Europa müsse sich entscheiden: „Wollen wir weitermachen wie bisher und zusehen, wie die EU und damit Österreich auf der Weltbühne an Bedeutung verlieren?”, ergänzte Van der Bellen in einem aus Zeitgründen per E-Mail geführten Interview mit der Austria Presse Agentur. „Oder wollen wir ein starkes Europa, das in der Welt gehört wird, weil es mit einer Stimme spricht?”Er selbst wolle ein starkes, vereintes Europa, betonte der Bundespräsident. „Ich hoffe, dass der Brexit uns allen eine ausreichende Warnung ist.”Hunderttausende Arbeitsplätze hängen an EU-MitgliedschaftBundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe „ein klares Bekenntnis zur Zusammenarbeit in Europa abgegeben” und werde „den im Regierungsprogramm festgeschriebenen pro-europäischen Kurs sicherlich ernst nehmen”, zeigte sich der Präsident überzeugt. Auch Kurz kenne die weltpolitische Situation und wisse, dass Österreich seine Interessen allein global nicht durchsetzen könne. An der EU-Mitgliedschaft hingen in Österreich hunderttausende Arbeitsplätze.„Eine Zerstörung der Union würde die einzelnen Nationalstaaten wie ein Schiff ohne Steuer auf hoher See Wind und Wellen aussetzen und letztlich neue Armut in Europa bedeuten”, warnte Van der Bellen.„Legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen“Beim Thema Migration ist Van der Bellen „dafür, dass man der Bevölkerung reinen Wein einschenkt. Ohne eine gemeinsame EU-Migrations- und Asylpolitik und Bekämpfung der Fluchtursachen wird es nicht gehen”, erklärte er. „Wenn wir irreguläre Migration verhindern wollen, müssen wir legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen.” Mit einem europäischen Einwanderungsrecht und einem gemeinsamen Asylsystem könnten Verfolgte geschützt und zugleich die Zuwanderung kontrolliert werden. „Darauf müssen wir hinarbeiten.”„Dominoeffekt“ abwendenVan der Bellen sieht in der Migration allerdings nicht das größte Problem Europas: „Momentan machen mir jedenfalls die Klimakrise und der drohende Zoll- und Handelskrieg mit den USA deutlich mehr Sorgen”, sagte der Bundespräsident. Er verwies auch darauf, dass die Zahl der Schutzsuchenden deutlich zurückgegangen und die Lage „unter Kontrolle” sei.Es sei aber legitim und sinnvoll, sich auf mögliche künftige Entwicklungen vorzubereiten.Die Entwicklung seit der Ankündigung der nationalen Maßnahmen der deutschen Bundesregierung zeige laut Van der Bellen, dass es „notwendiger denn je” eine gemeinsame, abgestimmte Vorgangsweise der EU-Staaten geben müsse, ansonsten drohe ein schädlicher „Dominoeffekt”.apa