Italiens Binnennachfrage liegt am Boden, der verschuldete Bankensektor verhindert Investitionen. Beides hat die drittgrößte Wirtschaft der Eurozone im zweiten Quartal zum Stillstand gezwungen. Schwierige Voraussetzungen für einen Ministerpräsidenten, der bis Mitte Oktober einen Haushaltsplan für 2017 vorlegen soll. Kürzlich bezeichnete es der 41-Jährige bereits als „Fehler“, seinen Rücktritt versprochen zu haben, sollten die Wähler seine Reformen des Parlaments und des Wahlsystems zurückweisen.Umfragen deuten auf ein enges Rennen hinDoch Experten sehen in dem Referendum ganz klar auch eine Abstimmung über den Sozialdemokraten Renzi und dessen Politik der vergangenen zweieinhalb Jahre. Derzeit deuten die Umfragen auf ein enges Rennen zwischen dem Ja-Lager und dem Nein-Lager hin. Renzi muss die enttäuschten und wirtschaftlich schwachen Italiener genauso hinter sich vereinen wie Ärger mit Brüssel vermeiden.Zunächst empfängt Renzi in der kommenden Woche Angela Merkel und Francois Hollande zu Gesprächen über die Brexit-Folgen. Brüssel dürfte auch die Lage in Italien genau beobachten – denn ein politisch angeschlagener Renzi und die erstarkende Protestbewegung Fünf Sterne sind kein Garant für EU-Freundlichkeit in dem Land.Wegen der wirtschaftlichen Stagnation muss Italien seine Prognose von 1,2 Prozent Wachstum in diesem Jahr und 1,4 Prozent im kommenden Jahr nach unten korrigieren. Das wiederum dürfte sich auf die Neuverschuldung auswirken: Eigentlich hatte die EU-Kommission für das hochverschuldete Land ein Defizit von 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für 2017 festgesetzt – nun könnte es laut Carlo Calenda, Minister für wirtschaftliche Entwicklung, bei bis zu drei Prozent liegen.Renzi plant Programm gegen Armut„Ich kann den Fakt nicht verschweigen, dass der Handlungsspielraum klein ist“, sagte Calenda kürzlich. „Wir wollen um noch mehr Flexibilität bitten“, fügte er mit Blick auf die Verhandlungen mit Brüssel hinzu. Rom wolle das „Maximum“ herausschlagen – sich dabei aber im Rahmen der vorgeschriebenen Drei-Prozent-Defizitgrenze bewegen.Renzi will seinerseits unter anderem die Bezüge für die ärmsten Pensionisten erhöhen und ein Programm gegen Armut auflegen. Finanziert werden soll das mit den Ersparnissen von jährlich 500 Millionen Euro, die sich die Regierung durch eines der Kernelemente der Verfassungsreform erhofft: der Nahezu-Abschaffung des Senats. Renzi deutete außerdem an, Senkungen der Einkommensteuer, die für 2018 geplant sind, um ein Jahr vorzuziehen, um frustrierte Wähler zu erreichen.Infrastrukturminister Graziano Delrio kündigte ebenfalls umfangreiche Projekte an – unter anderem sollen der Bau eines neuen Brennertunnels beschleunigt und Genua ans Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn angeschlossen werden. Die Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ schätzte die Kosten für die Konjunkturankurbelung auf vier Milliarden Euro."Renzi ist das kleinere Übel"Dass Rom damit in Brüssel durchkommt, ist indes nicht ganz abwegig, denn die EU hat wenig Interesse an einem politisch instabilen Italien, sollte Renzi das Referendum verlieren. „Dann lieber das kleinere Übel!“, sagte ein EU-Vertreter, der anonym bleiben wollte. „Wenn Renzi geht, wer weiß, wer ihn ersetzen wird.“Ein Rücktritt des Regierungschefs hätte zwangsläufig vorgezogene Neuwahlen zur Folge und diese könnte die Bewegung Fünf Sterne für sich entscheiden. Die von dem Komiker Beppe Grillo gegründete populistische Bewegung ist einem Referendum über einen Austritt Italiens aus der Eurozone nicht abgeneigt – das allerdings kann Europa nach dem jüngsten Brexit-Schock am allerwenigsten gebrauchen.apa/afp