber es stimmt, ich konnte im Buch auch mir selbst auf den Grund zu gehen und einige aus der Luft gegriffenen Mythen ausführlich und faktenbezogen auf den Tisch legen. Dass ich damit alle Kritiker verstummen ließ, ist selbstverständlich nicht geschehen. Manche leben schließlich ja auch davon, das Leben von Menschen, die im öffentlichen Fokus stehen, zu sezieren und immer, immer wieder mit auch alten Kamellen in Verbindung zu bringen. So ist aber für viele der „journalistische“ Job aufgebaut, und genau das Konstrukt mit Reichweitengarantie und Schulterklopfern von Kollegen werde auch ich ganz sicher nicht ändern. Aber hey, ich beschwere mich nicht, stelle das aber fest.<BR /><BR /><b>Warum werden Sie auch nach 20 Jahren als Sänger von Frei.Wild, Landwirt, Familienmensch oder Musikproduzent immer noch auf Ihre Skinhead-Vergangenheit reduziert?</b><BR />Burger: Bad news sells. Ein Sprichwort, das selbstredend auch stimmt. Wer sich selbst ehrlich begegnet, wird darin die eine oder andere Wahrheit erkennen. Reißerische Schlagzeilen mit etwas Gift und Galle und dazu noch politische Sprengkraft mit Triggerpoint-Wörtern wie „rechts“ und „Skinhead“ erzeugen sicher mehr Neugierde als in Himbeermarmelade getauchte Geschichten aus Liebe und Versöhnung. Ich bin sozusagen eine Art kostenloses Katapult für Reichweite und Werbeeinnahmen. Dass medial gerade Links das alleinige Vorfahrtsrecht zu haben scheint und alles andere, auch konservative Wertehaltungen, nicht selten als trennend, ewiggestrig und für Leute mit wenig Weltoffenheit herhalten müssen, dürfte heute und jetzt sicher ebenso aufgefallen sein.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="995983_image" /></div> <BR /><BR /><b>Fazit: Ihre Biografie „Freiheit mit Narben – Mein Weg von rechts nach überall“ konnte die ewigen toxischen Frei.Wild-Diskurse nicht beenden.</b><BR />Burger: Richtig, zumindest nicht bei den 2 bis 3 Prozent der Gesellschaft, die sich dem Auftrag verschrieben haben, gegen alles zu feuern, das nach dem klingt, das sie eben nicht vertreten. Am Ende ist das aber auch egal, wir, also die Band, unsere Fans, vor allem aber Richter und Gerichte, sehen in unseren Texten nichts Verwerfliches, ganz im Gegenteil. Wir singen seit 23 Jahren in der selben Besetzung über das, was unser Herz berührt, ohne auch nur einen Song, der auf dem Index oder einer sonstigen roten Liste gelandet ist. Ist nicht das genau diese Freiheit, nämlich über das zu singen, was einem wichtig und falsch vorkommt, der Auftrag, den Musiker eigentlich haben sollten? Ich denke schon.<BR /><BR /><b>Wovor fürchtet sich das offizielle Deutschland, wenn es den Namen Philipp Burger hört?</b><BR />Burger: Ich glaube nicht, dass man sich vor mir fürchten muss, wieso auch? Ich glaube, Deutschland muss sich vor sich selbst fürchten. Vieles, was in diesem Land passiert und geschehen ist, grenzt einfach an jene Art von Wahnsinn, dass mir die Worte fehlen. <BR /><BR /><BR /><b>Ist – Ihrer Meinung nach – die erneute Ausladung von einer Veranstaltung durch die aktuelle Atmosphäre in Deutschland zu erklären?</b><BR />Burger: Diese Ausladung war letztlich ein Geschenk. Sage und schreibe alle großen Medien haben darüber berichtet. Und ich machte genau das, was meiner Art, mit Krisen umzugehen, entspricht, den nächsten Gang rein. Und buchte mir für den selben Abend der Lesung eine Halle in der Nähe der Messe, und spiele dort ein Konzert. Dieses war innerhalb von 20 Minuten ausverkaufte. Genau das war meine Art, einem solchen Kindergarten zu antworten. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="995986_image" /></div> <BR /><BR /><b>Mit Songs wie „Nie wieder“ tritt Frei.Wild ganz klar gegen Antisemitismus an. Glauben Sie, dass die Band dadurch Fans verloren hat? Oder Sie persönlich einige Exemplare ihres zweiten Solo-Albums „Grenzland“ weniger verkauft haben?</b><BR />Burger: Nein, ganz sicher nicht, im Gegenteil. Der Song, der exakt zum richtigen Moment kam und der auch auf dem kommenden Frei.Wild-Album drauf sein wird, hat für viele tolle Gespräche gesorgt. Was dabei raus kommt, ist erstmal egal, aber er hat sicher einige Steine bewegt. Und dass die Fans den Song supporten und feiern, spricht ebenso eine klare Sprache. <BR /><BR /><b>Samstagabend (17. Februar) geben Sie in der Diskothek Max in Brixen ein Konzert mit Songs aus „Grenzland“. Bei welchen Textpassagen sollten die Südtiroler ganz genau hinhören?</b><BR />Burger: Auf die Zeile „Es gibt keine Jugendsünden, es gibt nicht nur die eine Richtung, jeder wählt einen anderen Weg“. Ich glaube, keiner, nicht einer, egal, wo auf der Welt, kann von sich behaupten, keinen Dreck am Stecken zu haben. Vielmehr sollte in unserer aufgeklärten Welt doch die These zählen, dass man bei Menschen den Weg zurück in die Mitte der Gesellschaft, zurück in ein besseres Leben anerkennen sollte, statt immer wieder drauf zu donnern. Das jedenfalls ist eine Tugend, die mir bereits meine Großeltern beigebracht und ans Herz legten, nicht andere schlecht zu machen, um sich selbst besser dastehen zu lassen. Genau das scheint mir aber leider zu einer Art Volkssport geworden zu sein, leider.