Die Sibirische Tigerin Stormi, ihr offizieller Name lautet Stormi-Sheera, gehört zu jenen Tieren, die den Pflegerinnen und Pflegern des Magdeburger Zoos ganz besonders am Herzen liegen. Nicht nur, weil sie einer der gefährdetsten Tierarten der Welt angehört. Sondern weil sie unglaublichen Kampfgeist bewiesen hat. Denn dass die Großkatze heute überhaupt noch lebt, ist ein „kleines Wunder“. <BR /><BR />Es war der 22. Juni 2017, als die damals vierjährige Sibirische Tigerin Kimberly im Magdeburger Zoo in den Wehen lag, es war ihr erster Wurf. Sie brachte zwei Jungtiere zur Welt: einen Kater und eine Katze. Doch wenige Minuten nach der Geburt wütete Sturmtief „Paul“ durch Magdeburg, eine Rieseneiche krachte auf das Tigerhaus. Und mittendrin die neugeborenen Kätzchen! Es kam zum Unglück: Der kleine Kater starb direkt bei der Geburt, er konnte sich nicht aus der Fruchtblase befreien. <BR /><BR />Das Katzenmädchen war kräftiger und kämpfte sich ins Leben. Doch es wurde von seiner Mutter Kimberly nicht angenommen. Aus diesem Grund wurde Stormi – so der „stürmische“ Name der kleinen Tigerkatze – in die Handaufzucht genommen. Zootierpflegerin Petra Oppermann zog das kleine Fellknäuel auf. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1175925_image" /></div> <BR />Die „Ersatzmutter“ kümmerte sich rund um die Uhr um das seltene Tier. Tierpflegerin Petra fütterte die Kleine alle drei Stunden mit Babykatzenmilch, spielte mit ihr, nahm das Tigerkind sogar mit in den Urlaub ins Allgäu. Stormi wuchs und gedieh prächtig, und schon im Oktober 2017 brachte das Kätzchen stolze 14 Kilogramm auf die Waage. <BR /><BR />Stormi hatte sich allerdings zu einem Haustier entwickelt, machte es sich gern auch auf dem Sessel bequem, ging an der Leine spazieren und benutzte die Katzentoilette. Also zog der Sibirische Tiger in ein Gehege um und wurde schon bald einer der Publikumslieblinge der großen und kleinen Zoobesucher. <BR /><BR />2022 zog der damals vierjährige Sibirische Tiger Kratz im Magdeburger Tigerhaus ein. Er stammte aus Orsa in Schweden und war auf Empfehlung des „EAZA Ex-situ Programms“ für Sibirische Tiger (EEP) als Stormis Partner ausgesucht worden. Gemeinsam sollte das Paar für Nachwuchs sorgen.<BR /><BR />Das hat nun geklappt. Und wie! Normalerweise bringen Tigerweibchen zwei bis drei Jungtiere zur Welt. Stormi ist vor wenigen Tagen Fünflings-Mama geworden. „Auch für uns sind so viele Tigerjungtiere erst einmal eine unerwartete Überraschung“, sagte Tierärztin Anna Hauffe.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1175928_image" /></div> <h3> Wichtige Wochen für Mutter und Nachwuchs</h3>Die ersten drei Lebenswochen seien für die Tiger-Babys eine herausfordernde Entwicklungsphase. Es könne noch vieles schiefgehen. „Hier im Team drücken alle die Daumen, wenn auch erst mal nur von weitem, damit es in der Mutterstube so ungestört wie möglich bleibt“, erklärte die Tierärztin des Magdeburger Zoos. Nur die vertrauten Tierpflegenden und die tiermedizinische Abteilung hätten derzeit Zutritt zum Tigerhaus.<BR /><BR />Im Vordergrund steht nun auch die Festigung einer engen Mutter-Kind-Beziehung. „Bis auf Weiteres bleiben die Jungtiere im rückwärtigen Bereich des Tigerhauses in der behaglichen Kinderstube, bevor sie mit der Mutter Erkundungstouren auf der Außenanlage unternehmen können“, erklärte der Zoo. Erst dann könnten Besucher die Fünflinge bestaunen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1175931_image" /></div> <BR />Papa Kratz ist hingegen auf der Außenanlage zu beobachten, während seine Partnerin den Nachwuchs ungestört im rückwärtigen Bereich versorgt.<BR /><BR />Der Zoo Magdeburg, der heuer sein 75. Jubiläum feiert, ist Teil eines europaweiten Schutzprogramms und ist an 67 „EAZA Ex-situ Programmen“ (EEPs) beteiligt. Dazu zählen verschiedene Arten von Nashörnern, Elefanten, Pinguine und auch die Sibirischen Tiger. Letztere gehören seit 51 Jahren zum Tierbestand in Magdeburg. 1980 gab es erstmals Nachwuchs bei der größten Katzenart der Welt.<BR /><BR />Der fünffache Zuchterfolg ist also nicht nur biologisch bemerkenswert, sondern auch aus Artenschutzsicht von Bedeutung. Sibirische Tiger gelten als stark gefährdet. Schätzungen des Global Tiger Forum aus dem Juli 2023 zufolge gibt es weltweit etwa 5.600 freilebende Tiger (Quelle WWF), nur ungefähr 300 davon sind Sibirische Tiger.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1175934_image" /></div> <h3> „Herrscher der Taiga“ in Gefahr</h3>Sibirische Tiger (Panthera tigris altaica), auch Amurtiger oder Ussuritiger genannt, sind die größten Raubkatzen der Welt. Männchen können von Kopf bis Schwanz etwa drei Meter lang und bis zu 300 Kilogramm schwer werden. Sie unterscheiden sich von den anderen Unterarten des Tigers (Bengaltiger, Sumatratiger usw.) auch durch das helle, langhaarige Fell und die weit auseinanderstehenden dunklen Streifen. Das dichte Fell lässt sie noch massiger wirken. <BR /><BR />Sibirische Tiger leben normalerweise in kalten Regionen. Sie mögen Wälder mit einem dichten Unterholz. Heute leben sie nur noch im Osten Russlands, im Grenzgebiet zu Nordkorea und China. In Freiheit können die Tiere etwa fünfzehn Jahre alt werden, in menschlicher Obhut bis zu 26 Jahre.<BR /><BR />Der „Herrscher der Taiga“, wie das riesige Tier einst genannt wurde, hat in freier Wildbahn einen mächtigen Feind: den Menschen. Ursache hierfür ist die Vernichtung des Lebensraumes durch den Menschen und jahrzehntelange Bejagung der schwindenden Populationen. Die Knochen und andere Körperteile werden auch heute noch in der traditionellen Medizin Südostasiens verwendet, obwohl seit 1987 ein generelles Handelsverbot für Tigerprodukte besteht und nie eine medizinische Wirkung nachgewiesen wurde. Somit sinken die Bestandszahlen trotz intensiver Schutzbemühungen weiter ab.<BR /><BR />Die Tiere sind in der Regel Einzelgänger. In der freien Wildbahn sind die Reviere der Männchen bis zu 1.000 Quadratkilometer groß – ausschlaggebend dafür ist das Futterangebot. Die Fleischfresser benötigen pro Tag bis zu zehn Kilogramm Nahrung. Dazu zählen Hirsche, Rehe, Elche, Luchse und Wildschweine.