Ein Klassiker aus der Handtaschen-Kollektion von Fendi wird mit Sarner Federkielstickerei zum edlen Statussymbol. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="709898_image" /></div> Versteckt und unscheinbar etwas abseits des Dorfkerns von Sarnthein liegt die Werkstatt der Federkielstickerei Thaler, bis auf ein kleines Schildchen an der Hauswand eines gewöhnlichen Wohnhauses weist nichts auf die Besonderheiten im Inneren hin. <BR /><BR />Tatsächlich darf man sich ruhig fragen, wie denn die Leute von Fendi vor etwa einem Jahr überhaupt hierher gefunden haben. Logisch, mit Google Maps kann sich jeder Fremde auch im Sarntal zurechtfinden. Und welche Augen sie wohl gemacht haben, als sie vor Ort bloß 2 kleine Räumlichkeiten vorfanden: Ein gemütliches Holzstübele, wo sozusagen um die Wette gestickt wird, und im Keller die Werkstatt mitsamt einer Nische zur Lagerung der Lederhäute. „Bei derart wenig Platz ist es umso wichtiger, dass wir alle gut miteinander auskommen“, meint Ulrich Thaler verschmitzt. <BR /><BR /><b>Eine ordentliche Portion Bodenständigkeit</b><BR /><BR />Gerne behaupten die Sarner von sich selbst, dass sie „feine Leit“ seien. Bei den beiden Brüdern Ulrich (43) und Georg (37) kommt man gar nicht in Versuchung, sich dieses Eindrucks erwehren zu wollen, ihre Seelenruhe und ihr geselliges Wesen wirken ansteckend. Zudem schwingt eine ordentliche Portion Bodenständigkeit mit, die wohl vor allem von ihrem Kunsthandwerk herrührt, der Federkielstickerei. <BR /><BR />Bereits in dritter Generation gehen sie dieser Tradition nach, dekorieren in bewährter Machart vorwiegend Sarner Geldtaschen, Gürtel, Trachtengürtel und Hosenträger, indem sie mit den Federkielen allerlei Muster oder Schriften ins Leder sticken. „Der Materialeinsatz ist bei uns überschaubar, dafür ist die Arbeit umso aufwendiger“, gibt Ulrich zu bedenken und erläutert an einem prachtvoll bestickten Gürtel: „100 bis 200 Stunden Arbeit bzw. knapp 2 bis 5 Wochen stecken da drin.“ <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="709901_image" /></div> Exakt sowas hat die italienische Modemarke Fendi für ihr einzigartiges Taschenprojekt gesucht: unverwechselbares traditionelles Kunsthandwerk. „Wir haben uns gewundert, als sie im Sommer des vergangenen Jahres mit ihrer Idee auf uns zugekommen sind, und jetzt freuen wir uns sehr, dass diese Zusammenarbeit bestens geklappt hat“, sagt der Sarner nicht ohne Stolz. <BR /><BR /><b>100 Stunden für die Handtasche</b><BR /><BR />Der Auftrag bestand darin, den Handtaschen-Klassiker namens Baguette aus dem Hause Fendi mit einem typischen Federkielmuster zu besticken. Schneeweißer Kiel leuchtet auf edlem schwarzen Leder, geschwungene Ornamente und kleine Blümchenmuster zieren das ikonische Täschchen mit dem charakteristischen Verschluss. Es sind typische Elemente dieses Kunsthandwerks, genauso wollten es die Designer des Luxusmodelabels. Auch diese Bestickung der Handtasche hat gut 100 Stunden beansprucht. <BR /><BR />Ulrich erläutert die Details anhand eines Fotos, nicht mal er selbst ist im Besitz eines Modells nach Sarner Prägung. Die ersten beiden Exemplare wurden für ausgewählte Fendi-Kunden in der Vorweihnachtszeit des vergangenen Jahres gefertigt, Ende Jänner kam ein Folgeauftrag für 12 weitere Täschchen im Sarner Style, erneut von einer exklusiven Klientel geordert. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="709904_image" /></div> <BR /><BR />Nun ist diese Federkiel-Handtasche bloß ein Puzzleteil des Fendi-Taschenprojekts mit dem Namen „Hand in Hand“. In Summe wurden 20 Handwerker aus allen Regionen ausgewählt, ihre traditionelle Machart auf einer originalen Baguette-Tasche zu verewigen. So kam etwa in Sizilien eine Kunsthandwerkerin zum Zuge, die rote Korallenteile zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk verarbeitet, würde die betörende Arbeit aus Ligurien mit ihrem raffinierten Silberdekor jeder Prinzessin gut zu Gesicht stehen, während die Baguette aus der Emilia Romagna mit ihrem Mosaikmuster gar auf eine byzantinische Tradition des 5. Jahrhunderts zurückreicht. <BR /><BR /><b>20 Kunsthandwerker für einzigartige Kollektion</b><BR /><BR />Einzigartige Techniken aus allen 20 Regionen kamen somit bei diesem Fendi-Projekt zum Zug, als treibende Kraft fungierte keine Geringere als Chefdesignerin Silvia Venturini Fendi, die bereits 1997 das zeitlose Design des Baguette-Modells ersann. <BR /><BR />Wer ein bisschen mit der Welt der Haute Couture vertraut ist, womöglich seine Angetraute mal mit einer Luxus-Handtasche für ein paar 1000 Euro bezirzt hat, kann erahnen, in welchen Sphären diese einmalige Kollektion anzusiedeln ist – sei es preislich wie auch prestigemäßig. Ulrich selbst kennt die Preise seiner bearbeiteten Taschen gar nicht, auch seine Leistung hat er in etwa mit dem üblichen Marktpreis berechnet.<BR /><BR /> Er ist sich aber über die Bedeutung dieser Zusammenarbeit im Klaren.<BR />Er sagt: „Nicht nur für uns als kleiner Familienbetrieb, sondern grundsätzlich für das gesamte Federkielstick-Handwerk ist dieser Auftrag eine große Ehre, vielleicht wird es auf diese Weise tatsächlich noch bekannter und gefragter.“ <BR /><BR /><b>Riesiger medialer Wirbel</b><BR /><BR />Damit dürfte er recht behalten, allein der mediale Wirbel, der um diese Taschenkollektion gemacht wird, schlägt Wellen in allen Modemetropolen dieser Welt. Wie alle anderen beteiligten Kunsthandwerker war auch Ulrich Anfang November zur Vorstellung der Kollektion in den Palazzo Civiltà, dem Hauptsitz von Fendi, geladen. Die hatte es in sich. <BR />Jeder bekam in diesem Palazzo einen Platz mitsamt einer Assistentin zugewiesen, um sein Handwerk vor geladenen Gästen zu zeigen. Tags darauf waren Journalisten, Fotografen, Fachpresse und Influencer zugegen, sie verbreiteten die News rund um die Taschenkollektion auf allen möglichen medialen Kanälen. <BR /><BR />Die Ausstellung dieses Fendi-Projekts in Rom wird am 27. November abgeschlossen. In seiner besonnenen Art erzählt der Sarner, wie sehr er diesen Spezialauftrag genossen hat. Und immer wieder betont er: „So was dient der gesamten kleinen Zunft der Federkielsticker, wir empfinden uns untereinander ohnehin nicht als Konkurrenten.“ Das kann man ihm getrost abnehmen, denn reich wird man mit diesem arbeitsintensiven Handwerk gewiss nicht. <BR /><BR /><b>Die Anfänge des Betriebs</b><BR /><BR />Ein Glück, dass er sich schon als kleiner Bub in der Werkstatt des Vaters Hans für die Techniken interessierte und später zusammen mit ihm auch der jüngere Bruder Georg sowie die ältere Schwester Andrea den Familienbetrieb weiterführen wollten. Als kreativer Geist ist Georg für Entwürfe und die Designs zuständig, während Ulrich sozusagen den Laden am Laufen hält. 5 Stickerinnen werden beschäftigt. <BR /><BR />Den Anfang machte der Großvater, der einst bei einem alten Sarner Federkielsticker das Handwerk erlernte, es selbst verbesserte und schließlich seinen eigenen Stil entwickelte. Aber irgendwann mal todschicke Damenhandtaschen für eine gutbetuchte Klientel zu besticken, das hätte er sich wohl selbst nie träumen lassen. Wie gefragt allerdings dieses Kunsthandwerk schon damals war, verdeutlicht die Überlieferung, wonach ein sehr aufwendig mit Federkiel bestickter Trachtengurt im 18. Jahrhundert den Wert von 2 bis 3 Pferden hatte.<BR />