Erdogan selbst stellte Strafantrag gegen Böhmermann wegen Beleidigung, wie die Staatsanwaltschaft Mainz am Abend mitteilte. Die Bundesregierung prüft nun den förmlichen Wunsch der Türkei nach Strafverfolgung. Dies werde ein paar Tage, aber nicht Wochen dauern, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Gut anderthalb Wochen nach der Ausstrahlung des Schmähgedichts in Böhmermanns Fernsehshow „Neo Magazin Royale“ verstärkt sich die Diskussion über die Grenzen der Satirefreiheit noch einmal.Merkel: Pressefreiheit nicht verhandelbarDas Gedicht sei nicht nur eine Beleidigung Erdogans, sondern von allen 78 Millionen Türken, sagte Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus am Montag. Er warf Böhmermann vor, mit dem Gedicht ein „schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begangen zu haben. Der Text habe „alle Grenzen der Schamlosigkeit übertroffen“. Die Regierung in Ankara könne das nicht akzeptieren.Der 35-Jährige hatte in seinem Gedicht bewusst beleidigende Formulierungen benutzt, um – wie er selbst erläuterte – die Unterschiede zwischen in Deutschland erlaubter Satire und verbotener Schmähkritik deutlich zu machen.Seibert betonte, die Freiheit der Kunst und die Pressefreiheit seien für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) weder nach innen noch nach außen verhandelbar. Dies gelte unabhängig davon, ob sie etwas für geschmacklos halte und davon, dass die EU mit der Türkei in der Flüchtlingskrise zusammenarbeite.Erdogan stellt Strafantrag gegen BöhmermannDie Staatsanwaltschaft Mainz, die wegen mehrerer Anzeigen gegen Böhmermann sowie gegen ZDF-Verantwortliche ermittelt, teilte am Abend mit, der türkische Staatspräsident Erdogan habe Strafantrag gegen den Satiriker wegen Beleidigung gestellt. Gegenstand des durch eine Anwaltskanzlei gestellten Antrags sei das Schmähgedicht aus der Sendung vom 31. März. Der Strafantrag werde in dem bereits anhängigen Verfahren geprüft werden, hieß es weiter.Zuvor hatte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller mitgeteilt, dass ihre Behörde bislang nicht über das Strafverlangen der Türkei informiert worden sei. Für eine Strafverfolgung in solchen Fällen brauche es neben dem Strafverlangen der Türkei auch eine entsprechende Ermächtigung vonseiten der Bundesregierung.Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) Frank Überall rechnet nicht mit einem Prozess gegen den Satiriker. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Anklage erhoben wird. Und ich kann und will mir nicht vorstellen, dass Böhmermann tatsächlich verurteilt wird“, sagte er.ZDF hält an Böhmermann festDas ZDF will an seinem Moderator trotz des Ärgers festhalten. Dessen „Neo Magazin Royale“ stehe nicht zur Disposition, teilte der Sender mit. „Die Sendung wird wie bisher fortgeführt.“ Böhmermann selbst, der am Freitagabend für eine frühere Satire-Aktion („Varoufake“) in Abwesenheit den begehrten Grimme-Preis erhielt, hält sich seit Tagen aus der öffentlichen Diskussion heraus.Aus Solidarität mit Böhmermann verspottete der Kabarettist Dieter Hallervorden (80) den türkischen Staatspräsidenten in einem Lied: In „Erdogan, zeig' mich an“, das Hallervorden am späten Sonntagabend auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte, heißt es unter anderem: „Ich sing' einfach, was du bist. Ein Terrorist, der auf freien Geist scheißt.“dpa