<BR /><b>Herr Wolf, warum haben Sich einst entschlossen Journalist zu werden?</b><BR />Armin Wolf: Ich habe mich eigentlich gar nicht dazu entschlossen. Eigentlich wollte ich Universitätsprofessor für Politikwissenschaften werden, musste aber dafür erst mein Studium finanzieren. Deshalb habe ich einen Nebenjob gebraucht, nach der Matura. In Innsbruck war das ORF-Landesstudio genau neben meiner Schule. Ich konnte tatsächlich von meiner Schule aus aufs Dach des Landesstudios schauen. Ich habe dort zudem vier Jahre lang eine Schülerzeitung gemacht und habe mich schon auch für Journalismus interessiert. Ein Monat vor meiner Matura bin ich schließlich ins Landesstudio marschiert und habe gefragt, ob ich nicht als freier Mitarbeiter anfangen könnte. Das ging erstaunlicherweise – das würde heute leider nicht mehr so einfach gehen. Das Risiko war für den ORF allerdings auch gering. Ich habe schließlich nur dann etwas bekommen, wenn einer meiner Beiträge gesendet wurde. Nach der schriftlichen Matura habe ich dann wirklich dort als Radioreporter begonnen und habe nur gesagt, ich brauche bitte noch einen Tag frei, denn ich habe mündliche Matura. Seither bin ich beim ORF.<BR /><BR /><b>Wie ging es dann weiter?</b><BR />Wolf: Im Herbst hat mein Politikwissenschaftsstudium dann begonnen und es war auch echt spannend. Das Problem war nur, die Arbeit im ORF war auch spannend, deutlich besser bezahlt und ich habe mich dort auch nicht getraut, einen Auftrag abzulehnen. Ich dachte mir, dass sie sich sonst einfach jemand anderen suchen. So habe ich dann relativ schnell mehr gearbeitet als studiert und plötzlich war ich Journalist. Angefangen habe ich im Mai 1985 als freier Mitarbeiter und am 1. Jänner 1988 wäre ich im Landesstudio Tirol angestellt worden. Ich war aber kurz zuvor in Wien für ein zweiwöchiges Praktikum und hatte dort das Angebot erhalten, in die Außenpolitik-Redaktion des Hörfunks zu kommen. Mit dieser Übersiedelung war schließlich auch klar, dass ich tatsächlich hauptberuflich Journalist bin.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="728351_image" /></div> <BR /><BR /><b>Haben Sie die Entscheidung Journalist zu werden, anstatt Professor für Politikwissenschaften, jemals bereut?</b><BR />Wolf: Bereut würde ich nicht sagen. Ich hätte aber Professor für Politikwissenschaft schon spannend gefunden. Aber es hat sich halt früh entschieden, dass daraus nichts wird. Ich war als Journalist aber immer sehr zufrieden. Natürlich gab es auch Phasen, wo ich – wie viele Leute, die lange in einem Bereich tätig sind – darüber nachgedacht habe, ob ich auch mal etwas anderes machen sollte. Aber ich kann auch nichts anderes (lacht). Wenn ich heute 18 oder 19 Jahre alt wäre, würde ich allerdings eher nicht mehr Journalist werden. <BR /><BR /><b>Weshalb? Hat es auch mit der Veränderung des Journalismus in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu tun?</b><BR />Wolf: Ich würde mich nicht nur deshalb dagegen entscheiden, weil sich der Journalismus verändert hat. Ich würde mich heute, glaube ich, einfach trauen, etwas anderes zu machen. Ich würde Jus studieren und wahrscheinlich Anwalt werden. <BR />Aber der Journalismus hat sich natürlich total verändert. Zum einen ist er durch die Digitalisierung in einer extremen ökonomischen Krise. Das spüren wir bei den öffentlich-rechtlichen Sendern eh noch am wenigsten. Zum anderen ist er unfassbar schnell geworden. Diese Kombination aus Kostendruck und extremen Tempo führt halt dazu, dass in den meisten journalistischen Tätigkeiten viel weniger Zeit und Ressourcen vorhanden sind. Ich konnte damals in den Anfangstagen als Außenpolitik-Redakteur noch zwei Wochen nach Südafrika oder Israel fahren, um eine halbstündige Radioreportage zu machen. So etwas wäre heute undenkbar. Ich müsste dafür an unzählige Abteilungen Beiträge verkaufen, um diese Reise finanziert zu bekommen. <BR />Dabei haben wir beim ORF noch gute Standards. Auf vielen Online-Plattformen ist Journalismus zu purer Fabrikarbeit geworden. Da kopieren Leute im Akkord Agenturmeldungen. Übrigens eine Art von Arbeit, die wohl nicht mehr lange existieren wird. Das wird in naher Zukunft von künstlicher Intelligenz erledigt werden.<BR />Es entsteht einfach wahnsinnig schnell ein enormer Druck. Nutzerzahlen werden heute viel mehr beobachtet. Zudem wird andauernd alles öffentlich bewertet. Der Beruf ist schon deutlich weniger lustig geworden, als er es war. Das alles sage ich aus einer gewissen Beobachtersituation, da ich mich ja in einer privilegierten Situation befinde. <BR /><BR /><embed id="dtext86-52503761_quote" /><BR /><BR /><b>Wo liegen für Sie die großen Herausforderungen Ihres Berufs als ZIB-2-Moderator?</b><BR />Wolf: Die größte Herausforderung ist sicherlich das Studio-Interview, das in der ZIB 2 ein wesentliches Element bildet. Das ist wirklich interessant, spannend und auch lustig. Für mich ist es auch der Grund, warum ich die ZIB 2 moderiere. Nur Moderationstexte vom Teleprompter ablesen, wäre ja nicht wahnsinnig aufregend und als tagesfüllender Job recht langweilig (lacht). Die Herausforderung ist eben das Interview. Das mache ich nun schon seit 20 Jahren und es macht mir immer noch gleich viel Spaß wie am ersten Tag. Ein Live-Interview im Fernsehen mit Profi-Interviewpartnern ist aber auch nicht ganz einfach und man kriegt es nie perfekt hin – also ich zumindest nicht.<BR /><BR /><b>Wie bereiten Sie sich auf ein Studio-Interview vor?</b><BR />Wolf: Der wesentlichste Teil der Vorbereitung besteht aus Nachdenken und der zeitaufwendigste Teil ist das Lesen. Ich versuche tatsächlich alles zu lesen, was der Gast in den letzten Wochen, Monaten oder überhaupt je zu dem Thema, zu dem er eingeladen ist, öffentlich gesagt hat. Dann versuche ich so sachkundig im Thema zu werden, dass ich merke, wenn mir ein Schmäh erzählt wird oder ich angelogen werde. Die Grundidee des Interviews ist ja, einen politischen Gast mit Kritik, Einwänden, Widerspruch und Gegenargumenten zu seiner politischen Position zu konfrontieren. So muss er im Idealfall seine politischen Vorhaben erklären und argumentieren und nicht nur verkünden und die Zuseher überlegen sich dann, ob sie das überzeugend finden. Dafür habe ich ein paar Stunden Zeit, da ich meist erst so zwischen zwei und fünf am Nachmittag weiß, wer am Abend zu Gast sein wird. Wenn ich mich in die meist eher komplexen Themen eingearbeitet habe, überlege ich mir meine konkreten Fragen. Ich habe ja meistens fünf bis acht Minuten Zeit. Realistisch kann man nicht mehr als eine Frage pro Minute in einem Fernsehinterview stellen. Ich muss also entscheiden, was jene fünf bis acht Fragen sind, die unbedingt gestellt werden müssen. Ein großer Fehler wäre es, wenn ich Dinge, die viele Zuseher interessieren, nicht frage und stattdessen unwichtigere Dinge anspreche.<BR /><BR /><b>Sie haben schon zahlreiche Persönlichkeiten interviewen dürfen. Gibt es dennoch spezielle Momente, die besonders hervorstechen?</b><BR />Wolf: Es gibt viele Interviews, an die ich mich gut erinnern kann. Mit Abstand am schwierigsten war Vladimir Putin. Der ist wirklich sehr schwer zu interviewen. Zudem waren die Umstände anders, weil das Interview nicht im ZiB 2-Studio stattfand, sondern im Kreml, im großen Präsidentenpalast. Rund herum standen zig Kameras vom russischen Fernsehen und 40 Sicherheitsleute. Das war sicher das größte Erlebnis.<BR />Sehr ungewöhnlich war – noch als Radioreporter – ein Interview mit Saddam Hussein in Bagdad. Das war durchaus skurril. Es war im Rahmen einer kleinen Pressekonferenz mit österreichischen Journalisten, weil damals der österreichische Präsident Kurt Waldheim in den Irak geflogen ist. Er verhandelte dort über die Ausreise von österreichischen Staatsbürgern. Es war 1991, kurz vor dem Irakkrieg. Das Interview war vor allem deshalb eindrucksvoll, weil hinter Saddam Hussein lauter Männer gestanden sind, die genauso ausgesehen haben wie er. Nur dass sie alle Uniformen und Maschinengewehre getragen haben. Es ist ein bisschen seltsam, wenn Sie versuchen, ein Interview zu machen und hinter dem Interviewpartner stehen mehrere Doubles mit Maschinengewehr. Da überlegt man sich kritische Fragen etwas besser (lacht). <BR />Interessant war natürlich auch dieses ziemlich berühmt gewordene Interview mit Herrn Stronach. Mit Richard Lugner hatte ich ein recht missglücktes Interview, als er Bundespräsident werden wollte. Auch ein Interview mit Erwin Pröll hat viel Aufsehen erregt. Vor allem bei Herrn Pröll, der sehr unglücklich darüber war. Insgesamt habe ich bisher über 2.500 Interviews in der ZIB 2 geführt. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="728354_image" /></div> <BR /><BR /><b>Mit der Reichweite sind auch viele Kommentare in den sozialen Netzwerken, positive wie negative, verbunden, wie gehen Sie damit um?</b><BR />Wolf: Das wird tatsächlich etwas mühsam. Es kommt natürlich auch viel Interessantes, wie auch per E-Mail. Der Unterschied ist, dass sich in den sozialen Medien erstaunliche viele Narren tummeln und sich bemüßigt fühlen, praktisch alles zu kommentieren, leider oft mit sehr viel mehr Meinung als Ahnung. Das Mühsame ist, dass das ja nicht, wie ein E-Mail, nur an einen persönlich gerichtet ist, sondern dass es öffentlich passiert. Dann gibt es auch noch einige seltsame Onlinemedien, die aus fünf blöden Kommentaren von irgendwelchen, meist auch noch anonymen Menschen sofort eine Geschichte stricken mit absurden Titeln wie „Wirbel, um...“ oder so ähnlich. Dabei hat das mit der Realität einfach nichts zu tun. Die ZiB 2 hat im Schnitt jeden Tag rund 800.000 Zuseher und wenn sich im Internet zehn Leute aufregen, dann ist das genau nichts und schon gar kein Wirbel. Aber dieses die ganze Zeit bewertet werden, ist schon auf eine gewisse Art anstrengend. Darüber darf man sich nicht beklagen, wenn man in der Öffentlichkeit arbeitet – das gehört dazu. Nur früher haben die Leute vor dem Fernseher die Sachen mit Freunden oder Familie diskutiert, aber heute kotzen sich viele gleich im Netz aus. Ich finde nicht, dass das den öffentlichen Diskurs besser gemacht hat. Glücklicherweise schreibt der Großteil der Menschen auf social media aber freundliche Sachen.<BR /><BR /><b>Gibt es auch Kommentare, bei denen Sie sich Gedanken machen?</b><BR />Wolf: Es gibt auch wirklich interessante Kommentare. Etwa wenn mich Leute auf Fehler aufmerksam machen. So etwas ist auch extrem praktisch während einer Sendung, denn dann kann ich die noch korrigieren. Oder auch, wenn wer ein gutes Argument hat, das mich wirklich zum Nachdenken bringt. Da habe ich auch kein Problem damit zurückzuschreiben: Sie haben recht, das hätte ich anders machen sollen. So eine Art Feedback finde ich tatsächlich interessant. <BR />Auf der anderen Seite gibt es halt auch Leute, die einen heftig beschimpfen. Da denke ich mir immer, was ist mit diesen Menschen los? Wie fad muss denen im Leben sein, dass sie derart aggressiv werden über jemanden, den sie gar nicht kennen und wie sehr kann einen ein Fernsehinterview erregen? Da kommen schon unglaubliche Sachen daher. Ich habe eine kleine Sammlung für Vorträge über social media, was ich da schon alles bekommen habe. Da denkt man sich teilweise, sind diese Leute irgendwo angrennt, oder was ist da los? Ein Kollege hat auf Twitter mal geschrieben „digitale Psychiatrie“ und manchmal kann man wirklich diesen Eindruck bekommen. <BR /><BR /><b>Sie kommen aus Tirol, haben aber auch eine spezielle Verbindung nach Südtirol...</b><BR />Wolf: Ich habe tatsächlich eine Beziehung zu Südtirol. Mein Urgroßvater Viktor Wolf von Glanvell hat praktisch die halben Dolomiten erstbestiegen. Er ist auch in Südtirol, in der Gemeinde Prags begraben. Ich habe ihn nicht mehr kennengelernt, da er 1905 in der Steiermark mit nur 33 Jahren tödlich abgestürzt ist. Es gibt am Pragser Wildsee einen Steig, der nach ihm benannt wurde. Vor ein paar Jahren ist ein Buch über ihn und zwei Kletterfreunde erschienen, das wurde in Südtirol präsentiert, da war ich auch selbst vor Ort. Das ist meine unmittelbarste Beziehung zu Südtirol. <BR />Zudem kommen auch noch zwei meiner engsten Freunde aus Südtirol: Franz Kössler, der lange ORF-Journalist war und der auch mit einer Südtirolerin verheiratet ist. Und Andreas Pfeifer, der lange Zeit die Außenpolitikredaktion am Küniglberg geleitet hat und jetzt in Berlin für den ORF tätig ist. Ich bin auch selbst sehr gerne in Südtirol. Wir fahren regelmäßig in ein sehr schönes Hotel bei Meran. Südtirol ist ein wirklich begnadeter Flecken Erde, der nur leider einen Nachteil hat – dass er so weit von Wien entfernt ist. Es ist wirklich schade, weil es sich so nicht ausgeht einfach für ein Wochenende mal hinzufahren. Aber ein Mal im Jahr versuchen wir schon hinzukommen.<BR />Ich fahre ja fast lieber nach Südtirol als in meine Heimatstadt Innsbruck – denn rein so von Wetter, Landschaft und Essen ist Südtirol schon der schönste Teil von Tirol. Die Leute dort sind schon ein bisschen privilegiert, muss ich sagen (lacht).<BR />