<b>Von Miriam Roschatt</b><BR /><BR />Man könnte meinen, jemand habe an der Zeituhr gedreht, wenn Patrick Gamberoni an einem vorbeischlendert. Mit elegantem Stil und höflichem Auftreten wirkt er, als wäre er direkt einem anderen Jahrhundert entsprungen. Adolph Freiherr Knigge hätte seine helle Freude an ihm gehabt. Doch wie ist der 37-jährige Eppaner, der seit zehn Jahren in Wien lebt und dort in der Finanzbranche tätig ist, zu alledem gekommen? Und welche Rolle spielt sein Großvater Matthias dabei? Das hat er der s+ verraten.<BR /><BR /><b>Sie zeigen sich in Ihrem Alltag mit Pfeife, Hut und Fliege. Wie viel Mut braucht es dafür?</b><BR />Patrick Gamberoni: Heute brauche ich dafür keinen Mut mehr. Im Laufe der Jahre habe ich meinen Stil so verinnerlicht, dass er ein natürlicher Teil meiner Persönlichkeit geworden ist. Anfangs, besonders in meiner Jugend, war es manchmal schon eine Überwindung, da mein Stil nicht wirklich adäquat zu meinem Alter war. Die Gesellschaft tendiert dazu, Kleidung und Accessoires bestimmten Altersgruppen oder Rollen zuzuschreiben. Ein junger Mann mit Pfeife und Hut weicht von der Norm ab und zieht Blicke auf sich – sowohl bewundernde als auch skeptische. Es erforderte eine innere Überzeugung, diese Ästhetik trotzdem selbstbewusst zu tragen. Doch mit der Zeit wurde mir klar, dass wahre Stilsicherheit bedeutet, sich nicht von äußeren Reaktionen beirren zu lassen. <BR /><BR /><b>War Mode schon immer von Bedeutung für Sie?</b><BR />Ja, auf jeden Fall. Schon früh habe ich mich mit der Wirkung von Kleidung auseinandergesetzt. Es begann mit der Frage: „Wie möchte ich auf andere wirken?“ und entwickelte sich weiter zur Erkenntnis, dass Kleidung weit mehr ist als nur Äußerlichkeit. Meine Faszination für Geschichte spielte dabei eine zentrale Rolle. <BR /><BR /><b>Warum?</b><BR />Die Mode vergangener Epochen erzählt Geschichten über Kultur, soziale Strukturen und Werte. Insbesondere die klassische Herrenmode, die oft über Jahrzehnte hinweg bewährte Schnitte und Materialien nutzt, hat mich inspiriert. Mein Interesse galt dabei nicht nur dem ästhetischen Aspekt, sondern auch der Funktionalität und dem kulturellen Kontext von Kleidung. So wurde Mode für mich zu einem Ausdrucksmittel und zu einer Form der Selbstdisziplin – stets gepflegt und anlassgerecht aufzutreten, bedeutet für mich Respekt gegenüber mir selbst und meinem Umfeld.<BR /><BR /><b>Was genau ist Ihr Stil?</b><BR />Ich bezeichne meinen Stil selbst als „Anglo-Austrian Style“. Er vereint zwei Welten: die britische Tradition – insbesondere den Countrystyle mit seinen robusten, wetterfesten Materialien wie Tweed <I>(dicht gewebte, gefärbte Wolle, Anm. d. Red.)</I> – und die alpenländische Eleganz unserer Trachtenkleidung. Tweed und Loden sind in ihrer Funktionalität und Ästhetik eng verwandt und ich liebe es, diese Elemente miteinander zu kombinieren. Muster, Farben und Schnitte spielen dabei eine große Rolle – ein Balanceakt zwischen Tradition und individueller Note. Mein Körper ist dabei die Leinwand und ich sehe es als Kunst, ein stimmiges Gesamtbild zu schaffen.<BR /><BR /><b>Wie wird Ihr Stilbewusstsein hier in Südtirol wahrgenommen? In Großstädten wie Wien fällt man vielleicht weniger auf, aber hier in der Region sorgt Ihr Stil sicher für den einen oder anderen verwirrten Blick, oder?</b><BR />In Südtirol gibt es durchaus eine starke Verwurzelung in traditionellen Werten, die sich auch im Kleidungsstil widerspiegeln. Ein Bauer, der mit klassischer Wollhose, Hemd und „Firtig“ ins Dorf geht, hat genauso Stil wie ein Geschäftsmann in einem gut sitzenden Anzug. In Städten wie Bozen ist der klassische Stil durchaus ebenso vertreten und ich sehe immer wieder Männer, die bewusst Wert auf einen gepflegten Auftritt legen – oft in Form von Anzügen oder Trachtenelementen. In Wien hingegen trifft man in gewissen Kreisen häufiger auf einen ausgeprägten, klassischen Stil, was selbstverständlich mit dem historischen Erbe der Donaumetropole zusammenhängt: von der Ballkultur bis zur Tradition der Herrenschneider. Wien war und ist in bestimmten Kreisen nach wie vor ein Zentrum der Eleganz. Dennoch gilt: Wer aus dem Mainstream heraussticht, fällt überall auf – sei es in Südtirol oder Wien.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1132506_image" /></div> <BR /><b>Wer macht Ihnen häufiger Komplimente – Männer oder Frauen?</b><BR />Interessanterweise eher Männer. Besonders junge Herren zeigen Anerkennung für einen durchdachten Stil. Sie interessieren sich oft für Details wie Stoffe, Schnitte oder Accessoires und suchen das Gespräch. Frauen äußern sich tendenziell zurückhaltender, möglicherweise aus gesellschaftlicher Konvention oder einfach, weil sie einen anderen Zugang zu Männermode haben. Aber es kommt vor, dass eine Frau ein spezifisches Detail wie eine Krawatte oder ein Einstecktuch durchaus lobt.<BR /><BR /><b>Muss man viel Geld haben, um sich Ihren Stil leisten zu können?</b><BR />Nein, diesen Stil kann man sich auch mit einem schmalen Geldbeutel leisten. Man kauft zwar qualitativ hochwertigere und etwas teurere Kleidung, aber dafür eben weniger, weil man viel länger etwas von den Stücken hat, sofern man sie gut pflegt. Ich greife auch gerne auf Kleidung zweiter Hand zurück. Es braucht also nur ein wenig Verstand und ein „gewusst wie“, nicht unbedingt viel Geld.<BR /><BR /><b>Denken Sie, dass die Art, wie wir uns kleiden, ausschlaggebend ist, wie uns andere wahrnehmen?</b><BR />Unbedingt. Menschen nehmen einen optischen Eindruck in Sekunden auf und Kleidung spielt dabei eine wesentliche Rolle. Ein Mann im Anzug wird automatisch mit Seriosität assoziiert, während jemand in Jogginghose eher lässig oder unambitioniert wirkt – auch wenn diese Einschätzungen nicht immer zutreffen. Mein Stil hat mir sowohl positive als auch skeptische Reaktionen eingebracht. Manche halten mich anfangs für distanziert oder elitär, sind dann aber überrascht, dass ich durchaus bodenständig und gesellig bin. Kleidung kann also auch ein Mittel sein, Erwartungen bewusst zu brechen.<BR /><BR /><b>Beeinflusst Ihr Stil Ihr Verhalten?</b><BR />Ja, ich denke schon. Mein Stil reflektiert meine Persönlichkeit: eine Mischung aus einer Prise Extravaganz und klassischer Zurückhaltung. Stil ist für mich nicht nur Kleidung, sondern auch Verhalten – ein harmonisches Gesamtbild. Aber Stil ist für mich vor allem auch ein respektvoller und höflicher Umgang, der sich insbesondere in vielen kleinen Alltagsmomenten zeigt, wie z.B. seinem Gegenüber wirklich zuzuhören, respektvoll zu sein, nicht ausfallend zu werden und auch Maß zu halten.<BR /><BR /><b>Sie sind also ein Gentleman?</b><BR />Persönlich sehe ich mich an der Grenze zwischen Gentleman und Dandy <i>(ein Mann, der viel Wert auf seine Kleidung und sein Aussehen legt, Anm. d. Red.)</i> – denn während mir klassische Umgangsformen wichtig sind, genieße ich es ebenso, durch meine Kleidung einen gewissen individuellen Ausdruck zu verleihen.<BR /><BR /><b>Was sind die klassischen Umgangsformen eines Gentlemans?</b><BR /> Ein Gentleman besitzt eine natürliche Eleganz, die sich sowohl in seiner Kleidung als auch in seiner Sprache und seinen Manieren zeigt. Dazu gehört die Wertschätzung gegenüber Mitmenschen – sei es durch aufmerksames Zuhören, einen höflichen Gruß oder eine freundliche Geste. Kleine Dinge wie eine Tür aufzuhalten, jemandem in den Mantel zu helfen oder sich für eine Einladung zu bedanken, zeigen, dass man die alte Schule der Höflichkeit noch beherrscht. Ebenso wichtig ist Bildung. Auch Stil ist ein Ausdruck dieser Lebenshaltung – nicht im Sinne eines zwanghaften Perfektionismus, sondern als Entscheidung, sich selbst und seine Umgebung wertzuschätzen. Letztlich geht es darum, eine gewisse Würde und Gelassenheit auszustrahlen, ohne sich über andere zu erheben. Ein wahrer Gentleman beeindruckt nicht durch Lautstärke, sondern durch Klasse.<BR /><BR /><b>Gibt es Menschen , die Sie in Ihrem Look beeinflussen?</b><BR />Ja, besonders mein Großvater. Er legte großen Wert auf einen gepflegten Auftritt, selbst in alltäglichen Situationen. Als Bauer hatte er stets diese einfache, aber stilvolle Art, sich zu kleiden, gepflegt. Diese Haltung hat mich stark geprägt, zunächst wohl unbewusst und später auch bewusst. Darüber hinaus inspirieren mich aber auch historische Persönlichkeiten wie Erzherzog Johann, der eine beeindruckende Verbindung zwischen alpiner Tracht und aristokratischer Eleganz schuf, und aktuell freilich auch der britische König Charles III. mit seiner unaufgeregten, aber erstklassigen Art, sich zu kleiden.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1132509_image" /></div> <BR /><b>Sie lieben ausgedehnte Waldspaziergänge, lesen Bücher auf Parkbänken und mögen klassische Musik und Zigarren – ein genussvoller Lebensstil, den Sie auch mit Ihrer Kleidung unterstreichen. Glauben Sie, man kann lernen, das Leben in vollen Zügen zu genießen?</b><BR />Ja, Genuss ist eine bewusste Entscheidung und eine Frage der Erfahrung. Er entwickelt sich mit der Zeit – sei es in Bezug auf Kleidung, Kulinarik oder Kunst. Wer sich mit einem Thema beschäftigt, entdeckt immer neue Facetten. Philosophisch ausgedrückt könnte man sogar davon sprechen, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun.<BR /><BR /><b>Auch Jagen ist eine Ihrer Passionen, und Sie tun das natürlich in stilvollem Weidmanns-Stil. Ist das nicht manchmal unbequem oder hinderlich?</b><BR />Die Jagd ist für mich weit mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung – sie ist Ausdruck eines nachhaltigen, traditionsbewussten Lebensstils. Sie verbindet Naturverbundenheit mit Verantwortung und handwerklichem Können und ermöglicht einem, lokale und nachhaltige Naturprodukte nutzen zu können. Der bewusste Umgang mit Wild spiegelt sich auch in meiner Einstellung zur Kleidung wider: Hochwertige, lokal hergestellte und langlebige Materialien wie Loden, Tweed oder Leder sind nicht nur funktional und ästhetisch ansprechend, sondern auch Ausdruck eines Respekts gegenüber der Natur. Kurz gesagt: Jagd und Stil sind für mich zwei Seiten derselben Medaille – beide erfordern Respekt, Bewusstsein und einen Blick für das Wesentliche.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1132512_image" /></div> <BR /><b>Braucht die Welt mehr Gentlemen?</b><BR />Ja, auf jeden Fall! <i>(lacht)</i> Die Welt braucht Menschen, die respektvoll und verständnisvoll miteinander umgehen und angemessen und würdevoll auftreten. <BR /><BR /><b>Tragen Sie daheim auch mal Hoodie und Jogginghose?</b><BR />Nein. Auch zu Hause lege ich Wert auf eine gepflegte Erscheinung. Bequeme Hauskleidung darf stilvoll sein – ein gut sitzender Cardigan oder eine elegante Freizeitjacke sind eine angenehme Alternative zur Jogginghose.