<b>Von Martina Hofer</b><BR /><BR />Wandern zum Laugenspitz, Essen bei Mama oder eine Radtour ins Sarntal – Gottfried Heiss hält seine Urlaubsmomente gern mit dem Smartphone fest. „Die Bilder sind aber nur für mich, ich poste nichts“, fühlt sich der 55-Jährige fast schon privilegiert, sei<?TrVer> ne Privatsphäre gewahrt zu wissen. Hätte es in seiner Jugend jedoch Instagram gegeben, würde er heute wohl ein Millionenpublikum damit beglücken. „Content hätte es reichlich gegeben“, erzählt der fesche Sarner – und schmun<?TrVer> zelt.<BR /><BR />Man trifft Gottfried Heiss an diesem warmen Juli-Nachmittag in einem Café in Meran. Er wirkt, als hätte er den Glamour der Modemetropolen in seinen Look gegossen: lässiges Shirt, Designerbrille, Markenuhr – er ist zu Fuß unterwegs, besitzt er doch nur einen Steinwurf entfernt ein Apartment aus den 70er-Jahren.<BR /><BR />Zwei- bis dreimal im Jahr nutzt er es als Feriendomizil. Die Putzfrau sei jedoch grad im Haus, weshalb er ein Treffen außerhalb vorgezogen habe, sagt Heiss, und aus dem Gespräch erfährt man – Personal ist der Sarner gewohnt: So fährt er mit Chauffeur zur Arbeit, hat eine Köchin unter Vertrag sowie 14 Mitarbeiter, die für den Agenturchef 400 Models auf der Welt managen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1193601_image" /></div> <BR />Seit 2011 führt der Selfmademan im 10.200 Kilometer entfernten Mexiko City die international renommierte Modelagentur „GH-Management“ – ein Dienstleistungsunternehmen, dessen Tätigkeit er von der Pike auf gelernt hat.<BR /><BR />In den 90er-Jahren zählte der Sarner nämlich zu den gefragtesten Männermodels der Welt – eine männliche Claudia Schiffer gewissermaßen, der auf Haute-Couture-Schauen daheim und am Roten Teppich zu Hause war. <BR /><BR />Sängerin Madonna, Oscarpreisträger Anthony Hopkins oder gar US-Präsident Donald Trump hätten wohl aus seinem Insta-Profil gelacht, wären Selfies damals schon machbar gewesen. Sie und viele andere Stars hat der Sarner im Laufe seiner Karriere kennengelernt, den heutigen US-Präsidenten sogar daheim in Palm Beach besucht. „Seine Tochter Ivanka hat mit mir gemodelt, zum 18. Geburtstag lud sie in ihre Villa, auch Vater Donald war da. Damals jedoch noch als Geschäftsmann.“ Und das hätte er auch bleiben können, witzelt Heiss. Trumps Migrationspolitik und die sprunghaften Gesetzesänderungen seien nämlich auch in seinem Geschäft spürbar. Apropos Geschäft. Der Sarner blickt auf das Smartphone am Tisch. Zwei Stunden hat er noch, dann beginnt in Mexiko-Stadt ein neuer Arbeitstag und das Handy wird für den Bergbauernsohn wieder vom Urlaubsalbum zum Business-Tool. <h3> Sein Business am anderen Ende der Welt</h3>Aufwachsen mit drei Brüdern auf einem Gehöft in Weissenbach im Sarntal, hätte Gottfried eigentlich Koch werden sollen. Mit 17 schmiss er jedoch die Schule und zog für eine Lehre zum Bürokaufmann nach München. Dort machte jedoch nicht nur sein Biss und Ehrgeiz von sich reden, sondern auch das Äußere. Eine Modelagentur verstand sein Potenzial und schickte ihn schließlich nach Mailand. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1193604_image" /></div> <BR />„Auf meiner ersten Fashion Week lief ich direkt die großen Marken Armani, Valentino, Versace und Ferré. Da war ich 21“, erinnert sich Gottfried Heiss an die ersten Gehversuche, die zu einer mutigen Kletterpartie auf der Karriereleiter wurden. In den 90ern kam kaum ein Modehaus am Sarner vorbei. Designer wie Jean Paul Gaultier oder Giorgio Armani zeigten ihn wie eine Trophäe vor. Er zierte die Cover der „GQ“, „Men's Health“ oder „Vogue“ und arbeitete Seite an Seite mit Topmodels wie Linda Evangelista, Naomi Campbell oder Kate Moss.<h3> Typen, nicht Schönheiten, sind gefragt</h3>Was heute davon übrig geblieben ist? „Sicherlich gute Kontakte zu den Castingdirektoren, ansonsten ist die Fashionwelt eine andere“, resümiert der Branchenkenner. Fast Fashion aus China und die sozialen Medien haben das Geschäft schnell und kurzlebig gemacht. „Ein Model funktioniert heute vielleicht noch zwei, drei Saisonen, dann ist es wieder weg. Die Exklusivität der einstigen Topmodels ist komplett abhandengekommen.“ Zwar gebe es mehr Shows, Jobs und Shootings – aber auch Models. „Ich habe Mädels, die sind superperfekt, trotzdem werden sie nicht gebucht. Der Markt sucht Typen, Stars wie eine Kim Kardashian – Schönheitsideale allein reichen nicht mehr.“<BR /><BR />Der 55-Jährige selbst hat dem Rampenlicht mittlerweile den Rü<?TrVer> cken gekehrt. Er arbeitet lieber Backstage und zieht Restaurantbesuche oder Musical-Abende den Partymarathons und Modewochen vor. Das habe wohl mit dem Alter zu tun, lacht einer, dem man sein Geburtsjahr nie ansehen würde. „Doch, doch, auch ich verändere mich“, unterstreicht Heiss. „Das merke ich vor allem beim Sport. Der Kopf will mehr, der Körper sagt Stopp.“ Depressiv sei er deswegen aber nicht, muss er schallend lachen. Im Gegenteil. „Ich bin froh, gesund zu sein, genieße mein Leben und die Möglichkeiten, die es mir bietet.“<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1193607_image" /></div> <BR />Ganz so viel Freizeit gibt es im Alltag des Agenturchefs jedoch nicht. Seine Tage beginnen frühmorgens im Fitnessstudio und enden oft erst nachts, wenn der letzte Kunde angerufen und das letzte Shooting organisiert ist. War früher jenes Model am besten gebucht, das am meisten gearbeitet hat, so suchen Kunden heute oft nur Newcomer. Für Heiss bedeutet dies, manchmal 200 Models und mehr an einem Tag zu casten. Ein Job, der aufregend klingt, in Wahrheit aber viel einfordert. „Da beneide ich manchmal meine Freunde aus dem Sarntal. Sie verrichten auf ihren Höfen zwar eine körperlich zehrende Arbeit, aber diesem Dauerstress und Druck sind sie weit weniger ausgesetzt.“<BR /><BR /><h3> Pendeln zwischen Großstadt und Provinz</h3>Ob er tauschen würde? „Noch nicht!“, sagt Heiss, auch wenn er seinem Bruder gern bei der Heuernte helfe. Denn der Weltenbummler, der fünf Sprachen fließend und „Sarnerisch“ obendrein beherrscht, liebt seinen Job in Mexiko mindestens genauso wie die mehrwöchigen Auszeiten in Südtirol. „Ich mag das Pulsierende einer Großstadt. Es gibt immer neue Menschen, berufliche Gelegenheiten, die Shops halten 24 Stunden offen, und es ist nichts Besonderes, wenn Tom Cruise zur Filmpremiere kommt“, erzählt „Goffredo“, der mittlerweile die mexikanische Staatsbürgerschaft besitzt und sich in Mittelamerika daheim fühlt.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1193610_image" /></div> <BR />Wohl auch, weil Speck und Schüttelbrot immer im Koffer sind, wenn es, so wie kommende Wo<?TrVer> che, wieder zurück über den Atlantik geht. „Und nicht zu vergessen die ‚Sarnar Toppar‘, die trage ich in Mexiko das ganze Jahr“, legt er Wert zu unterstreichen. <BR /><BR />Im Job setzt der stilsichere Ästhet jedoch auf edle Designerschuhe, liebt schöne Uhren und extravagantes Interieur. Ein Faible, das ihn viel Geld koste, rügt er sich selbst. Die größten Summen investiert er aktuell aber nicht mehr in Brands, sondern in Beton. „Ich baue momentan eine neue Wohnung in Meran. Ab 2027 möchte ich mindestens sechs Monate von Südtirol aus arbeiten und den Luxus haben, zwischen Großstadt und Provinz zu pendeln“, sinniert Gottfried Heiss. <BR /><BR /><h3> Neue Deals mit Netflix und sein eigenes Drehbuch</h3>Das Gefühl, ausgesorgt zu haben, hat er noch nicht. Ein paar Jahre soll die Agentur mindestens noch laufen und sogar expandieren. Seit eineinhalb Jahren nimmt der Geschäftsmann nämlich auch Schauspieler unter Vertrag. Ein völlig anderes Feld, doch ein vielversprechendes. „Netflix zählt bereits zu meinen Kunden und hat angekündigt, in den kommenden Jahren eine Billion Dollar in Mexiko zu investieren, um ein Hollywood für Streamingproduktionen aufzubauen.“ Für Heiss nicht nur beruflich eine Riesenchance, sondern möglicherweise auch ein privater Glücksgriff. Der Sarner hat nämlich noch einige verstaubte Tagebücher aus den 90er-Jahren daheim im Schrank liegen und möchte daraus irgendwann seine eigene Autobiografie veröffentlichen.<BR /><BR />Tja, vielleicht wird es nun ja ein Netflix-Streifen. Die Reichweite wäre ihm mit diesem Content gewiss. Auch ohne Instagram.