300.000 Stundenkilometer, 24.000 Volt, 5 Zentimeter lange Wellen: Die beeindruckende Technik hinter dem beliebten Wetterradar für Südtirol. <BR /><BR /><BR /><BR />Seit gut 20 Minuten knackt der Allrad-Geländewagen über den Schotter, krallt sich steinige Steigungen hinauf, neigt sich in Löcher, die der Regen aus dem Forstweg gewaschen hat. Über die Mendel und Fondo am Nons-berg geht die Dienstfahrt von Günther Geier, über den waldigen Rücken des Gantkofels hinauf bis knapp hinter dem Gipfel. „Das war eine Militärstraße, im Zweiten Weltkrieg war hier oben die Flugabwehr für Bozen“, erklärt der Koordinator des Landes-Wetterdienstes. <BR /><BR /><BR />Ins Land „hineingeschossen“ wird von hier aus auch 70 Jahre später, aber nicht mit Kanonen und Granaten, sondern mit Mikrowellen. Rund um die Uhr, in 11 verschiedenen Höhenlagen, der ganze Großraum zwischen Garmisch, Lienz, Verona und Davos in der Schweiz steht unter „Beschuss“, der nicht nur völlig friedlich, sondern auch interessant und nützlich ist. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667229_image" /></div> <BR />Das Niederschlagsradar auf der Wetterseite des Landes ist eine der meistgeklickten Internetseiten des Landes, eine gute halbe Million User haben die App auf ihrem Smartphone installiert. „Die Radarbilder im Internet und in der App werden an Spitzentagen mit Gewittern oder Starkregen bis zu 100.000 Mal aufgerufen“, sagt Geier. So können Bauern wie Bergwanderer an den farbigen Flächen ablesen, wo eine Regenfront herannaht, ob sie womöglich doch eine Kurve macht und an der Obstwiese oder an Gipfel vorbeischrammt. <BR /><BR />„Auch in den Einsatzzentralen von Feuerwehr läuft das Niederschlagsradar“, erklärt Geier, so könnten sich die Einsatzkräfte zum Beispiel schon auf ein herannahendes Unwetter vorbereiten. Für die Nachbarprovinz Belluno überwacht das Radar sogar einen Abschnitt mit großer Murengefahr im Cadore: Zeigt das Regenradar eine gefährliche Front an, wird dort automatisch Zivilschutz-Alarm ausgelöst. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667232_image" /></div> <BR />Und hinter all dem stehen Mikrowellen? „Ja, genau wie in der Mikrowelle daheim in der Küche werden hier Energiewellen produziert“, sagt Geier, während er auf die 2 kleinen Häuschen zugeht, die sich recht bescheiden an den 10 Meter hohen Stahlturm mit einer aufgesetzten schneeweißen Kugel schmiegen. Einen Durchmesser von 6 Metern hat die Kunstharz-Konstruktion, aber sie ist nur Schutzhülle für die 1,5 Tonnen schwere Antenne die darunter alle 4 Minuten ihre Runde dreht und dabei die Mikrowellen in einem Umkreis von 120 Kilometern ins Land hinausschießt und die zurückgeschickten Wellen wieder einfängt. 600 Mal in der Sekunde schafft das der stählerne Schwerarbeiter in der Kuppel. Aus den zurückgeschickten Wellen kann der Computer herausfiltern, wo es gerade nieselt, richtig satt regnet oder wie aus Kübeln gießt. <BR /><BR />Freilich schicken auch Berge die Wellen vom Gantkofel wie ein Echo zurück, aber die Software weiß, dass nur bewegliche Teile zu einer Regenfront gehören. „Das hat dazu geführt, dass zum Beispiel eine Seilbahn in Bewegung zu winzigen Regen-Pixel auf der Karte geführt haben“, schmunzelt Carlo Dalpiaz, Ingenieur des Trentiner Wetterdienstes, der gemeinsam mit den Südtirolern die Anlage am Nonsberg betreibt.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667235_image" /></div> <BR />Dalpiaz kommt aus dem nahen Corredo, und das ist ein Glücksfall. Denn der Ingenieur ist so schneller zur Stelle, wenn das Radar streikt. Und das ist gar nicht so selten. „Viele mechanische Teile sind vom Verschleiß betroffen, die Anlage ist bald 20 Jahre alt und muss daher bald ausgetauscht werden“, sagt Geier. Mit den Bauarbeiten wird noch in diesem Jahr begonnen, im Herbst 2022 oder im Sommer 2023 soll die Anlage in Betrieb gehen. <BR /><BR />Bis dahin muss die „alte Mikrowelle“ in der Wetterküche im Dienst bleiben. Und diese steht eben nicht in der imposanten weißen Kuppel, sondern 10 Meter tiefer in einer Art Kasten, der auch als Kühlschrank durchgehen könnte. Hier summen die Kühler von Computern, blinken Dioden, schlängeln sich Dutzende Datenkabel aus den Rückseiten der Geräte. <BR /><BR />Eher unscheinbar, fast wie ein stählerner Ambo in der Schmiedewerkstatt, wirkt das Herzstück der ganzen Anlage: der Magnetron, etwas kleiner als ein Fußball. Hochspannung von 24.000 Volt wird in das Vakuum mitten im wuchtigen Magneten hineingepresst, dabei entstehen etwa 5 Zentimeter lange elektromagnetische Wellen. <BR />Diese schießen über die armdicke Datenleitung hinauf in den Sender und Empfänger in der Kuppel. Mit Lichtgeschwindigkeit von ungefähr 300.000 Kilometern pro Sekunde sausen die unsichtbaren Detektive für den Niederschlag dann über Tirol, das Trentino und die Nachbarregionen. Die 240 Kilometer nach Lienz und zurück legen sie in 0,8 Millisekunden zurück. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667238_image" /></div> <BR />Und trotz dieser Geschwindigkeit erledigen sie ihren Job mit unglaublicher Präzision, wie Meteorologe Geier anschaulich erklärt: „Diese Anlage ist so genau, dass sie auf 7 Kilometer Entfernung eine Biene orten kann. Aber das ist notwendig, um in 120 Kilometern Entfernung einen Nieselregen auszumachen.“<BR />So viel Genauigkeit ist freilich nur über viele Detaildaten zu erreichen. Und so kommt bei einem einzigen 4-Minuten-Scan des Radars ein Datenbündel von gut 350 Megabyte zusammen, das über Richtfunk nach Bozen geschickt wird. Dort werden die „rohen“ Bits und Bytes für alle zubereitet, die mit Fingertippen oder Mausklick das Niederschlagsradar aufrufen und das Geschehen am Himmel über Südtirol mitverfolgen – ein digitaler Gruß aus der Wetterküche, hinter dem viel Aufwand steckt.<BR />