Das Außenamt sitzt seit 1995 als erstes grenzüberschreitendes Verbindungsbüro in einem gemeinsamen Haus mit den Regionen Tirol und Trentino.„Auch wenn jetzt das Nein gewonnen hat, bewirkt das Veränderungen. Es bleibt überhaupt nichts so, wie es war“, ist Caminades im APA-Gespräch überzeugt. Schon die freie Abhaltung des Referendums und der relativ knappe Ausgang sprächen dagegen: „Dem muss man nun Rechnung tragen, und es wird Gleichgewichtsverschiebungen geben müssen.“Die Abstimmung war für die 46-Jährige das Zeichen einer neuen Dynamik. „So etwas ist nicht anachronistisch, sondern extrem notwendig, damit sich die Europäische Union weiterentwickelt und kein starres Gebilde bleibt. Man spricht hier in Brüssel praktisch täglich vom Europa der Regionen, aber hin und wieder hat man das Gefühl, das sind nur Schlagworte.“Damit die EU überleben könne, müsse man sie stets hinterfragen und kritisieren. So wäre ein Ja beim Schotten-Votum ein klarer Präzedenzfall gewesen, der viele Fragen auch auf EU-Ebene aufgeworfen hätte. „Wer vielleicht den größten Erleichterungsseufzer gemacht hat, ist Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso“, vermutet Caminades deshalb."Was man heute sagt, kann in einer Woche schon nicht mehr stimmen"Ob die Nationalstaaten in einer EU der Zukunft fortbestehen werden, könne man schwer sagen. „Die Bemühungen gehen in diese Richtung, aber es gibt nichts Statisches. Was man heute sagt, kann kommende Woche schon nicht mehr stimmen. Ich würde mich nicht trauen, ein eindeutiges Ja zu sagen.“Die Regionen seien jedenfalls stark und dabei sei Südtirol mit seinem international verankerten Autonomiestatut durchaus ein Vorbild. „Unsere Autonomie ist nicht statisch und wird immer dynamisch weiterentwickelt. Wird werden nie an den Punkt kommen, an dem man sich auf den Lorbeeren ausruht. Man muss immer aufmerksam bleiben, dass nicht etwas verloren geht.“Autonomie bis zum Maximum ausbauenEine direkte Rückwirkung auf Südtirol durch das schottische Referendum sieht Caminades nicht: „Es gibt auch in Südtirol Gruppen, die wollen unabhängig werden. Aber die Tendenz geht in meinen Augen eher in die Richtung, die Autonomie bis zum Maximum auszubauen.“ Aber natürlich habe die Abstimmung auch in Südtirol die Diskussion über Pro und Contra befördert, was auch gut sei: „Nur wenn man Informationen hat, kann man klar debattieren.“Ein Schritt in der Autonomiedebatte war jedenfalls, dass sich die drei historischen Landesteile Tirols mittlerweile in einem kleinen Altbau im Brüssler EU-Viertel zusammengeschlossen haben. Ziel ist unter anderem, die Interessen der Alpenregion bei den EU-Institutionen gemeinsam zu vertreten, wobei die Themen wie Verkehr, Umwelt oder Mehrsprachigkeit seit Beginn dominieren. „Was sich aber geändert hat, ist, dass wir verstärkt mit anderen, gleichgesinnten Regionen die Zusammenarbeit suchen. Bei der Berglandwirtschaft waren das etwa die Basken und Schotten“, so die Südtirolerin.Die neue Dynamik in Europa ist dabei nichts, was Caminades Sorgen macht, im Gegenteil: „Bedauern? Warum! Wenn man beim Status quo hängen bleiben möchte, wird man erstens enttäuscht und verpasst zweitens etwas. Man kann nicht wie ein Strauß den Kopf in den Sand stecken, sondern muss die Entwicklung mit Spannung verfolgen.“apa/Martin Fichter-Wöß