Sie gehört jetzt zur Gruppe von circa 22.500 Italienern, die über 100 Jahre alt sind. Inzwischen ist sie auch zum „Commendatore del lavoro“ erklärt worden. Der Ehrentitel wird Personen verliehen, die sich im Beruf besonders ausgezeichnet haben. Die Auszeichnung wurde ihr auf Vorschlag von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vergeben. <BR />Eine Bar ist in den italienischen Dörfern eine Institution. So auch die „Bar Centrale“, in dem Anna Possi schon seit 65 Jahren arbeit, seit sie ihren Laden am 1. Mai 1958 gemeinsam mit ihrem Mann Renato eröffnete.<h3> „Meine Bar ist jeden Tag geöffnet“</h3>Täglich von sieben Uhr morgens bis sieben Uhr abends, im Sommer sogar bis 21 Uhr, serviert Anna Possi ihren Gästen Espresso, Cappuccino, Cola oder ein Glas Wein. „Wir sind an 365 Tagen im Jahr geöffnet“, erzählt Anna. „Ich schließe an keinem einzigen Tag, nicht einmal an Weihnachten oder Neujahr.“ <BR /><BR />Ihre Bar ist ein Treffpunkt auf dem Hauptplatz des Dorfs: „Wer hierherkommt, weiß, dass er ein warmes Getränk, ein freundliches Wort, einen Ratschlag, oder auch nur eine Toilette finden kann.“ Die Arbeit sei ihr eine Freude, keine Last. „Das Dorf ist klein, es gibt nicht viel Verkehr. Im Sommer kommen einige Urlauber. Auch wenn ich nicht so viele Kunden habe, bin ich zufrieden“, erzählt die Gastronomin. Ihre Gäste seien „ihre Familie“: „Ich habe für jeden genug Zeit, um zu plaudern und ihnen zuzuhören.“<BR /><BR />Anna Possi stammt aus Vezzo, einem Bergdorf unweit des Lago Maggiore. Ihre Familie betrieb ein Gasthaus und besaß Land und Tiere. Ihr Onkel hatte ein Restaurant in der Stadt Novara. Hier hat Anna 1946 ihren ersten Espresso serviert. Daran erinnert sie sich noch genau. Eigentlich wollten sie und ihr Mann Renato ein Restaurant eröffnen, entschieden sich jedoch dann für eine kleine Bar.<h3> „Cappuccino und Banane reichen aus“</h3>Von ihrem Alter lässt sie sich bis heute nicht einschränken: „Ich brauche zwar am Telefon ein Hörgerät, ansonsten bin ich fit.“ Das verdanke sie der Tatsache, dass sie nicht viel esse und ein sehr geregeltes Leben führe: „Ich halte mich streng an meinen Tagesablauf, stehe morgens um 6 Uhr auf und esse immer zur selben Zeit.“ Sie esse nicht viel. Ein Cappuccino und eine Banane genügen ihr für den ganzen Tag. <BR /><BR />Die „Bar Centrale“ mag ein Familienbetrieb sein, aber Possis Töchter Cristina und Francesca wollen das Geschäft ihrer Mutter nicht übernehmen. „Ich habe miterlebt, wie viele Opfer die Arbeit in einer Bar erfordert, das wollte ich nicht machen“, erzählt Cristina. Während der Corona-Pandemie habe sie ihre Mutter überreden wollen, die Bar zu verkaufen. „Doch sie hat jeden Interessenten mit einer Ausrede zurückgewiesen und letztendlich haben wir beschlossen, dass die Bar weiter erhalten bleiben soll, denn sie ist das Leben meiner Mutter.“<h3> „Anna genießt große Wertschätzung im Dorf“</h3>Letztere genieße im Dorf große Wertschätzung, so Christina: “Wer was über die Vergangenheit wissen will, wendet sich an sie, denn sie erinnert sich an alles. Sie kennt die ganze Geschichte des Dorfes.„ Am 16. November will die Gemeinde eine große Geburtstagsfeier zu Ehren ihrer “Barista„ organisieren, doch Anna Possi ist darüber nicht sehr begeistert: “Ich stehe nicht gern im Rampenlicht, ich bin am liebsten in meiner Bar, ich mag keinen Wirbel um mich herum.<BR /><BR />Anna Possi ist mit ihrem Leben zufrieden. Sie bedauert nur, wenig herumgekommen zu sein. “Ich hätte gern die Welt mit einem Wohnmobil bereist, doch dazu ist es nicht gekommen. Dafür konnte ich Menschen aus vielen Ländern in meiner Bar empfangen, lacht sie.