Unstimmigkeiten, Missverständnisse, unterschiedliche Lebensvorstellungen: Wohl kaum eine Beziehung in unserer Gesellschaft ist so spannungsgeladen wie die zwischen Schwiegertochter und Schwiegermutter.<BR /><BR />Glaubt man einer deutschen Statistik, beschreiben sogar 60 Prozent aller Schwiegertöchter, dass ihr Verhältnis zur Mutter ihres Partners nicht das Beste sei, obwohl diese eigentlich doch völlig in Ordnung sei. Doch wie schafft man es, dieses oft brüchige Verhältnis ins Positive zu wandeln? Lösungen dafür kennt Simone Profanter aus Villnöß. Die 36-jährige Dreifach-Mama, die mit Ehemann und Schwiegereltern in Teis lebt, war selbst unzufrieden mit der „Schwiegermutter-Schwiegertochter-Beziehung“ – bis sie der Sache auf den Grund ging. <BR /><BR />Warum sie heute unheimlich froh ist um ihre Schwiegermama, was sie dafür tat und warum die Schwiegermütter grundsätzlich nicht das Problem seien, erzählt die professionelle Schwiegermutter-Coachin im Interview. <BR /><BR /><b>„Endlich gelassen mit deiner Schwiegermutter“, so nennt sich das Coaching, das Sie anbieten. Wie kommt man auf so einen Beruf?</b><BR />Simone Profanter: Ich lebe selbst mit meinen Schwiegereltern – zwar in getrennten Wohnungen, aber nebenan. Als 2018 meine dritte Tochter zur Welt kam, war ich unzufrieden mit der Beziehung zu meiner Schwiegermutter. Es gab zwar keine konkrete Konfliktsituation, Kleinigkeiten reichten aber aus – und es brodelte in mir. <BR /><BR /><b>Erzählen Sie uns von solchen typischen Konfliktsituationen …</b><BR />Profanter: Wenn ich das Haus verließ, fragte sie zum Beispiel, ob ich denn den Schnuller für die Kleine dabeihätte oder wo ich hinfahre. Sie wollte nur nett sein, aber ich, als freiheitsliebender Mensch, fühlte mich sofort eingeengt und bevormundet. Oder sie wusch unsere Wäsche. Klar, sie wollte nur helfen, aber ich fühlte mich in meiner Privatsphäre eingeschränkt. Es waren im Nachhinein gesehen Kleinigkeiten, aber zu dem Zeitpunkt Dinge, die für mich ein „No-Go“ waren. <BR /><BR /><embed id="dtext86-60968140_quote" /><BR /><BR /><b>Wie gingen Sie damit um?</b><BR />Profanter: Ich habe das Gespräch gesucht, gesagt, dass ich das nicht möchte, aber es änderte sich nicht wirklich was. Als ich eines Tages meinem Mann wieder verbittert mein Problem klagte, meinte er, er hätte alles getan, was er tun könne. Ich müsse selbst etwas ändern. Der Satz fühlte sich an wie eine Ohrfeige. Aber er öffnete mir die Augen. Ich musste endlich Verantwortung für mich übernehmen und etwas tun.<BR /><BR /><b>Ausziehen?</b><BR />Profanter: Nein (lacht). Ich bin im Juni 2019 eine Woche zu einem Persönlichkeits-Entwicklungsseminar nach Saalfelden in Österreich gefahren. Dort fand ich viel Zeit für mich und verstand plötzlich, warum Dinge so passieren, wie sie passieren. Als ich nach Hause kam, dachte ich: Huch? Alles war auf einmal so anders. Es war verrückt.<BR /><BR /><b>Wie anders?</b><BR />Profanter: Ich fragte mich, ob das denn schon noch die gleiche Schwiegermutter war? Meine Schwiegermama hat aufgehört, Dinge zu machen, die ich nicht wollte – ganz ohne Aufforderung dazu. Auch mein Umfeld, ja sogar meine eigene Mutter sagte mir, dass ich anders geworden sei, seit ich an mir selbst gearbeitet habe. Das hat mich stutzig, aber auch richtig neugierig gemacht. Ich wollte wissen, wie es sein konnte, dass diese Veränderung in mir so viel um mich herum verändern konnte. Da ich als Landesbedienstete noch in Mutterschaft war, beschloss ich, eine Coaching-Ausbildung in diesem Bereich zu machen. Ich wollte diese positive Erfahrung unbedingt anderen Frauen weitergeben. <BR /><BR /><b>Gibt es wirklich so viele betroffene Frauen im Land?</b><BR />Profanter: Speziell in Südtirol gibt es viele Frauen, die aufgrund des Hofes oder Betriebs mit ihren Schwiegermüttern eng zusammen wohnen oder arbeiten. Seit ich mich mit diesem Thema auseinandersetze, merke ich, wie vielen Frauen es gleich ergeht wie es mir erging.<BR /><BR /><b>Und wie können Sie diesen Frauen helfen?</b><BR />Profanter: Indem ich mit ihnen an ihrem „Inneren Kind“ arbeite. Heute weiß ich, dass bei meiner eigenen Schwiegermutter-Schwiegertochterbeziehung Gefühle in mir geweckt wurden, die ihren Ursprung in der Kindheit haben. Etwa Ohnmacht, Wut oder das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Im Grunde war meine Schwiegermama nur der Spiegel, der mir das aufgezeigt hat. Als Schwiegertochter sieht man das aber nicht und denkt, die macht das mit Absicht. Das ist ein Rad. Ich spreche heute oft mit Frauen, die aus diesem Grund keinen Kontakt mehr mit der Schwiegermutter haben, aber das löst das Problem nicht. <BR /><BR /><b>Wie schafft man es, der Schwiegermutter Grenzen aufzuzeigen, ohne Funkstille zu bewirken?</b><BR />Profanter: Indem man seine eigenen Grenzen spürt, wahrnimmt und zu denen auch steht. Viele meiner Klientinnen sagen, dass es vor dem Nachwuchs gut funktioniert habe. Doch mit der Erziehung bekommen wir Frauen eine neue Aufgabe. Viele von uns gehen über die eigenen Grenzen und achten nicht gut auf sich. Das spiegelt sich nach außen wider. Durch mein grenzüberschreitendes Verhalten habe ich das Gefühl, dass meine Schwiegermutter ihre Grenzen überschreitet – vereinfacht gesagt.<BR /><BR /><b>Wie kann man das Problem mit der Schwiegermama nun konkret lösen?</b><BR />Profanter: Als betroffene Schwiegertochter geht es darum zu lernen, mit den alten Gefühlen, die man als Kind abgespeichert hat, umzugehen. Wenn ich als Kind wütend war, zeigte mir niemand, wie man diese Emotion spürt. Man sagte eher, ich solle mit dem Schreien aufhören. Wird man im Erwachsenenalter von der Schwiegermutter, dem Chef, dem Politiker oder wem auch immer getriggert, kommt dieses Gefühl wieder hoch. Darum muss man das Problem an sich selbst anschauen und lösen, wenn man mit jemandem nicht klarkommt. Das habe ich am eigenen Leib beobachten können. Wenn es mir gelingt, mein Inneres „Ich“ zu verändern, verändern sich mein Verhalten und meine Ausstrahlung. Automatisch verändert sich im Außen auch etwas – und das ohne großes Zutun, es geht Hand in Hand. <BR /><BR /><b>Sie arbeiten also nur mit Schwiegertöchtern; brauchen Schwiegermamas kein Coaching?</b><BR />Profanter: Schwiegermütter tun sich oft genauso schwer mit Konflikten in der Familie. Momentan konzentriere ich mich auf die Schwiegertöchter, aber wer weiß: Ich habe drei Kinder und werde vielleicht auch mal Schwiegermama? Dann könnte ich mir durchaus vorstellen, diese Perspektive etwas genauer zu analysieren. <BR /><BR /><b>Suchen auch Schwiegersöhne Hilfe bei Ihnen?</b><BR />Profanter: Ich arbeite nur mit Frauen, weil ich selbst eine bin und weiß, wie wir ticken. Anfragen leite ich aber gern an männliche Kollegen weiter.<BR /><BR /><b>Sie sind knapp ein Jahr selbstständig und haben in Ihrer Servicegruppe auf Facebook bereits rund 400 Follower. Was hat Sie die Erfahrung bis heute gelehrt?</b><BR />Profanter: Grundsätzlich geht es immer um dieselben Themen. Das reicht von Selbstwert – sprich, man glaubt, nie gut genug zu sein – bis hin zu falscher Kommunikation. Wenn ich etwa sage: „Kannst du mir bitte Nudeln kaufen?“, dann tut man sich härter, die richtigen zu bringen, als wenn ich sage: „Kannst du mir bitte Spaghetti Nr. 5 kaufen?“ Ja klarer ich meine Vorstellung kommuniziere, desto klarer kommt sie zurück. Wichtig ist hier, sich selbst zu beobachten und den Schwerpunkt auf sich selbst zu legen, nicht die Ursachen woanders zu suchen. <BR /><BR /><b>Die Schwiegermutter ist also nie schuld am Konflikt?</b><BR />Profanter: Nein, es ist in erster Linie nicht die Schwiegermutter. Ich kann das Problem nur für mich ändern.<BR />Aber Moment: Es gibt doch auch diese Schwiegermütter, die einen vom ersten Tag an nicht akzeptieren!<BR />Da sollte man sich fragen, wo man sich selbst noch nicht akzeptiert. Wenn man anfängt, sich selbst zu akzeptieren und den Partner liebt, dann wird sich auch im Außen etwas tun. Wenn ich hungrig bin nach Akzeptanz, dann wird es schwierig. Allen gefällt man nie. <BR /><BR /><b>Das klingt einfacher als es ist …</b><BR />Profanter: Gewiss, wir leben in gesellschaftlichen Strukturen, in denen viel von Müttern und Frauen verlangt wird. Doch gerade deshalb muss ich mir als Frau, Mama, Partnerin oder Freundin unbedingt auch mal Zeit für mich selbst nehmen, sonst fangen die Probleme an. Ich habe mittlerweile ein gutes Gespür dafür, wann ich eine Auszeit brauche – und diese nehme ich mir auch. <BR /><BR /><b>Erkennen ist ein guter Schritt, aber wie kann man das ohne schlechtes Gewissen umsetzen?</b><BR />Profanter: Geht es der Frau gut, geht es meist auch den Kindern und dem Partner gut, das müssen wir lernen.<BR /><BR /><b>Apropos Partner: Welche Rolle spielt er bei „Schwiegi“-Konflikten?</b><BR />Profanter: Der Sohn und Ehemann sollte sich neutral verhalten, und das hat auch mein Mann gemacht. Er hörte mir zwar zu, weil es ja um seine Mutter ging, meinte aber immer: Ihr seid zwei erwachsene Frauen, redet es euch aus. Ich wusste also, er wird nichts tun, ich muss was ändern. Das war das Beste, was er machen konnte. <BR /><BR /><b>Wie leben Sie heute mit Ihrer Schwiegermutter?</b><BR />Profanter: Ich bin meiner Schwiegermama sehr dankbar für ihre Hilfe und melde mich gern, wenn ich Unterstützung brauche. Hat sie mal keine Zeit, dann ist es wichtig, dass sie auch „Nein“ sagt und ich das akzeptiere bzw. ihr die gleiche Freiheit zugestehe, die ich mir nehme. Anstelle von Schuldzuweisungen übernehme ich die volle Verantwortung für alles, was ich sage und tue. Da verändert sich viel. Heute darf ich Gemüse aus ihrem Garten holen oder koche für den Schwiegervater, wenn sie mal nicht da ist. Ich bin glücklich und sehr dankbar, mit ihr unter einem Dach zu leben, darum geht es. Sie ist ein Geschenk, denn durch sie habe ich ganz viel in meinem Leben zum Positiven verändert.<BR /><BR /><b>Was sagt sie dazu, dass Sie dieses doch sehr intime Thema nun zum Geschäftsmodell gemacht haben?</b><BR />Profanter: Meiner Schwiegermutter war nicht klar, dass mich das früher so sehr beschäftigt hatte. Sie ist eine Frau, die immer das Beste möchte und versucht, für jeden da zu sein. Ich habe ihr darum auch gesagt, dass es nichts mit ihr zu tun hat, es war meine Geschichte. Ich rechne es ihr heute hoch an, dass sie das mitträgt. Wir kommen gut aus, das ist das Wichtigste. Der Rest sind die Geschichten der anderen Leute.<BR /><BR /><b>Wie tabubehaftet ist dieses Thema in Südtirol?</b><BR />Profanter: Sehr stark. Auch für mich war es ein Lernfeld. Heute ist es jedoch toll zu sehen, dass es funktioniert. Meine Facebook-Gruppe, in der ich mich über das Thema austausche, wächst wöchentlich. <BR /><BR /><b>Sie sind seit Oktober 2022 selbstständig. Wer sind Ihre Kundinnen?</b><BR />Profanter: Ich arbeite online oder in meinem kleinen Studio in Teis, wo ich mit Frauen zusammenarbeite und sie begleite. Die meisten sind zwischen 25 und 40 Jahre alt.<BR /><BR /><b>Was erwartet die Kundinnen bei Ihrem Coaching?</b><BR />Profanter: Ich arbeite mit verschiedenen Tools, um den Frauen zu helfen, ihre Gefühle fühlen und spüren zu lernen – nicht nur mit dem Kopf, sondern auch im Herzen. Bis heute bin ich noch nie gescheitert mit meinem Coaching, selbst in scheinbar aussichtslosen Fällen.<BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR />