Nach ihrer Ordination am vergangenen Sonntag in Meran wirkt Anna Vinatzer vorerst 5 Jahre lang als Pfarrerin in Wien-Floridsdorf. <BR /><BR /><BR /><BR /><b>Frau Vinatzer, Sie sind katholisch aufgewachsen, dann aber zur evangelischen Kirche konvertiert. Warum?</b><BR />Anna Vinatzer: Mein Vater ist katholisch und meine Mutter evangelisch. Und ich bin katholisch getauft, habe die Erstkommunion empfangen, wurde gefirmt und war auch bei der Jungschar. Natürlich habe ich auch den katholischen Religionsunterricht besucht. Und durch einen Religionslehrer wurde in mir das Interesse geweckt, katholische Theologie zu studieren. Ich habe diesen Weg dann auch gewählt, mit dem Ziel, in der Erwachsenenbildung tätig zu werden. Während meines Studiums habe ich an Mittelschulen Religion unterrichtet. Außerdem war ich im Krankenhaus tätig. Während meines Studiums bin ich aber auch draufgekommen, dass es in der katholischen Theologie viele Punkte gibt, die nicht meiner Vorstellung und Einstellung entsprechen. Und ich wollte nicht in einer Kirche arbeiten, die ich nicht zu 100 Prozent vertreten kann. Deshalb bin ich auch konvertiert.<BR /><BR /><b>Eigentlich sind Sie schon seit Ihrer Kindheit eng mit der Evangelischen Kirche verbunden?</b><BR />Vinatzer: Ja, für mich war es auch immer selbstverständlich, dass ich sowohl in einem katholischen wie auch in einem evangelischen Gottesdienst sitze. Irgendwann bin ich aber öfter mit meiner Mutter zum Gottesdienst gegangen. Und auch in meiner Studienzeit saß ich immer öfter in einer evangelischen Kirche, bis es dann vor über 10 Jahren dazu gekommen ist, dass ich konvertiert bin. Dann habe ich die Möglichkeit bekommen, in Rom an der Waldenser-Universität evangelische Theologie zu studieren. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="684125_image" /></div> <BR /><BR /><b>Dann haben Sie ein Problem mit der katholischen Kirche?</b><BR />Vinatzer: Nein, ein Problem hatte ich nie. Die Ökumene, das Gemeinsame im Christentum, ist mir wichtig. Ich bin der Ökumene gegenüber sehr aufgeschlossen. Die Zusammenarbeit mit allen anderen christlichen Kirchen ist mir ein Herzensanliegen. Und ich glaube, dass es irgendwann nicht mehr so relevant sein wird, welcher christlichen Kirche man angehört. Ich sehe es auch positiv, dass ich zuerst katholisch war.<BR /><BR /><b>Wann haben Sie sich entschieden, Pfarrerin zu werden?</b><BR />Vinatzer: Darüber habe ich mir erst dann Gedanken gemacht, als ich mir selbst gesagt habe, dass die katholische Kirche nicht der richtige Platz für mich ist, auch weil es dort für Frauen nicht möglich ist, Pfarrerin zu werden. Pfarrerin zu werden, war auch nicht mein Ziel, als ich damit begonnen habe, evangelische Theologie zu studieren. Vielleicht habe ich es mir damals auch nicht zugetraut. Ich bin in dieses Amt hineingewachsen. In Genua durfte ich bei einer Pfarrerin ein intensives Praktikum absolvieren, das mir sehr gefallen hat. Pfarrerin zu sein, ist sehr vielfältig: Ich bin Seelsorgerin, unterrichte, predige, verkünde, verwalte die Sakramente und leite eine Gemeinde mit Angestellten, weshalb auch Organisationstalent nötig ist. <BR /><BR /><b>Wie hat Ihre Familie reagiert, als Sie den Weg zur Pfarrerin eingeschlagen haben?</b><BR />Vinatzer: Meine Mutter war total glücklich. Ich wusste auch lange nicht, dass mein Großvater mütterlicherseits evangelischer Pfarrer werden wollte. Das war dann aber nicht möglich, weil er in der Kriegszeit Geld verdienen musste. Sein Wunsch hat mich bestärkt. Meine Familie steht hinter mir. Und ohne das Verständnis meines Partners wäre es unmöglich, mit 2 kleinen Kindern Pfarrerin zu sein. Ich kann mir die Arbeit so einteilen, dass ich mit den Kindern vor allem nachmittags Zeit verbringen kann, abends muss ich dann aber viel arbeiten. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-50798971_quote" /><BR /><BR /><b><BR /> Sie wirken nun in Wien?</b><BR />Vinatzer: Ich habe einen Vertrag für 5 Jahre als Pfarrerin in Wien-Floridsdorf. Meine Gemeinde hat schon im Frühjahr entschieden, dass ich ab September ihre Pfarrerin sein soll. Die Ordination war jetzt nur mehr ein formaler Akt. <BR /><BR /><b>Werden Sie irgendwann in Südtirol als Pfarrerin wirken?</b><BR />Vinatzer: Sag niemals nie. Ich würde gerne nach Italien zurückgehen, auch nach Südtirol. Jetzt bin ich mit meiner Familie aber in Wien, wo wir uns wohlfühlen.<BR /><BR /><b>Glauben Sie, dass ein evangelischer Pfarrer gegenüber einem katholischen Vorzüge hat, weil er heiraten darf?</b><BR />Vinatzer: Eine Familie zu haben, kann ein Vorteil sein. Manchmal verstehe ich es aber auch, warum der Zölibat eingeführt wurde, weil die Arbeit als Pfarrerin intensiv ist. Es ist oft nicht einfach, Familie und Beruf zu vereinen. Aber in Seelsorgegesprächen, als ich noch Katholikin war, hat mir bei den Priestern nie etwas gefehlt. Es hängt immer von der Person ab, wie sie als Pfarrer wirkt, egal ob Mann oder Frau, und ob sie verheiratet oder unverheiratet ist. <BR /><BR /><b>Was unterscheidet Katholiken von evangelischen Christen?</b><BR />Vinatzer: Ich habe viele gute evangelische und auch katholische Freunde, die mit mir studiert haben. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass die katholischen Kollegen den Sinn für das Schöne und den Genuss gehabt haben, so wie man es auch im Gottesdienst spürt: für die schönen Monstranzen und Kelche sowie für die kunstvollen Altäre und Gewänder. Das Sinnliche ist für mich das Katholische, der Protestant ist mehr der Kopfmensch.