Zurufe von außen waren nie Michl Laimers Ding. Er plädiert aber für Grenzen im Tourismus.<BR /><BR /><b>Herr Laimer, 10 Jahre ohne Politik. Verlust oder Segen?</b><BR />Michl Laimer: Zuerst einmal staunt man, wie schnell die Zeit vergeht. Ich war fast 20 Jahre in der Politik. Es war eine spannende Zeit und ich war gerne Politiker, möchte jetzt aber nicht mehr zurück.<BR /><BR /><b>Wie war das in der ersten Zeit? Fällt man da in eine Art psychologisches Loch?</b><BR /> Laimer: Wenn man so hinauskatapultiert wird wie ich, ist man komplett draußen. Der Schnitt ist so radikal, dass man sich von der Last löst. Schrittweise habe ich mein Umfeld und auch mich selbst anders wahrgenommen. Als Politiker hat man kaum Privatleben. Alles, was man macht, wird beobachtet. Wenn ich heute mit meiner Familie einen Film im Kino sehen will, wählen wir ihn selbst aus. Als Politiker geht man hingegen hin, weil es Teil des Berufes ist. Früher saß ich in der ersten Reihe, inzwischen weiß ich, dass es auch angenehm sein kann, in der letzten Reihe Platz zu nehmen.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="767504_image" /></div> <BR /><BR /><b>Politiker werden oft als Getriebene der Medien beschrieben. Stimmt das?</b><BR />Laimer (lacht): Es ist ein Fakt, dass Politiker ihren Tagesablauf nicht selbst bestimmen. Faktoren von außen spielen wesentlich mit – darunter auch die Medien. Es reicht, dass ein Journalist ein Thema aufreißt, dann bestimmt das, womit man sich zu beschäftigen hat. Wie sehr man sich von Medien treiben lässt, entscheidet jeder selbst, aber sie bestimmen wesentlich mit, was Thema ist, wie lange es mit welcher Intensität gespielt wird und wer mitredet.<BR /><BR /><b>Zurück zum Ausstieg aus der Politik. Was hat Ihnen geholfen, neu durchzustarten?</b><BR />Laimer: Neben meiner Familie, die immer zu mir gestanden ist, der Umstand, dass es in der Familie einen Hotelbetrieb gibt, in den ich einsteigen konnte. Im Gegensatz zu anderen musste ich mich also nie fragen, was ich mit meiner Zeit tun soll. In einem Hotel gibt es immer Arbeit.<BR /><BR /><b>Michl, der Hotelier?</b><BR />Laimer: So abwegig war das nicht. Ich stamme ja aus einem bäuerlichen Gastbetrieb. Hier am Pacherhof habe ich mich dem Wein verschrieben und alle 3 Sommelier-Kurse absolviert. Wir haben den alten Hof mit seiner 1000-jährigen Wein-Geschichte rundum saniert, den Weinkeller erneuert. Hier konnte ich mich mit meiner Erfahrung mit Verwaltung und Raumordnung einbringen. Hinzu kommt, dass es keinen Ruhetag gibt. Das hat mein jetziger Beruf mit der Politik gemeinsam. <BR /><BR /><embed id="dtext86-54212258_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Ihr Hotel/Restaurant hat keinen Ruhetag?</b><BR />Laimer: Nein, und zudem muss jeder freie Tag eines Mitarbeiters von uns familienintern ersetzt werden. In großen Betrieben gibt es genügend Personal für eine Rotation, aber wir sind ein Familienbetrieb und müssen einspringen.<BR /><BR /><b>Bleibt da Zeit für die Familie? Sie haben 3 Kinder...</b><BR />Laimer: Ja, 3 Buben. Der erste ist 19, der zweite wird 18 und der dritte wird 15. Sie besuchen die Oberschule, helfen im Betrieb mit, sind aber grundverschieden. Der eine spielt Fußball, der andere ist bei der Jugend-Feuerwehr und der nächste reitet. Da ist immer was los. Mein Tag beginnt, indem ich mit den Buben frühstücke. Freilich, 5 Stunden am Stück mit der Familie sind im Gastgewerbe schwierig. Da muss man sich schon eigens einige Tage frei nehmen. Dafür haben unsere Kinder den Vorteil, dass ihre Eltern immer zu Hause anzutreffen sind.<BR /><BR /><b>Sie wurden mit 28 Jahren Landesrat. Wenn Sie heute die Zeit zurückdrehen könnten, würden Sie noch einmal den Weg in die Politik einschlagen?</b><BR /> Laimer: Schwierig zu beantworten. Aus der heutigen Sicht, wissend wie sich die Gesellschaft verändert hat und das Privatleben schätzend, wahrscheinlich nicht mehr. Das heißt aber nicht, dass ich meine Zeit als Politiker nicht geschätzt habe. Es war eine spannende Zeit, wir haben einiges bewegt und im Klimaschutz große Schritte gesetzt. In der Politik verdient man gut, aber das geht anderswo auch. Wer des Geldes wegen in die Politik geht, wird sich nie wohl fühlen. Als Arzt, Politiker und Gastwirt braucht es eine Berufung – wohl wissend, dass man es in der Politik eh niemandem recht machen kann. Manche verstehen unter Politik, das zu tun, was die Leute wollen. Hätten wir das getan, gäbe es im ganzen Land keine Kläranlagen, denn jeder will sie, aber keiner bei sich und in seinem Dorf.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="767507_image" /></div> <BR /><BR /><b>Sie sind nach wie vor ein politischer Mensch. Hat sich die Politik in 10 Jahren verändert?</b><BR />Laimer: Die Gesellschaft ist individualistischer geworden. Am Start standen die Landesinteressen im Vordergrund, dann kam die Zeit der Verbandsinteressen, mit oft zähem Ringen zwischen Wirtschaft und Arbeitnehmern. Es folgten die Ortsinteressen und jetzt sind es singuläre Interessen. Parallel klafft die Gesellschaft auseinander. Es gibt reiche Leute und jene, die kaum über die Runden kommen. Inflation, Energiepreise, steigende Kosten: Die Mittelschicht wird kleiner, viele rutschen ab.<BR /><BR /><b>Trotzdem leistet sich die SVP seit 2 Monaten den Luxus interner Streitigkeiten in der Abhöraffäre. Zu Recht?</b><BR /> Laimer: Die Politik ist kein Bereich, wo man sich lieb hat. Es ist aufgebrochen, was sich lange Zeit angestaut hat. Jetzt ist ein Reinigungsprozess angesagt und man wird sich einigermaßen finden, das Emotionale beiseite legen. Mehr will ich dazu nicht sagen. Ich habe 10 Jahre keine Ratschläge gegeben. Das Wort Ratschlag birgt nämlich den Begriff Schlag in sich – und als solcher werden Ratschläge mitunter auch empfunden. Zudem bin ich jetzt ein einfacher Bürger, der die Politik zwar verfolgt – aber wie durch eine Glasscheibe hindurch, dank der das Emotionale nicht mehr mitschwingt.<BR /><BR /><b>In der Politik muss man sich nicht lieben, aber gibt es Freundschaften, die bleiben?</b><BR />Laimer: Natürlich. Freunde verliert man nicht, wenn es einem nicht gut geht – im Gegenteil, sie werden sichtbar.<BR /><BR /><b>Sie waren Urbanistik- und Umweltlandesrat und sind jetzt Hotelier. Braucht Südtirol einen Bettenstopp?</b><BR />Laimer: In einem Raum mit begrenzten Ressourcen kann es nicht unbegrenztes Wachstum geben. Da muss man kein Physik-Genie sein.<h3> „Landesformel funktioniert nicht“</h3><b>Also sind Sie dafür, wenn es künftig in Neustift keine neuen Betten mehr gibt?</b><BR />Laimer: Die Destination Brixen, Vahrn, Franzensfeste hat 800.000 Nächtigungen, Schenna allein eine Million. Eine Landesformel drüberzustülpen, wird nicht funktionieren. Es gibt Gegenden, wo die Grenze überschritten ist, andere sind an der Grenze und dritte, wo man froh sein muss, wenn sich noch etwas tut, weil Arbeitsplätze geschaffen werden, die das ganze Tal braucht. Es gibt bekanntlich nichts Ungerechteres, als Ungleiches gleich zu behandeln. Trotzdem ist eine Begrenzung im Interesse des Tourismus.<BR /><BR /><b>Angenommen einer Ihrer Söhne möchte in die Politik. Würden Sie zu- oder abraten?</b><BR />Laimer: Weder noch. Wir mischen uns als Eltern da nicht ein. Wir begleiten sie, geben Herzensbildung mit und erziehen sie zur Selbstständigkeit, aber auf etwas hinlenken? Sicher nicht. Und wenn einen doch die Politik reizt, so braucht es Herzblut. Verantwortung tragen und entscheiden ist schön, man steht aber immer im Rampenlicht. Insgesamt würde sich aber vieles ins Positive ändern, wenn Junge an die Schalthebel kämen.<BR /><BR /><b>Was würde sich ändern?</b><BR />Laimer: Die heutige Generation definiert Wohlstand über Haben, die Jugend über Sein. Sie will nicht Gewinnmaximierung. Logisch braucht jeder Geld. Das Problem ist nicht Haben, sondern Habgier. Heruntergebrochen auf den Tourismus heißt das, dass Destinationen, die auf Raubbau der Natur setzen, keine Zukunft haben. Mein Sohn sagte letztes Jahr, wenn wir nach Sardinien in den Urlaub fliegen, bleibt er daheim und hat es durchgezogen. Die Leute wollen kein Verpackungsmaterial beim Frühstück und keinen Fisch von weiß Gott woher. Die Globalisierung ist gescheitert, die Zukunft wird den ganz kleinen Kreisläufen gehören. <BR /><BR />