<BR />Bis in die Mitte der 1980-er Jahre gab es sie noch – die „Kirchnhoaßerin“. Wenn jemand verstorben war, wurde sie angestellt, um Verwandte, Nachbarn und Bekannte auf den weitum verstreuten Höfen des Sarntales zu verständigen. Maria Heiss aus Pens war eine von ihnen. <?O_Kursiv><?_O_Kursiv><BR /><BR /><BR /><BR /><i>Von Hildegard Kröss</i><BR /><BR /><BR />Noch bis vor 30 bis 40 Jahren gab es auf vielen Höfen und in vielen Häusern im Sarntal noch kein Telefon, geschweige denn ein Handy. Daher war es schwierig, die Leute zu benachrichtigen, wenn es einen Todesfall gab. Diese Aufgabe übernahm die „Kirchnhoaßerin“. Sie wurde von den Angehörigen des Verstorbenen beauftragt, die Nachricht von einem Todesfall und den Zeitpunkt der Beerdigung bis auf die entlegensten Höfe hinauf zu bringen.<BR /><BR />In Sarnthein übernahmen das häufig arme, ältere Frauen, die sich damit auch eine Kleinigkeit verdienen konnten. Sie gingen zu Fuß vom Dorf bis auf die vielfach weit entfernten Höfe, überall dorthin, wo der Verstorbene Verwandte und Bekannte hatte. Dafür bekamen sie von den Bauern meistens Naturalien wie Speck, Brot, Eier oder Butter, manchmal auch ein bisschen Geld. Zur Mittagszeit wurden sie auf bestimmten Bauernhöfen auch zum Essen eingeladen. In den kleineren Dörfern des Tales waren es oft auch Kinder, die diesen Dienst versahen.<BR /><BR /><b>Alle Wege wurden zu Fuß und bei jedem Wetter gemacht</b><BR /><BR />Maria Heiss aus Pens ist eine der wenigen, die selbst noch als Kind „kirchnhoaßn“ ging. Ihre Familie wohnte auf dem Hof neben dem Widum und so haben sie und ihre Geschwister jahrelang diesen Dienst übernommen. Bei einem Todesfall erteilten ihnen die Angehörigen den Auftrag, die Menschen zum „Kirchn zu hoaßn“, das heißt zum Gebet für die verstorbene Person zu bitten. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="617999_image" /></div> <BR />„Ich habe mir immer auf einem Zettel den Namen des Verstorbenen und den Zeitpunkt der Beerdigung genau aufgeschrieben, um ja alles richtig zu sagen“, erzählt sie. Die Todesnachricht musste innerhalb von 2 Tagen überbracht werden.<BR /><BR /> Das bedeutete, dass genau eingeteilt wurde, wer wohin gehen musste. Jedes der Geschwister übernahm einen Teil des Gebietes. Das waren viele Kilometer, die zu Fuß gemacht werden mussten, galt es doch von einem Hof zum anderen, hinauf und hinunter, zu gehen. Und niemand durfte vergessen werden. Besonders mühsam war das im Winter, wo die Wege oft tief verschneit und eisig waren und es auch noch keine entsprechende Kleidung gab.<BR /><BR /><b>„Kirchnhoaßn“ war unser Taschengeld</b><BR /><BR />„In jedem Haus haben wir den gleichen Satz gesagt: „Der … (Name des Bauern) lässt bitten ums Kirchengehen für…, die Beerdigung ist am…, der Seelenrosenkranz wird gebetet um…“, erinnert sich Maria Heiss. Die Kinder bekamen dafür oft ein hartes Brot, manchmal Speck oder Wurst, in seltenen Fällen auch Süßigkeiten. „Oft haben uns die Leute auch gefragt, ob wir lieber Brot oder Geld möchten. Und da wollten wir immer lieber Geld, denn das war unser Taschengeld“, erzählt sie.<BR /> Sie hätten im Durchschnitt 50 Lire bekommen, oft auch 100 Lire und das war schon viel. Für 50 Lire habe man sich damals ein belegtes Brot oder ein Eis kaufen können. Einige Male ist es auch vorgekommen, dass die Leute auf den Höfen bereits vom Todesfall wussten und daher nichts mehr gaben. Das war dann eine große Enttäuschung, hatte man den Weg doch umsonst gemacht.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="618002_image" /></div> <BR />Als dann in den späten 1980-er Jahren auch auf vielen Höfen das Telefon Einzug hielt oder die Zeitung regelmäßig in die Haushalte kam, erübrigte sich dieser Dienst. <BR /><BR />Das „Kirchnhoaßn“ selbst sei „nicht so fein“ gewesen, „weil die weiten Wege sehr anstrengend waren, aber insgesamt bin ich gerne gegangen, weil ich damit mein Taschengeld aufbessern konnten“, meint Maria Heiss abschließend. Dadurch habe sie auch die ganzen Leute im Dorf persönlich gekannt. Es habe sie aber immer sehr berührt und betroffen gemacht, wenn Angehörige zu ihr gekommen sind und geweint haben.<BR /><BR />