Hmmm, wohlig warm, herrlich weich und richtig gut eingepackt fühlen sich die Füße an. So ein „Sarner Toppar“ ist schon ein wahres Wunderwerk! „Stimmt“, sagt Albert Unterweger, um die Bestätigung nicht verlegen: „Reine Schafwolle – ein Wunder der Natur!“ <BR /><BR />Wir befinden uns im Laden der Wollmanufaktur Unterweger im Zentrum von Sarnthein. Hier stapeln sich gleich links vom Eingang die typischen Filzpatschen in allen Größen, Naturfarben und mit bunten Samtbändern eingefasst. „Unbedingt anprobieren“, rät Albert, „denn jedes Paar ist ein handgemachtes Unikat.“ <BR /><BR />Der Begriff Wollmanufaktur ist also angebracht. Unterweger gehört zu den wenigen spezialisierten Handwerksbetrieben in Südtirol, die heimische Schafwolle veredeln. Albert nimmt ein weiteres Paar „Toppar“ aus dem Holzregal: „Innenleben und Sohle bestehen aus verfilzter Wolle, der Oberstoff aus Loden – ebenfalls Schurwolle.“ Wichtig sei, dass die Sohle aufgenäht und nicht geklebt ist: „Nur so kann der Fuß atmen und bleibt warm, ohne zu schwitzen.“<h3> Das Erbe von Ururoma Anna</h3>Man spürt, dass Albert Unterweger nicht aus dem Lehrbuch spricht, Wolle ist bei ihm gewissermaßen Familientradition. Schon seine Ururgroßmutter Anna Stauder (1853 – 1927) soll – so ist es überliefert – im 19. Jahrhundert das wärmende und feuchtigkeitsabweisende Wollvlies der hofeigenen Schafe und jener der Nachbarschaft zu Textilien verarbeitet haben. „Das Sarntal war damals abgelegen. Die Leute waren Selbstversorger“, so Albert. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1127007_image" /></div> <BR />Auch bei Albert zu Hause hat es immer schon Schafe gegeben, und das ist bis heute so. Als Kind beobachtete er, wie sein Vater Josef die riesigen Mengen der von Bauern gelieferten Rohwolle wusch, trocknete und daraus Teppiche oder Tischdecken webte. Josef hatte in den 1950er-Jahren die Weberschule in Imst besucht und 1968 eine eigene Werkstatt eröffnet. <BR /><BR />Er arbeitete mit einer damals schon 100 Jahre alten „Wöllkral“ – der deutsche Begriff lautet Krempel – und einem alten Webstuhl, entwickelte aber neue Techniken und baute sogar selbst kleine Arbeitsmaschinen. Eine davon, ein Wollwickler, wird nach wie vor genutzt, genauso übrigens wie der alte Webstuhl. „Unser ,Tate‘ hat das ursprüngliche Handwerk in die heutige Zeit geführt“, sagt der Sohn nicht ohne Stolz. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1127010_image" /></div> <BR /><BR />Bei seinem Vater ging Albert dann auch in die Lehre. Er legte die Prüfung zum Webermeister ab, übernahm 1996 den Betrieb und erweiterte das Angebot auf Gestricktes und Gefilztes. <h3> Handwerkskultur vs. Automatisierung</h3>Klare Favoriten sind bis heute neben den „Sarner Topparn“ die typischen „Sarner Jangger“. Gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth stellt er aber auch mit Schurwolle gefüllte Bettdecken her, zudem Auflagen und Kissen, gewebte Teppiche, Filzunterlagen und einiges mehr. Socken und Fäustlinge werden von einigen Bäuerinnen handgestrickt. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1127013_image" /></div> <BR /><BR />Bewusst verwendet Albert für seine Arbeit jene historischen Maschinen und Geräte, die schon sein 2022 verstorbener Vater genutzt hat. „Wir opfern unsere jahrhundertealte und einst überlebenswichtige Handwerkskultur nicht einem automatisierten ,Traditionshandwerk 4.0‘“, meint er dazu fest entschlossen. Würden sie es tun, kämen ihre Produkte jenen aus der Industrie gleich: „Aber das ist nicht unser Weg!“ Man könne sich auch weiterentwickeln, ohne alles zu automatisieren. Außerdem: „Unsere Maschinen wurden so konstruiert, dass sie über Generationen gute Dienste tun.“ Albert ist übrigens die fünfte Generation. <BR /><BR />Bereitwillig führt er nach dem Besuch in seinem Laden in die Manufaktur, die sich oberhalb von Sarnthein im Ortsteil Steet befindet. Hier sind er und seine Brüder aufgewachsen, hier erfolgt seit jeher die gesamte Produktion. Den Laden im Tal gibt es erst seit 2019. Früher kamen alle Kunden herauf in die Manufaktur, die auf den ersten Blick wie ein Museum wirkt. Neben dem mächtigen alten Webstuhl steht die aus Alberts Erzählungen bereits bekannte „Wöllkral“ mit ihren unterschiedlich großen Walzen und Kämmen. Sie kardiert die sauberen Fasern zu einem Vlies, das später in der dahinter platzierten alten Spinnmaschine zu Garn gesponnen wird. <h3> Null-Kilometer-Wolle für Unikate</h3>Dutzende Säcke stapeln sich im hinteren Teil des Raumes, vollgestopft mit frischer Schafwolle in Weiß, Grau, Braun – manchmal gemischt, gelegentlich Schwarz. „Wir mögen auch schwarze Schafe“, bemerkt Albert augenzwinkernd. Jedes Jahr erhält der Webermeister Wolle von 3000 bis 4000 Tieren aus dem Sarntal und Umgebung. Für die Bauern ist das Geld, das sie für die Wolle bekommen, ein kleines Zubrot, das der Schafhaltung einen weiteren Sinn gibt. Null-Kilometer-Wolle nennt Albert den Rohstoff. Er verwendet nur die Wolle der Herbstschur, „denn im Frühjahr ist sie vom langen Winter im Stall oft zu schmutzig und eignet sich eher als Mulch für den Garten“. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1127016_image" /></div> <BR />Jetzt, wo das Weihnachtsgeschäft vorbei ist, geht es im Laden ruhiger zu, doch in der Werkstatt wird es wieder lebendig. „Dann beginnen wir mit dem Sortieren, Waschen und Kämmen der Wolle, produzieren unsere bewährten Textilien und setzen neue Ideen um.“ Gern führt Albert während der Produktion auch Journalisten und andere Meinungsbildner durch die Manufaktur. Seine Botschaft: „Alte Handwerkskultur ist ein Teil unserer Identität. Sie verdient Respekt und Förderung – heute mehr denn je.“ Und außerdem: Ohne dieses uralte Traditionshandwerk gäbe es keine wohlig warmen „Sarner Toppar“. Und das wäre sehr schade.