Das Leben auf einem Bergbauernhof ist ganz und gar kein Zuckerschlecken. Vom Milchstellen kann man kaum noch überleben. All die Arbeit auf einem Hof will man sich nicht mehr antun, schon gar nicht junge Leute.<BR /><BR />Zuhauf fallen derartige Äußerungen, wenn es um die bäuerliche Existenz in gebirgigen Lagen geht. Jungbauern, die sich anschicken, das Erbe ihrer Eltern in die heutige Zeit herüberzuretten, sind in der Regel mit einem Wulst an Herausforderungen konfrontiert – der Drahtseilakt erstreckt sich vielfach vom Erhalt der bestehenden Struktur bis hin zu einem tragfähigen Zukunftsmodell für den Hof.<BR /><BR />„Klar, auch uns ist viel Skepsis begegnet, als bekannt wurde, dass wir einen alten Bauernhof pachten wollen“, sagt Silvan nachdenklich und schiebt hinterher: „Vor allem auch deshalb, weil wir ja beide bisher nichts mit der Landwirtschaft am Hut hatten.“ Seine Lebensgefährtin Nadja pflichtet ihm bei: „Eigentlich konnte sich niemand in meinem Umfeld vorstellen, dass ich einmal Bäuerin werde, obwohl mich das schon als Kind fasziniert hatte.“ Zwischen verschiedenen Arbeiten haben sie sich Zeit für ein Gespräch und eine Begehung genommen, ihre sonnengegerbten Gesichter strahlen Zufriedenheit und Zuversicht aus.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1208637_image" /></div> <BR />Seit ihren Anfängen auf dem 1.300 Meter hochgelegenen Riolhof sind nun vier Jahre vergangen, heute bekommen Silvan und Nadja viel Anerkennung und immer wieder Besuch auf ihrem idyllisch anmutenden Anwesen. <BR /><BR />Dieses liegt versteckt in den Wäldern weit oberhalb von Franzensfeste, man erreicht es über eine holprige Forststraße. Jetzt, in den Sommermonaten, gleicht dieser Ort einem kleinen Garten Eden: Beeren aller Art warten darauf, geerntet zu werden, darunter grasen Dutzende Schafe, während zuoberst das letzte Grummet eingebracht wird. Einen Steinwurf darunter entsteht gerade ein neues Wirtschaftsgebäude mit Stallungen und einem Lagerraum für Kräuter. Silvan und Nadja ist es tatsächlich gelungen, diesem verträumten Fleckchen Erde wieder Leben einzuhauchen. Dass es die beiden – er aus Brixen, sie aus Mareit bei Sterzing – gerade hierher verschlagen hat, darf als glückliche Fügung bezeichnet werden.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1208640_image" /></div> <BR /><BR />„Unser Traum bestand darin, mitten in der Natur zu leben – von unserer Arbeit und weitestgehend als Selbstversorger“, beschreibt Nadja den Ursprungsgedanken. Ähnlich wie es Bauern über Generationen schon immer gemacht hatten. Allerdings war weder der gelernte Maurer Silvan, noch sie selbst als ausgebildete Jugendarbeiterin zuvor mit der Landwirtschaft in Berührung gekommen. Als sie sich nach einer geeigneten Hofstelle umsahen, wurde ihnen schnell klar, dass sie mit ihren bescheidenen finanziellen Mitteln nicht weit kommen würden. <BR /><BR />„Irgendwann ist uns der Gedanke gekommen, einfach mal beim Kloster Neustift nachzufragen“, erinnern sich die beiden, „und tatsächlich wollte man diese alte Hofstelle wieder beleben.“ Der alte Pachtvertrag war ausgelaufen, seit fast zehn Jahren war das Gehöft so gut wie unbewohnt, nur noch sporadisch tauchte eine Verwandte der bis dato letzten Pächterin in dieser Abgeschiedenheit auf. Entsprechend heruntergekommen waren die Gebäude, entsprechend verwildert die Wiesen und Ackerflächen. Und so gingen Kloster und neue Pächter mit dem Neuanfang auf dem Hof, dessen Ursprünge an die 800 Jahre zurückreichen, doch eine gewagte Wette ein. <h3><b>Anfangszweifel gemeistert</b></h3>„Zunächst waren wir ein halbes Jahr lang mit der Totalsanierung des Wohngebäudes beschäftigt“, sagt Silvan. Abgesehen vom Mauerwerk und einem intakten Dach war kaum noch etwas vorhanden. Somit hieß es Leitungen legen, Böden einsetzen, eine Heizanlage installieren, Elektriker und Hydrauliker beauftragen, ein dringend benötigtes Bad einplanen. „Lange Zeit haben wir noch das Plumpsklo benutzt, zu Weihnachten konnten wir erstmals die neue Dusche testen“, weiß Nadja aus den Anfangszeiten zu berichten. Dank Fußbodenheizung wurde es wohnlich in den sanierten Gemäuern, dieser Qualitätssprung wurde mit den Handwerkern und sogar mit dem Prälaten des Klosters gefeiert. Der Einzug erfolgte im Frühjahr des darauffolgenden Jahres, zugleich machte man sich an die landwirtschaftlichen Tätigkeiten. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1208643_image" /></div> <BR />„Am Anfang waren wir noch zu viert – also vier junge Quereinsteiger, die sich hier den Traum vom Leben in der Natur verwirklichen wollten“, sagt Nadja. Und so hatte man zunächst auch zu viert die Sanierung und die vielen Arbeiten rund um den Hof in Angriff genommen. Als das andere Paar dann aber nicht mehr weitermachen wollte und sich von diesem Herzensprojekt verabschiedet hatte, wurden auch Silvan und Nadja von Zweifeln geplagt.<BR /><BR /> „Wir haben uns gefragt, wie wir beide all das hier allein stemmen sollen, aber andererseits wollten wir auch nicht auf halber Strecke aufgeben“, erinnern sie sich. Und so haben sie die Ärmel hochgekrempelt und weitergemacht, ganz nach dem Motto: Man wächst an seinen Aufgaben. <BR /><BR />Natürlich muss man sich bei so einem Unterfangen auch zu helfen wissen bzw. sich helfen lassen. Manche landwirtschaftlichen Maschinen bekamen sie geschenkt, andere haben sie gemietet, erst später haben sie ihren eigenen Traktor erworben. Im ersten Jahr haben sie mit vier Schafen begonnen, heute zählen sie 18 Mutterschafe, einen Widder und 23 Lämmchen. „Im November wird geschlachtet, das Fleisch liefern wir an die Wippland Genossenschaft“, sagt Silvan. Dazu gesellen sich Hühner und zwei Rinder. <h3> <b>Im Beerenparadies</b></h3>Die wirtschaftliche Grundlage des Riolhofs mit seinen etwa acht Hektar Wiesen- und Ackerfläche bildet vorerst der Anbau von Beeren. In einer geeigneten Ecke ranken sich mehrere Reihen mit Himbeeren, Brombeeren, Johannisbeeren sowie Holunderbeeren und Holunderblüten. „Diese Anlage ist unter großer Mithilfe des Klosters entstanden, sie war sozusagen das Willkommensgeschenk“, sagt Nadja, während sie ein paar Himbeeren zum Verkosten reicht. Jeden Tag muss hier geerntet werden, der Klosterladen nimmt ihnen die Beeren ab – mit Handkuss. Danach wirft sie einen Blick auf den Kräuteranbau: Malve, Thymian, Schafgarbe, Kamille, Ringelblumen sowie mehrere Arten von Melisse und Minze fügen sich zu einer aromatischen Sinfonie, die blauen Kornblumen sorgen für die Farbtupfer. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1208646_image" /></div> <BR />„Noch ist es nicht so weit, aber wir sind guter Dinge, dass wir in einem oder zwei Jahren von unseren Erzeugnissen leben können“, blickt die 27-jährige Wipptalerin voraus. <BR /><BR />Nach wie vor sind beide in ihren erlernten Berufen tätig, sie im Jugenddienst Sterzing, er im Maurerbetrieb seines Vaters. „Wir empfinden uns nicht als Aussteiger, wir wollten uns auch nie vollends von der Zivilisation verabschieden, vielmehr sind wir hier einfach näher bei uns selbst“, sagen sie und erzählen von Glücksmomenten, die ihnen ihr neues Zuhause beschert: die Zufriedenheit nach getaner Arbeit am Abend, die Hinwendung zur Natur mit ihren kleinen und größeren Wundern im Jahresverlauf und grundsätzlich das stolze Gefühl einer Beinahe-Selbstversorgung. <h3> <b>Vom Glück des Einfachheit</b></h3>„Natürlich gibt es auch immer wieder Frustration und Rückschläge, etwa dann, wenn mal wieder das Vieh ausbricht, aber das Gefühl der Sinnhaftigkeit überwiegt allemal“, sind sich die beiden einig. Es liege zwar auf der Hand, dass man als Quereinsteiger viele Fehler mache, allerdings sei man in dieser Rolle nicht an ein gewachsenes Systeme gebunden und könne Neuland beackern – im wahrsten Sinne des Wortes. <BR />Vom Kloster bekommen sie viel Wertschätzung für das Geleistete, die Dinge haben sich gut entwickelt, die Hofstelle ist neu erblüht. <BR /><BR />Über die Tätigkeiten und das Hofleben informiert Nadja mehr als 1.600 Follower über ihren Instagram-Kanal. Das ist eine Art modernes Schaufenster, auch dort gibt es reihenweise positives Feedback. Womöglich inspiriert es den einen oder anderen, es dem jungen Paar nachzumachen und sich ebenfalls als Quereinsteiger zu versuchen.