Seinen Kritikern habe er längst verziehen, auch mit Südtirol hat er Frieden geschlossen. Was aber nicht bedeutet, dass er plötzlich eine Wesensänderung durchgemacht hätte, denn ohne die vielen Auseinandersetzungen mit seinen vielen Gegnern wäre er nicht dorthin gekommen, wo er heute ist. <BR /><BR /><b>Herr Messner, werfen Sie nun anlässlich des 80. Geburtstages einige Blicke auf Ihr ereignisreiches Leben zurück oder sind Sie der Ansicht, dass eine Rückschau eh nichts bringt?</b><BR />Reinhold Messner: Bei mir ist klar: Es ist zu spät, auf ein gelungenes Leben zurückzuschauen. Das tu ich nicht, das ist vorbei. Ich versuche, im Hier und Jetzt ein positiv gelingendes Leben zu führen. Ich bin zufrieden mit den paar Jahren, die mir noch bleiben und versuche, sie zu füllen. Und ich habe keine Probleme mit Leben und Tod, denn das gehört zum Menschsein nun mal dazu. Man lebt nicht ewig.<BR /><BR /><b>Nun macht es doch einen kleinen Unterschied, wenn man als Normalsterblicher sein Leben und seinen Werdegang …</b><BR />Messner: Das bin ich sicherlich auch, ein Normalsterblicher.<BR /><BR /><b>Naja, angesichts der Fülle an extremen Erlebnissen und Ereignissen sowie immer wieder neuer Projekte und Abenteuer kann man durchaus von einem außergewöhnlichen Leben sprechen. Sind Sie dafür dankbar?</b><BR />Messner: Generell ist es so, dass ich meine Ideen gegen viele Widerstände umgesetzt habe. Heute bin ich meinen Gegnern durchaus dankbar, dass sie mir Widerstand geleistet haben, entsprechend habe ich auch den Untertitel meines Buches gewählt: „Vom Wachsen an Widerständen“. Das hat mich befähigt, mich zu steigern und die Sachen richtig und gut zu machen. Vieles ist mir nicht gelungen, einiges aber schon. Und ich habe inzwischen auch keine negativen Gefühle meinen Kritikern oder Gegnern gegenüber, sondern lebe damit. Nun bin ich unterwegs, um auch in den kommenden Jahren noch einiges umzusetzen. Ich bin ein Mensch, der umsetzt. Keiner der schwafelt, sondern einer, der versucht, seine Ideen wahr zu machen. Gerade das schenkt mir ein gelingendes Leben im Hier und Jetzt. Das ist mir heilig. Und ein gelingendes Leben ist ein großer Unterschied zu einem gelungenen Leben.<BR /><BR /><b>Zeitlebens haben Sie unheimlich viele Risiken in Kauf genommen, haben manches Mal dem Tod ins Auge geblickt. Schätzen Sie sich heute glücklich, im Gegensatz zu vielen anderen Alpinisten, mit dem Leben davongekommen zu sein?</b><BR />Messner: Ja, das kann man als Glück bezeichnen, als Fortune. Ich hatte einige Male Glück, dass ich nicht umgekommen bin und bin einer von wenigen in meiner Generation von Abenteurern, die übrig geblieben sind. Deshalb habe ich auch eine bestimmte Verantwortung für meine letzten Jahre. Aber ich verdanke nicht nur der Fortune mein bisheriges Leben, sondern auch den vielen Leuten, die sich an mir gerieben haben. In früheren Jahren war ich vielleicht ab und zu etwas zu aggressiv, erschien vielleicht zu rechthaberisch, aber heute danke ich den Leuten, dass sie mich abheben haben lassen. Denn nur im Gegenwind kann man abheben. Das bezieht sich nicht nur auf den Alpinismus. Auch das Bozner Museum zählt heute zu den Schlüsselmuseen zwischen Verona und München und funktioniert ohne Subventionen nach privatwirtschaftlichen Kriterien. Da bin ich schon auch stolz drauf. Genauso wie auf das Verständlichmachen der Südtiroler Geschichte, der Südtiroler Problematik im Ausland. Das war zum Teil bitter für die Südtiroler, und zum Teil auch für mich selbst. Aber es musste getan werden. Inzwischen bin ich im Frieden mit meiner Heimat. <BR /><BR /><b>Inwieweit interessieren Sie sich als politischer Mensch noch für die Vorkommnisse in der Südtiroler Politik?</b><BR />Messner: Wenn ich da bin, dann verfolge ich sie. Aktuell bin ich in Deutschland und bin mit der Politik in Deutschland und jener in Österreich konfrontiert. In Südtirol ist die Lage derzeit relativ ruhig, uns geht es noch immer gut. Aber es ist ein Abschwung in Europa zu erkennen. Die guten Zeiten von knapp nach dem Zweiten Weltkrieg bis herauf zu vorgestern sind vorbei, weil Europa Dekadenzerscheinungen hat. Solange ich lebe, werde ich die Entwicklungen beobachten, aber mich kaum noch einmischen.<BR /><BR /><b>Wird uns Reinhold Messner hingegen weiterhin als Bergphilosoph erhalten bleiben?</b><BR />Messner: Ja, in dieser Hinsicht fühle ich mich in einer Verpflichtung. Ich habe ein Start-up gegründet, das MMH, bzw. Messner Mountain Heritage. Dort versuche ich, mein geistiges Erbe zu bündeln. Ansonsten habe ich ja mehr oder weniger alles abgegeben und den jungen Leuten überantwortet. Was nun das geistige Erbe anbelangt, so wird in Sexten eine Räumlichkeit bzw. eine Art Institut geschaffen, um auf den traditionellen Alpinismus einzugehen, ihn zu erklären. Ich fühle mich dazu verpflichtet, den traditionellen Alpinismus weltweit zu verteidigen – mit Vorträgen, Filmen und öffentlichen Diskussionen in den großen Städten. Denn das Klettern findet mittlerweile in der Kletterhalle statt, in klimatisierten Räumen. Und was auf den großen Bergen passiert, ist Tourismus. Und so haben die jungen Leute heute ein völlig anderes Verständnis von der Natur, sofern sie überhaupt eines haben.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1072422_image" /></div> <BR /><BR /><b>Und deshalb das Messner Mountain Heritage?</b><BR />Messner: Ja, ich habe mit meiner Frau dieses Start-up gegründet, um mich weiterhin einzubringen. Solange ich lebe, werden wir das machen, danach wird sie das übernehmen, und so ist alles vorbereitet, damit das geistige Erbe nicht verlorengeht. Die Museen werden hoffentlich überleben, denn das ist nicht einfach bei einer so großen Struktur. Aber jetzt mit 80 verantworte ich eine weitere Struktur. Dabei mache ich das, was ich immer gemacht habe: Ideen aufgreifen, umsetzen, erhalten und weitertragen. Das ist eine selbst gestellte Aufgabe, niemand stellt mich an. <BR /><BR /><b>Somit bleibt Ihr Credo auch mit 80: Neues anpacken, neugierig bleiben, vorneweg gehen, um nicht stehen zu bleiben …</b><BR />Messner: Jetzt komme ich zu den Problemen: Heute gehe ich durch München, am Abend durch Köln. Dabei sehe ich, wie alte Menschen allein und teils verzweifelt durch die Stadt gehen. Sie können nicht mit dem Internet umgehen, auch nicht Online-Banking machen und dergleichen. Wir sind zu früh geboren, wir, die sogenannten Boomer, sind im Alter verloren und haben zumeist wenig Hoffnung, noch ein kreatives Leben zu führen. Dank einer jungen Frau und der Erfahrungen im Leben habe ich diese Möglichkeit. Deshalb bin ich sehr froh und dankbar, dass ich tun und gestalten kann. Das Buch „Gegenwind“ habe ich auch geschrieben, um den Menschen zu sagen: Lasst euch nicht stoppen, lasst euch nicht aufhalten! Vor allem deshalb, um am Leben eine Freude zu haben. Freude kann man nur empfinden, wenn wir tun, und nicht wenn wir auf einer Bank sitzen und in die Luft schauen. <BR /><BR /><b>Es ist also ein Plädoyer für das Weitermachen, für das Aktivbleiben …?</b><BR />Messner: Genau. Ich habe ja in Südtirol gelebt und dort die größten Widerstände gefunden. Das Buch ist mehr oder weniger auch eine Liebeserklärung an unser Land und unsere Leute. Sie haben mich zu dem gemacht, der ich bin. Deswegen bin ich auch da geblieben, obwohl ich ein paar Mal dabei war, die Segel zu streichen und irgendwo hinzugehen. Ich bin da geblieben und darauf bin ich stolz. Es ist jetzt zu spät, um auszuwandern. Gestern habe ich wieder mal beobachtet, wie das Land sich gesteigert hat. Das war vor allem Durnwalder zu verdanken, nach Magnago, der uns die Autonomie geschenkt hat. Auch mit Kompatscher bin ich recht zufrieden, dass er das Land freier gemacht hat. Aber das Land weiterhin zum Erfolg zu führen, wird eine harte Aufgabe sein. <BR /><BR /><b>Wie feiern Sie Ihren 80er?</b><BR />Messner: Eigentlich wollten wir in Sexten das Haus eröffnen, aber das ist noch zu früh. Mir steht auch nicht mehr der Sinn nach großen Festen, da hat man für niemanden wirklich Zeit. Außerdem brauche ich die Energie für das MMH. Ich werde schon noch feiern, mit ein paar alten Freunden, einigen Politikern und Bergkameraden. Allerdings in einem intimeren Rahmen.