Philipp Achammer spricht auch über die schwierigen Zeiten seit den Wahlen und erklärt seine Beweggründe, nicht mehr als Parteiobmann zu kandidieren.<BR /><BR /><b>Das Ergebnis der Landtagswahlen am 22. Oktober hat ein mittleres politisches Erdbeben in Südtirol nach sich gezogen. Wie groß war die Erschütterung bei Ihnen persönlich?</b><BR />Philipp Achammer: Mit einer einfachen Wahl war nicht zu rechnen, angesichts verschiedener Umstände und der aktuellen Stimmungslage. Momentan erleben wir eine Zeit der Zersplitterung und der Polarisierung, das zeigen Wahlgänge in ganz Europa. Dennoch hätten wir uns ein besseres Ergebnis erhofft. Allemal ist es ein ehrliches Ergebnis, und dieses ist als solches zu akzeptieren. Deswegen gibt es von meiner Seite auch kein Hadern und kein Jammern. Ich schaue lieber nach vorne und arbeite dafür, dass es bei den nächsten Wahlen wieder besser läuft. <BR /><BR /><b>Apropos nächste Landtagswahlen: Wegen der Mandatsbeschränkung ist die aktuelle 3. Legislaturperiode ihre letzte als Landesrat. Was folgt danach? Haben Sie sich darüber schon Gedanken gemacht?</b><BR />Achammer: Ich sehe dem gelassen entgegen. In meiner Lebensplanung sah ich nie vor, ein ganzes Leben lang Politiker zu sein. Ich habe mich ja selbst schon immer für die Mandatsbeschränkung eingesetzt. Luis Durnwalder hatte mir mal gesagt: Du wirst sehen, das wirst du selber mal bereuen! Allerdings ist das überhaupt nicht der Fall, denn dieser Job ist ein Leben lang kaum machbar, vor allem auch deshalb, weil der Druck und die Geschwindigkeit massiv zugenommen haben. Ich kann nicht sagen, was in 5 Jahren sein wird, aber wenn es nicht die Politik ist, dann kann ich mir gut vorstellen, einem anderen Beruf nachzugehen. Ich bin ja noch jung, und wer mich kennt, weiß, dass ich mich bei der Arbeit nicht schone. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="994885_image" /></div> <BR /><BR /><b>Wie bewerten Sie als SVP-Obmann die Wehen bei der neuen Regierungsbildung? Turbulenter geht‘s ja kaum, oder?</b><BR />Achammer: Schwierig. Es war aber klar, dass die Zersplitterung in der Parteienlandschaft sich auch bei der Regierungsbildung zeigt. In Südtirol hat es noch nie eine 5-Parteien-Mehrheit gegeben, jede Partei will dann auch ihren Fingerabdruck im Regierungsprogramm hinterlassen. Ich glaube, das ist eine zentrale Erklärung für die Turbulenzen in den vergangenen 3 Monaten. <BR /><BR /><b>Gibt es weitere Erklärungen? </b><BR />Achammer: Es ist nie hilfreich, wenn die Diskussionen um die Funktionen in der Öffentlichkeit stattfinden. Das gehört hinter verschlossenen Türen vereinbart, und danach muss es passen. <BR /><BR /><b>Viel Aufregung gab es in der Öffentlichkeit auch um die Bildung der Regierungskoalition, wie wir sie jetzt haben ...</b><BR />Achammer: Sicher, aber es gab genauso viele Stimmen, die diese Entscheidungen nachvollziehen können. Unterm Strich zählt, was nun gemacht wird. Aus autonomiepolitischer Sicht bietet sich uns nun eine einzigartige Chance. Die Ergebnisse werden zeigen, dass es die richtige Entscheidung war. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="994888_image" /></div> <BR /><BR /><b>Am 5. Februar haben Sie mitgeteilt, nach 10 Jahren nicht mehr für das Amt des Obmanns zur Verfügung zu stehen. Sie haben den Entschluss damit begründet, das Gefühl zu haben, dass eine andere Person an der Parteispitze hilfreicher sein könnte. Was für eine Person braucht die SVP aus Ihrer Sicht?</b><BR />Achammer: Wenn eine Partei Verluste von über 7 Prozentpunkten einfährt, wie es bei uns der Fall war, dann wird selbstverständlich der Ruf nach Konsequenzen laut. Und das sehe ich auch ein. Deshalb habe ich mir die Frage gestellt, ob ich der Partei hilfreich sein kann und ob ich noch die richtige Person bin, sie zu führen und eine Trendwende herbeizuführen. Nach den vielen Diskussionen bin ich zum Entschluss gekommen, einen Schritt zurückzutreten, weil nun vielleicht eine andere Person der Sache besser dienen kann. Dennoch will ich mit voller Kraft weiterarbeiten, um den Trend umzukehren. <BR /><BR /><b>Sie gelten als guter Rhetoriker und Mann des Ausgleichs. Bräuchte es öfter mal klare Ansagen, damit Ruhe einkehrt?</b><BR />Achammer: Ich kann das nicht sagen, ich weiß es nicht! Manche fordern eine klarere Kante, gleichzeitig habe ich oft vernommen, dass es die SVP wohl nicht mehr geben würde, wenn ich nicht immer versucht hätte, ausgleichend zu sein. Dafür habe ich auch meine Person hinten angestellt. Ich bin überzeugt, dass es gerade in unseren Zeiten richtig ist, als Parteiobmann ausgleichend und moderierend zu sein, denn sonst kann man irgendwann nur mehr die Stücke bzw. Scherben zusammenkehren. <BR /><BR /><b>Liegt gerade hier die Krux begraben: Kann die Sammelpartei noch als solche bezeichnet werden? Oder wird sie von den einzelnen Strömungen bzw. Interessengruppen zerrissen? </b><BR />Achammer: Zunächst einmal ist es gut und in Ordnung, wenn die unterschiedlichen Interessen vertreten sind. Allerdings ist wichtig, dass jede Interessengruppe auch zu Kompromissen bereit ist. Im Interesse des Gesamten muss man eben auch mit 60 oder 70 Prozent zufrieden sein. Gerade das ist ein wesentlicher Punkt meiner Kritik: Bei jeder Interessengemeinschaft muss auch Kompromissbereitschaft gegeben sein. Und klar, die Unruhen sind eben vor allem auf die zunehmend akzentuierten Positionen und Polarisierungen zurückzuführen. Diese Tendenzen zeigen sich grundsätzlich deutlich in der Politik und in der Gesellschaft. Konsenspositionen dagegen gefallen oft nicht. Damit hatte ich oft zu ringen, aber man kann doch nicht bloß Polemik produzieren. Es sind Herausforderungen, denen sich auch der nächste Obmann zu stellen hat. Als Parteiobmann hatte ich meinen Stil, nun wird jemand anderer mit einem anderen Stil kommen.<BR /><BR /><b>Vor fast 20 Jahren haben Sie in der Politik Fuß gefasst, damals als Ortsjugendreferent der Jungen Generation in der SVP in Niedervintl. Welche waren die dicksten Bretter, die Sie zu bohren hatten?</b><BR />Achammer: Man braucht ganz gewiss eine dicke Haut. Als Parteiobmann braucht es Stressbereitschaft und Krisenbeständigkeit, außerdem viel Ruhe und Geduld.<BR /><BR /><embed id="dtext86-63403978_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Was hat Ihnen in all den Jahren die meisten Nerven gekostet? </b><BR />Achammer: Das war die Geschichte mit den Abhörungen, das gebe ich zu. <BR /><BR /><b>Was möchten Sie in Ihrem Ressort nun angehen?</b><BR />Achammer: Es gibt viele Projekte, die ich fortsetzen kann. Ich kenne ja die Themenbereiche bereits und verliere keine Zeit, was von Vorteil ist. Grundsätzlich ist es mir wichtig, kein Blockierer, sondern ein Ermöglicher zu sein. Deshalb möchte ich auch neue Wege andenken und neue Initiativen fördern. <BR /><BR /><b>Auch Wissenschaft und Innovation gehören zu Ihrem Ressort. Was tun gegen Fachkräftemangel und Brain Drain?</b><BR />Achammer: Damit sind mehrere Punkte verbunden, etwa das Thema Wohnen, die Möglichkeiten in anderen Städten und Ländern sowie die demographische Entwicklung. Was es aber an Möglichkeiten gibt, um hier entgegenzusteuern, das muss gemacht werden.<BR /><BR />ZUR PERSON<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="994891_image" /></div> <BR /><BR />Philipp Achammer, geboren am 4. Juli 1985 in Brixen, hat nach der Matura am Realgymnasium in Innsbruck Rechtswissenschaften studiert, dieses jedoch nicht abgeschlossen. Sein politischer Werdegang begann 2003 als Ortsjugendreferent der Jungen Generation der SVP von Niedervintl. <BR />Nach Funktionen als Landesjugendreferent und Landessekretär der SVP wurde er im Oktober 2013 als jüngster Abgeordneter in den Landtag gewählt. Zugleich übernahm er in der neuen Landesregierung die Ressorts Deutsche Bildung und Bildungsförderung. Im Mai 2014 erfolgte die Wahl zum Parteiobmann. Bei den Wahlen 2018 und 2023 gelang ihm erneut der Sprung in den Landtag und die Bestätigung als Landesrat.<BR /> In seiner Freizeit unternimmt er gerne Bergtouren. Seit September 2017 ist Achammer mit Nicole Uibo, „Zett“-Miss Südtirol 2016, verheiratet. Das Paar lebt mit Sohn Paul Anton (3) in Mühlbach.