Nicht nur zu Allerheiligen und Allerseelen sollten wir den Tod als Lehrer für uns entdecken, meint Irina Lino. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />Allerheiligen – Allerseelen: Alle Heiligen, Märtyrer und Apostel, alle Seelen der Verstorbenen mitten unter uns, getragen von der Hoffnung, dass wir nicht alleine in die Nacht gehen müssen. Der Glaube kann diesen Trost geben. <BR /><BR />Und doch muss man kein Katholik sein, um diese Hoffnung zu erfahren. Es genügt, Mensch zu sein, oder die Sehnsucht zu haben, Mensch zu werden, im Besten, was Menschsein verheißt. Im Glauben an das Gute, an die Liebe oder die Macht des Verzeihens. <BR /><BR />„Was wir vom Tod lernen können, um erfüllt zu leben“, beschreibt Frank Ostaseki als einer der bedeutendsten Vertreter der Hospizarbeit in seinem Buch „Die fünf Einladungen“. Ich habe es oft gelesen. Und doch schenkt es mir immer wieder neue Perspektiven aus der mitfühlenden Sicht eines Mannes, der bei Tausenden Menschen am Sterbebett gesessen ist. <BR /><BR />„Manche waren voller Enttäuschung, als sie starben. Andere wieder blühten auf und gingen voller Staunen durch jene Tür. Der Unterschied bestand in der Bereitschaft, anzunehmen und sich darauf einzulassen“, schreibt der Amerikaner, der den Leser an die reich gedeckte Tafel des Lebens bittet, „um sich jetzt schon mit dem Tod zusammen hinzusetzen, Tee mit ihm zu trinken und sich von ihm zu einem sinnvolleren und liebevolleren Leben inspirieren zu lassen.“<BR /><BR />In unserer endlosen Jagd nach Bedürfnisbefriedigung und ewiger Jugend haben wir das Sterben so vehement aus unseren Gedanken, Häusern und Betten verbannt, dass wir vergessen haben, wie zerbrechlich unser kleines Sein ist und wie unendlich kostbar jeder Augenblick. <BR /><BR />Die Pandemie hat uns schmerzhaft vor Augen geführt, dass „der Tod nicht am Ende eines langen Weges auf uns wartet. Er ist immer da, im Innersten jedes einzelnen Augenblicks. Er ist der heimliche Lehrer, der uns zu entdecken hilft, was am wichtigsten ist im Leben.“ Nicht nur zu Allerheiligen und Allerseelen, sondern in jedem tieferen Gedanken an die eigene Vergänglichkeit und die Chancen, die sie eröffnet...<BR /><BR /><BR />ZUR PERSON<BR /><BR />In einer wöchentlichen Kolumne schreibt Irina Lino auf s+ über aktuelle Themen verschiedenster Art. Irina Lino ist 1967 in Klagenfurt geboren und seit 1987 Kulturjournalistin. Zahlreiche Beiträge in Büchern und Katalogen zu Kulturthemen; seit 2009 Kultur-Ressortleiterin der „Kronen Zeitung“ Kärnten sowie Kolumnistin.<BR /><BR />