Hans Terzer begann als Kellermeister im Jahr 1977 noch unter vollkommen anderen Voraussetzungen: Weine wurden fast nur „offen“ verkauft, der überwiegende Großteil war Vernatsch und Südtirols Weinwirtschaft konnte noch nicht auf einem besonderen Ansehen aufbauen. Der 21-jährige Terzer hatte den Ehrgeiz und die Überzeugung, das ändern zu können. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Herr Terzer, welche Schätze hat denn Ihr privater Weinkeller so zu bieten? Und wie viele Flaschen sind denn hier gelagert?</b><BR />Hans Terzer: Dieser Weinkeller umfasst etwa 2000 Flaschen, dabei ist die sogenannte alte Weinwelt zu 2 Dritteln und die neue Weinwelt zu einem Drittel vertreten. Bei der alten Welt liegt der Schwerpunkt im Rotweinbereich auf Italien, Frankreich und Spanien. Im Weißweinbereich vor allem Burgund, aber auch Riesling aus Deutschland und Österreich, sowie Raritäten aus der Schweiz.<BR /><BR /><b>Und was hat die neue Weinwelt zu bieten?</b><BR />Terzer: Dabei habe ich mich auf Kalifornien und Australien konzentriert, aber auch Chile und Neuseeland sind vertreten. Mit Australien verbinden mich auch einige befreundete Winzer wie Stephen Henschke, John Duval und David Powell.<BR /><BR /><b>Welche sind Ihre wertvollsten Weine?</b><BR />Terzer: Wenn ich heute beispielsweise einen Chambertin von Armand Rosseau öffne, muss mir bewusst sein, dass er 3000 bis 4000 Euro wert sein kann. Dabei habe ich ihn vor 10 Jahren um ca. 250 Euro gekauft - ein Glückstreffer. Heutzutage sind solche Weine, vorausgesetzt man findet sie auf dem Markt, erst ab 800 bis 1000 Euro zu haben. Das ist mir zu teuer. <BR /><BR /><b>Was hat es mit dem ältesten Wein hier auf sich?</b><BR />Terzer: Das ist ein spanischer Süßwein aus dem Jahre 1946. Wir haben ihn zu meinem Geburtstag geöffnet, ein wirklich großer, einmaliger Tropfen. Viele alte Flaschen hege ich hier nicht, ich habe erst in den 1980er-Jahren mit dem Sammeln begonnen. Außerdem sind Weine in erster Linie zum Trinken da, denn sonst besteht die Gefahr, dass man sogenannte „Leichen“ im Keller hortet. Sicherlich habe auch ich einige davon hier liegen. Ich habe mir vorgenommen, öfters eine dieser älteren Flaschen zu öffnen, damit dies nicht passiert. Anlässe dazu gibt es sicherlich jede Menge.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1083066_image" /></div> <BR /><BR /><b>Dazu wird es nun wohl öfter die Gelegenheit geben, denn mit 1. September hat Ihr Nachfolger Jakob Gasser das Amt des Kellermeisters in der Kellerei St. Michael übernommen. Was haben Sie ihm mit auf den Weg gegeben?</b><BR />Terzer: Ein gesundes Selbstvertrauen, Passion und Freude sowie eine Unnachgiebigkeit in Sachen Qualitätsbewusstsein. Aber all das bringt Jakob mit. Er ist technisch sehr versiert, ein sehr guter Weinverkoster und traut sich auch, wenn nötig, den Mund aufzumachen. Er ist vor 6 Jahren als Praktikant gekommen und dann auch geblieben, wobei ich vom Vorstand grünes Licht bekommen hatte, meinen Nachfolger selbst bestimmen zu dürfen. <BR /><BR /><b>Es sind einige Jahre vergangen, seit Sie im Jahre 1977 mit erst 21 Jahren bei der Kellerei St. Michael als Kellermeister begonnen haben. Die Kellerei stand nicht gut da und auch das Image der Südtiroler Weine war nicht großartig…</b><BR />Terzer: Ja, das ist zutreffend. Es war nicht gut um die Kellerei bestellt, es fehlte jegliches Image und finanzielle Mittel, um Neues zu bewegen. Der Vernatschanteil mit ca. 85 Prozent war meines Erachtens zu hoch, da diese Weine hauptsächlich offen im Tank verkauft wurden. Potenzial habe ich hingegen bei Weißweinsorten gesehen und so versucht, einige Bauern zum Umdenken in Sachen Sortenpolitik zu bewegen. Das hat dazu beigetragen, dass immer mehr Weine in 7/10-Flaschen abgefüllt wurden. Nach und nach gab es einige Erfolgserlebnisse.<BR /><BR /><b>Nämlich?</b><BR /> St. Michael-Eppan hat 1982 als erste Kellerei einen Chardonnay abgefüllt. Außerdem wurde der Schulthauser geboren. Damals eine der wenigen Selektionen aus einer Lage. 1986 kam die St. Valentins-Linie dazu, 1989 gab es bei uns den ersten Sauvignon. Dafür bekamen wir 1993 die begehrten „Tre bicchieri“ vom Gambero Rosso. Es war dies eine der ersten Auszeichnungen für einen Südtiroler Weißwein. Fortan gab es diese Prämierung 18 Jahre lang in Folge für den Sauvignon Sanct Valentin. Ab den 1990er-Jahren wurde dann vermehrt auf Qualität im Weinbau gesetzt und hat auch Früchte getragen.<BR /><BR /><b>Allerdings brauchte es viel Überzeugungsarbeit, wobei Sie sich vor keiner Konfrontation gescheut haben. Woher kam diese Unbeirrbarkeit, dieser starke Antrieb?</b><BR />Terzer: Naja, ich war einfach überzeugt, dass wir besser werden können und müssen. Wir hatten damals ein paar „nette“ Weine, aber nicht mehr. In meiner jugendlichen Unbekümmertheit bin ich zu den Bauern gegangen und habe ihnen klargemacht, dass die Traubenmenge reduziert werden muss. Das hieß, Trauben mussten zu Boden geschnitten werden. Heute völlig normal, damals ein Frevel. Ich bekam zu hören, dass mich dafür der Herrgott strafen würde. Erst später wurde mir bewusst, dass ich es mit einer Generation zu tun hatte, die Kriege und Not miterlebt haben. Diese Bauern führten ein Leben voller Entbehrungen und wussten, was Hunger ist. Dann kam ich junger Dickschädel daher und erklärte ihnen, wie sie ihre Arbeit zu machen hatten. Nach längerer Überzeugungsarbeit haben sie gesehen, dass weniger tatsächlich mehr sein kann. Bis dato war es nicht üblich, dass ein Kellermeister überhaupt im Weinberg Einfluss genommen hat.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1083069_image" /></div> <b>Ohne die nötige Portion Dickköpfigkeit wären Sie also nicht so weit gekommen?</b><BR />Terzer: Das kann man so sagen. Es gab mal eine Sitzung, bei der ich die Mitglieder quasi so lange im Raum eingesperrt habe, bis sie mir endlich die Zustimmung für die geforderten Pinot Grigio-Flächen gegeben haben. Auch jahrhundertealte Anbaumethoden über Bord zu werfen – etwa von der Pergel auf Spalier zu setzen – kam anfangs einem Frevel gleich. <BR /><BR /><b>Klingt nach Revolution …?</b><BR />Terzer: Ja, das war es in der Tat. Allerdings hatte ich das Glück, einige überzeugte Mitstreiter zu haben, so etwa Alois Lageder, Luis Raifer oder Franz Haas. Sie alle waren Pioniere, ich habe mich an sie drangehängt, damit die Kellerei nicht den Anschluss verliert. <BR /><BR /><b>Im Jahr 2000 wurde die Kellerei St. Michael vom Gambero Rosso zu „Italiens Kellerei des Jahres“ gekürt. Warum bezeichnen Sie diese Würdigung als Ritterschlag?</b><BR />Terzer: In den 1990er-Jahren profitierte Südtirols Weinwirtschaft vom wachsenden Tourismus, ich selbst kümmerte mich in jenen Jahren nicht nur um den Keller, sondern zunehmend auch um den Verkauf. Wir haben das Potential des nationalen Marktes rechtzeitig erkannt und darin investiert. Die Auszeichnung zur Kellerei des Jahres hat uns einen riesigen Schub beschert, zudem öffneten sich ungeahnte Türen zu anderen Betrieben und neuen Märkten. Seither ist St. Michael-Eppan als Spitzenproduzent bekannt und auch anderen Weingütern – national, aber auch international - ein Begriff.<BR /><BR /><b>Als experimentierfreudiger Geist haben Sie immer wieder neue Kreationen verwirklicht. Auf welche Erzeugnisse sind Sie heute besonders stolz?</b><BR />Terzer: Einige davon hatte ich bereits vorhin erwähnt. Anfang 1989 wurde ich belächelt für den ersten süßen Gewürztraminer in Südtirol, den Passito Comtess. Im Jahr 2010 gab es den ersten Jahrgang des Appius, eine Assemblage aus den 4 Rebsorten Chardonnay, Weißburgunder, Ruländer und Sauvignon. Sie werden zunächst für 1 Jahr alle separat ausgebaut und reifen danach nochmals 3 Jahre lange im Stahltank auf der Feinhefe, bevor es in die Flasche geht. Dieser Wein sollte das Allerbeste vom Haus sein, zugleich auch ein Spiegelbild des jeweiligen Jahrgangs. Mit dem Jahrgang 2015 ist die TWC-Weinkollektion entstanden, zunächst mit einem in Holz ausgebauten Sauvignon. Nach und nach haben noch andere Weine diese Kollektion erweitert, z.B. Pinot Noir Riserva oder ein Pinot Noir Rosé, aber auch ein restsüßer Riesling.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1083072_image" /></div> <BR /><b>Trifft es zu, dass Sie in Japan die allergrößten Fans haben und dort bei Weinevents fast wie ein Rockstar behandelt werden?</b><BR />Terzer: Im Zuge von Weinpräsentationen bin ich viel herumgekommen – bis nach Asien und Kalifornien. Im asiatischen Raum artet es mitunter schon ein wenig aus. Es ist bereits vorgekommen, dass mich japanische Kunden nach einer Verkostung um ein Autogramm auf der Flasche und ein Foto gebeten haben.<BR />Am meisten Spaß und Genugtuung verschafft mir dagegen nach wie vor der italienische Markt. Dort vernehme ich nach wie vor viel Wertschätzung und Sympathie. Dazu ist auch zu sagen, dass der italienische Markt nach wie vor mehr als die Hälfte unseres Umsatzes ausmacht. <BR /><BR /><b>Wie bewerten Sie nun den aktuellen Stand der Weinwirtschaft in Südtirol?</b><BR />Terzer: Die Euphorie nach der Pandemie hat sich wieder gelegt. Im Jahr 2022 rauften sich die Leute ja förmlich um Wein. Das hat sich gelegt, der Markt und die Konkurrenz sind wieder härter geworden. Außerdem wird weniger konsumiert.<BR /><BR /><b>Könnte dies auch mit den teils happigen Preissteigerungen in der Gastronomie zu tun haben? Muss man hier aufpassen, nicht zu überziehen?</b><BR />Terzer: Wir Kellereien können der Gastronomie und Hotellerie sicherlich nicht ihre Preiskalkulation vorschreiben. Ich bin der Meinung, dass jedes Lokal seinen Kundenstock betreuen muss und entsprechende Weine anbieten sollte. In Südtirol gibt es nicht nur hochpreisige und außergewöhnliche Weine, sondern jeder Produzent eine gute Auswahl im gemäßigten Preissegment, die qualitativ wirklich top sind. Wir sprechen da von einem Einkaufspreis für die Gastronomie von 10 bis 15 Euro pro Flasche. Diese Qualitäten kann man zu einem vernünftigen Preis anbieten. Allerdings ist es auch so, dass man als Gast in der Regel ein schönes Ambiente, schöne Gläser und eine gute Auswahl haben möchte. <BR />Jeder Produzent möchte natürlich auf den Weinkarten präsent sein und „mitschwimmen“.<BR /><BR /><b>Apropos mitschwimmen: Es gibt auch immer mehr kleine heimische Weinproduzenten …</b><BR />Terzer: Das ist eine anhaltende Entwicklung, und so fällt hierzulande für jeden etwas weniger vom Kuchen ab. Es ist klar, dass gerade die kleinen Weinproduzenten verstärkt auf den heimischen Markt drängen, da teilweise die Strukturen für den Export fehlen. Sie sind aber natürlich eine Bereicherung für die Südtiroler Weinwirtschaft und beanspruchen ihren Platz auf den Weinkarten. <BR />Unterm Strich stimmt mich sehr zuversichtlich, dass sich Südtirol insgesamt ein sehr gutes Image erarbeitet hat. Wie man während der Pandemie gesehen hat, greift der Konsument in Krisenzeiten gerne auf Altbewährtes zurück. <BR /><b><BR />Und nun? Wie schwierig fällt Ihnen das Loslassen?</b><BR />Terzer: Ach, das geht in mehreren Etappen. Zunächst einmal möchte ich dieses Kapitel gut abschließen, denn ich stehe dem Betrieb noch für eine Zeit weiterhin beratend zur Seite. Außerdem mache ich noch einige Masterclass-Verkostungen. Und dann gibt es einige Ideen, die ich zu gegebener Zeit verwirklichen möchte. <BR /><BR />Interview: Alexander Zingerle