Die Band Frei.Wild wollten es heuer musikalisch ruhig angehen. „Pause“ war Ende 2019 als Parole ausgegeben worden. Doch Corona ließ alles anders kommen als erwartet. Und so blicken die 4 Südtiroler Deutschrocker nun in vielerlei Hinsicht auf eines ihrer erfolgreichsten Jahre zurück.<BR /><BR /><BR /><i><BR />Interview: Sieglinde Höller</i><BR /><BR />Angesichts der Corona-Pandemie schien die Auszeit von den Frei.Wild-Musikern Christian Forer, Philipp Burger, Jochen Gargitter und Jonas Notdurfter glücklich gewählt. Abwarten, bis sich die Situation für den Kulturbereich wieder normalisiert. „Nur war und ist Warten noch nie unsere Stärke“, so die Band. „Das über 19 Jahre hart erkämpfte Band-Überlebenstraining hat uns im Vergleich zu vielen anderen große Vorteile beschert. Unsere Stärken waren in goldenen Zeit nicht so sichtbar, aber in Zeiten, in denen der Wind kalt und heftig weht, umso mehr.“ Die Frei.Wild-Bilanz für 2020: 3 Alben in den Top-3 der Offiziellen Deutschen Albumcharts („Quarantäne Tape“ auf Platz 1, „Brüder 4 Brothers“ mit den Orange County Shoppers und „Attacke ins Glück“ auf Platz 2), große Erfolge bei In-House-Merchandising und Monetarisierung bei YouTube. <BR /><BR /><b>So sieht es also aus, wenn Frei.Wild es ruhig angehen lässt?</b><BR /><BR />Philipp Burger: Nahezu jeder unserer Pläne – etwa Fernreisen oder die Tour durch die USA, gemeinsam mit den Orange County Choppers – fiel durch die Corona-Krise ins Wasser. Selbst unser heiß geliebtes Alpen Flair, das in diesem Jahr unser einziges Konzert gewesen wäre, musste abgesagt werden. Somit sagten wir uns bereits Anfang März: „Dieses Jahr ist das absolut falsche, um ein sorgloses und freies Auszeitjahr zu genießen.“ Wir stellten alle Hebel auf Angriff, und können heute glücklich und zufrieden behaupten, gleich in 3 Sparten unser bisher erfolgreichstes Jahr der Bandgeschichte eingefahren zu haben. Gemeint sind die Bereiche Tonträger/Streaming/ Download, In-House-Merchandising und Monetarisierung bei YouTube. Wir können nicht klagen und sind happy.<BR /><BR /><b>„Sozialkritisch und lebensbejahend“</b><BR /><BR /><b>Nicht zu vergessen die 3 Alben in den Top-3 der offiziellen deutschen Albumcharts.</b><BR /><BR />Burger: Ja, das schnelle Agieren und die harte Arbeit scheinen sich auch dieses Mal ausgezahlt zu haben. Unsere Fans sprechen bei unseren beiden Corona-Alben „Quarantäne Tape“ und „Attacke ins Glück“ von Mutmacher- Hymnen, sozialkritisch, lebensbejahend, eingängig. Das freut uns natürlich, und wir scheinen damit bei den Leuten ins Schwarze getroffen zu haben, Und das ohne große Promo-Kampagnen oder teure Videos. Das dritte Album, das „Brüder 4 Brothers“ Projekt mit den Orange County Choppers, hat es ebenso in die Herzen vieler Musikfans geschafft. Das Beste ist aber eigentlich, dass wir mit diesen Werken nahezu jeder Handelsprognose widersprochen haben.<BR /><BR /><b>Die da lautete?</b><BR /><BR />Burger: Dass derzeit jede Veröffentlichung in der Branche mehr oder minder versanden würde. Das war bei uns zum Glück nicht der Fall.<BR /><BR /><b>Apropos Branche, wie hat Corona die Musikwelt verändert?</b><BR /><BR />Burger: Corona hat die gesamten Musikbranche auf den Kopf gestellt. Auf das eh schon lange eingeläutete Aussterben physischer Tonträger wirkt Corona wie ein Brandbeschleuniger. Der Live-Branche könnte es gerade auch nicht schlechter gehen. Marketing, Promotion, ja selbst die Recording- und Videobranche musste und muss gewisse „alte“ Hebel umstellen. Die klugen Strategie-Köpfe rauchen zwar überall, aber das Live-Gefühl lässt sich durch z.B. Streaming-Konzerte nicht ersetzen. Alles orientiert sich gerade neu. Aber hey, neue Probleme, neue Wege, wir werden sehen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-47006140_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Was bringt die Südtiroler Musikwelt wieder zum Laufen?</b><BR /><BR />Burger: Ich sage ein einziges Wort: Gewissheit. Es ist wichtig zu wissen, wann und unter welchen Voraussetzungen es wieder los geht. Klar, derzeit sind Prognosen schwierig. Auch leiden fast alle Wirtschaftszweige unter Schwierigkeiten und hoffen auf Hilfen von Land und Staat. Kunst und Musik werden im Vergleich dazu aber leider wirklich etwas stiefmütterlich behandelt.<BR /><BR /><b>Hat die Corona-Krise die Spreu vom Weizen getrennt?</b><BR /><BR />Burger: In Kunst und Musik über „gut“ und „schlecht“, „künstlerisch wertvoll“ oder nicht zu reden, ist und war schon immer umsonst. Entscheidend ist letztlich NUR, ob sie Herzen berührt oder nicht. Bands bzw. Musiker mit einem über Jahre aufgebauten guten Rüstzeug, werden diese Krise meistern. Im besten Fall auch all jene Menschen, die dahinter arbeiten. Andere wiederum, die kurz vor dem Sprung nach oben standen, wurden de facto von 100 auf null runter gebremst. Das ist schmerzlich. Aber solche Krisen bieten auch immer Chancen, für jeden. Vor allem für Musiker, die noch keine alteingefahrenen Systeme und großen Apparate dahinter haben. Wer diese Chancen erkennt und diese Zeit jetzt wirklich beinhart mit Fleiß und Ehrgeiz nutzt, kann hinterher mit einem starken Neustart überraschen. Die Corona-Krise ist bereits die zweite große Wirtschaftskrise, die ich beruflich durchlebe. Im Jahr 2008 hatte ich in meiner Zimmerei 16 Angestellte. Genau wie jetzt, bin ich der damaligen Wirtschaftskrise mit einem „Angriff nach vorne“ begegnet. Das sofortige Ausloten von beruflichen „Überlebensstrategien“, eine bessere Preiskalkulation, ein breiteres Arbeitsfeld und viel Entbehrungen durch Mehrarbeit ließen die Krise wirklich schadenfrei an mir vorüber ziehen. Nach einem zusätzlichen Großauftrag mit mehrmonatigen Montage-Arbeiten in Irland war die Krise vorbei, und meine Firma gefestigter als je nie zuvor. Ich wünsche jedenfalls allen Musikern im Land viel Zuversicht, Glück, Ideen und vor allem verdammt viel Kraft. Vor allem die Erkenntnis, die komplette Energie NUR in das eigene Projekt, die eigene Band zu stecken und sich von nichts und niemanden sagen zu lassen, es würde eh nicht funktionieren. <BR /><BR /><b>Großes Projekt zum Jubiläum</b><BR /><BR /><b>Wie geht es 2021 mit Frei.Wild weiter?</b><BR /><BR />Burger: 2021 steht unser 20. Bühnenjubiläum an. Was genau kommt, möchte ich noch nicht verraten. Aber wir haben ein sehr, sehr großes und vor allem schönes Projekt vor uns liegen und arbeiten bereits mit viel Feuer dran. Egal, ob es uns gelingt, live zu spielen oder nicht, wir werden die 20 Jahre gebührend feiern.<BR /><BR /><b>Gibt es ein Alpen Flair in Natz?</b><BR /><BR />Burger: Boah, ich habe keine Ahnung, aber insgeheim denke ich leider nicht.<BR /><BR /><b>Last, but not least: Wie haben Sie privat das Jahr erlebt?</b><BR /><BR />Burger: Ich hatte immer enorm viel zu tun, und die Tage vergingen in Windeseile. Als positive Erinnerung bleibt mir selbst die Zeit des ersten Lockdowns, in der wir zusammen mit der Familie meiner Schwägerin und einem super Kumpel, der kurz vorher zu uns gezogen war, anderthalb Monate ausschließlich auf dem Bauernhof gearbeitet haben. Wir hatten am Ende viel geschafft, über die 60 Tage aber auch etwas zu oft den Feierabend gefeiert… (lacht). Nein, im Ernst, es gibt nichts, worüber ich klagen will, in Summe hatten wir ein sehr familienbezogenes Jahr mit tollen Erlebnissen, mit vielen endlich abgeschlossenen Arbeiten auf dem Hof, mit einer sehr angenehmen Zeit im Studio und bei Videodrehs.<BR />