<b>„Dolomiten“: Am Freitag findet eine Tagung zur Suizidprävention des gleichnamigen Netzwerkes statt. Wo setzt diese an?</b><BR />Guido Osthoff: Suizidprävention setzt auf verschiedenen Ebenen an – und auch bei der Tagung geht es um diese verschiedenen Ebenen. Da ist einmal die ganz konkrete Intervention gegenüber suizidgefährdeten Personen. Aber es gibt auch die gesellschaftliche Ebene, auf der es darum geht, als Gesellschaft aufmerksamer füreinander zu werden. Es gibt aber auch eine architektonische Ebene, wo es etwa darum geht, Brücken mit Geländern zu versehen, damit es sich nicht so leicht springt. Damit Suizidprävention gut funktioniert, braucht es ein gutes, auf Vertrauen setzendes Zusammenspiel aller. Und genau darum geht es uns als Netzwerk bei der Tagung.<BR /><BR /><embed id="dtext86-55912395_quote" /><BR /><BR /><b>„D“: Das heißt, Suizidprävention geht uns alle an?</b><BR />Osthoff: Ja, absolut. Jeder kann seinen eigenen Beitrag leisten, damit sich Menschen in einer Krise aufgefangen fühlen. Etwa indem man sie anredet, wenn es ihnen nicht gut geht. Das ist sicher alles erst einmal einfacher gesagt als getan. Deswegen wäre es schön, wenn jeder sozusagen einen seelischen Erste-Hilfe-Kurs machen würde. Wir bieten so etwas an. <BR /><BR /><b>„D“: Was lernt man da?</b><BR />Osthoff: Zunächst machen wir den Menschen Mut, auf eine gefährdete Person zuzugehen. Und dann geben wir Tipps, wie man das am besten macht. <BR /><BR /><b>„D“: Man kann doch nicht ,einfach‘ hingehen und die Person fragen, ob sie Suizidgedanken hat? </b>Osthoff: Man muss ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, und nicht jeder, der ein ernstes Gesicht macht, ist suizidal. Aber ja, im Zweifelsfall sollte man nachfragen: ,Ist was? Du machst so ein bedrücktes Gesicht.‘ Dann gibt es 3 Möglichkeiten: Es ist nichts und die Person sagt mir das. Es ist schon was, aber die Person sagt es mir nicht. Oder drittens: Es ist was und die Person sagt es mir. Wenn sich mein Verdacht bei der Antwort erhärtet, dann kann ich klar nachfragen – und es ist Hilfe möglich. Wenn ich aber nicht frage, schließe ich diese dritte Möglichkeit von vorneherein aus. <BR /><BR /><embed id="dtext86-55912890_quote" /><BR /><BR /><b>„D“: Was tut man als Laie im Fall 3?</b><BR />Osthoff: Man ermuntert die Person, sich professionelle Hilfe zu holen. Es gibt jede Menge auch niederschwellige Stellen (siehe nebenstehende Meldung; Anm. d. Red.), an die sich Menschen in Krisen wenden können. Etwa die Telefonseelsorge der Caritas oder der psychologische Dienst. Aber eines, das sage ich ganz offen, darf dann nicht passieren: Der Nachbar, der von mir den Tipp bekommen hat, wo er sich hinwenden kann, erreicht dort keinen oder bekommt erst in 4 Wochen einen Termin. So etwas kann im wahrsten Sinne des Wortes tödlich sein, Menschen in einer Krise brauchen schnelle Hilfe. <BR /><BR /><b>„D“: Aber was passiert mit mir im zweiten Fall oder auch im dritten, wenn die Person sich dann tatsächlich das Leben nimmt? Dann habe ich versagt, konnte nicht helfen. Vielleicht ist es ja die Angst vor diesem Gefühl, die Menschen erst gar nicht hinschauen lässt?</b><BR />Osthoff: Wenn wir als Gesellschaft und als Einzelpersonen aufmerksamer füreinander sind, dann lässt sich ein gewisser Teil an Suiziden verhindern. Aber wir müssen auch ganz ehrlich sein, 100 Prozent werden wir nicht schaffen. Wir können versuchen zu helfen, die Entscheidung, ob er oder sie die Hilfe dann annimmt, treffen aber nicht wir. Wir sind nicht schuld. Aber wir haben zumindest versucht, es zu verhindern. Das kann ein Trost sein. <BR /><BR /><b>„D“: In welcher Kategorie kommen Suizide besonders oft vor?</b><BR />Osthoff: In unserer gesellschaftlichen Wahrnehmung spielen junge Menschen bei dem Thema eine große Rolle. Es schreckt uns auf, wenn ein junger Mensch sein Leben wegwirft. Eine solche Nachricht macht etwas anderes mit uns. Doch statistisch gesehen haben ältere Männer den größten Anteil an der Anzahl der Selbstmorde. Andererseits spielt bei jungen Menschen Suizid als Todesursache eine größere Rolle. <BR /><BR /><b>„D“: Sie sagten ältere Männer, gibt es prinzipiell einen Unterschied zwischen den Geschlechtern?</b><BR />Osthoff: Pauschal und plakativ gesprochen gehen Männer anders mit ihren Lebenskrisen um: Sie treiben etwa intensiver Sport, reden weniger darüber. Frauen teilen sich eher mit. Und Männer wählen oft für einen Suizid brutalere Methoden und sind damit häufiger ,erfolgreich‘. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-55904521_listbox" />