Das Kirchenrecht verpflichtet jeden Diözesanbischof, ein Geheimarchiv anzulegen. Dort werden besonders heikle und daher schützenswerte Unterlagen deponiert, zum Beispiel geheime Informationen aus Eheprozessen – oder auch Akten zu kirchlichen Strafsachen, darunter zu Missbrauchstätern.<BR /><BR /> Nicht zuletzt deshalb stehen die diözesanen Geheimarchive, für die nur der Bischof persönlich den Schlüssel haben darf, immer stärker in der Kritik. Auch kirchenintern. So bezeichnet die Kirchenrechtlerin Jessica Scheiper auf dem Portal „feinschwarz.net“ diese gut versteckten Archive als „schwarzes Loch“, in dem „einschlägige Dokumente selbst zur Aufklärung sexueller Gewalt absichtlich unter Verschluss“ gehalten werden können. Scheiper fordert, dass die Bischöfe von der Verpflichtung zu einem Geheimarchiv entbunden werden. <BR /><BR />Was bei Missbrauchsfällen in der Kirche erschwerend hinzukommt ist die Verpflichtung, das Geheimarchiv-Akten über solche Prozesse nicht nur unter Verschluss gehalten werden, sondern 10 Jahre nach der Verurteilung oder dem Tod des Täters vernichtet werden müssen. Übrig bleibt nur ein kurzer Bericht über den Tatbestand und das Endurteil in dieser Causa. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="963463_image" /></div> <BR /><BR />Mittlerweile fordern auch Bischöfe ein Ende dieser Aktenvernichtung, die ein Aufarbeiten der Missbrauchsfälle erschweren bis unmöglich machen. So kündigte der Vorsitzender der Schweizer Bischofskonferenz, der Churer Oberhirte Joseph Bonnemain, kürzlich an, dass sich alle Bistümer verpflichtet hätten, keine Missbrauchsakten mehr zu vernichten – selbst wenn das Kirchenrecht dies vorschreibe. So sollten Forschende ihre Studien über sexuellen Missbrauch im kirchlichen Bereich weiter vertiefen können. <BR /><BR />Wie sieht es nun mit dem Geheimarchiv in der Diözese Bozen-Brixen aus? Auf Anfrage bestätigt Bischof Ivo Muser, dass er der kirchenrechtlichen Verpflichtung nachkomme: „Auch in unserer Diözese gibt es ein Geheimarchiv, das sich im Bischöflichen Ordinariat befindet und zu dem nur der Bischof einen Schlüssel hat.“ Der Kanon 490 des geltenden Kirchenrechts regle alles, was mit dem Geheimarchiv zu tun hat.<BR /><BR /><embed id="dtext86-62172662_quote" /><BR /><BR />Allerdings fügt Bischof Muser sofort hinzu: „Unser Geheimarchiv ist leer.“ So habe er es beim Amtsantritt im Jahr 2011 vorgefunden. „Persönlich habe ich mich entschlossen auch in Zukunft keine Dokumente dort abzulegen“, sagt Bischof Muser.<BR /><BR />Die Empfehlung, Dokumente nach einer bestimmten Zeit zu vernichten, gebe es nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Alle offiziellen Dokumente müssten aufbewahrt und mit großer Sorgfalt behandelt werden. Diese Praxis wurde in den vergangenen Jahren, sowohl vom Vatikan wie von der Bischofskonferenz, immer wieder betont und angemahnt.<BR /><BR />Dass Akten zu Missbrauchsfällen in diesem Geheimarchiv versteckt würden, sei schlichtweg nicht mehr erlaubt, bekräftigt der Diözesanbischof. „Missbrauchsfälle müssen von jedem Bischof bzw. Ordensoberen an das Dikasterium für die Glaubenslehre gemeldet werden. Dort wird jeder Fall geprüft und auch das Urteil gefällt. Die kanonischen Gesetze diesbezüglich sind heute klar und streng.“<BR /><BR />