<b>Herr Andreaus, Sie setzen sich mit Ihrer Verbraucherschutzorganisation „Robin“ seit Langem für einen besseren und größeren öffentlichen Zugang zum Kalterer See ein. Nun haben Sie angekündigt, beim Verwaltungsgericht Bozen Rekurs einzureichen. Worum geht es bei diesem Rekurs konkret?</b><BR />Walther Andreaus: Ziel des Rekurses ist, dass die europäische Bolkestein-Richtlinie, also die EU-Dienstleistungsrichtlinie aus dem Jahr 2006, endlich umgesetzt wird.<BR /><BR /><b>Was besagt diese Richtlinie?</b><BR />Andreaus: Der Kalterer See ist öffentliches Gewässer, er gehört also nicht privaten Eigentümern. Alle Stege, die im See errichtet wurden, müssten daher öffentlich ausgeschrieben und die entsprechenden Konzessionen im Rahmen eines transparenten und öffentlichen Wettbewerbsverfahrens vergeben werden. Das ist bislang nie geschehen – und genau das beanstanden wir. Übrigens betrifft das nicht nur den Kalterer See, sondern alle öffentlichen Gewässer.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1196559_image" /></div> <BR /><BR /><b>Über wie viele Stege am Kalterer See sprechen wir konkret?</b><BR />Andreaus: Insgesamt handelt es sich um 68 Stege, für die seit Inkrafttreten der Bolkestein-Richtlinie nie eine öffentliche Ausschreibung erfolgt ist. Wir haben dazu Gutachten der EU-Kommission und der Wettbewerbsbehörde eingeholt – beide bestätigen, dass dieser Zustand nicht rechtskonform ist.<BR /><BR /><b>Die meisten dieser Stege befinden sich aber im Eigentum von Privatpersonen. Das bedeutet, es müsste für jeden einzelnen eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?</b><BR />Andreaus: Genau so ist es. Und das fordern wir ein. Die öffentliche Hand – also das Land Südtirol und die Gemeinde Kaltern – ist verpflichtet, das EU-Recht umzusetzen und die Konzessionen für alle 68 Stege auszuschreiben. Derzeit gelten die Stege automatisch als Eigentum der jeweiligen Grundbesitzer – das ist rechtlich unzulässig. Jeder Bürger muss die Möglichkeit haben, sich im Rahmen eines öffentlichen Verfahrens um eine Konzession zu bewerben.<BR /><BR /><b>Angenommen, die Stege werden öffentlich ausgeschrieben – wie kommen die Bürger dann überhaupt zu den Stegen, wenn sie durch Privatgrund müssen?</b><BR />Andreaus: Genau darin liegt das nächste Problem. Bevor überhaupt eine Ausschreibung erfolgen kann, muss das Land mit den betroffenen Grundeigentümern verhandeln, damit diese einen Streifen ihres Grundstücks – ein paar Meter vom Seeufer – abtreten. Nur so kann ein öffentlicher Zugang zu den Stegen gewährleistet werden. Darüber hinaus braucht es freie, ungehinderte Wege zu den Stegen. Diese dürfen künftig nicht mehr abgesperrt werden. Kommt es in den Verhandlungen zu keiner Einigung, bleibt als letztes Mittel die Enteignung.<BR /><BR /><b>Das heißt, die Eigentümer sollen Teile ihres Grundstücks abtreten, damit der Zugang gewährleistet ist?</b><BR />Andreaus: Genau. Das kann freiwillig im Rahmen von Verhandlungen zwischen Land und Eigentümern geschehen – oder, falls nötig, durch Enteignung. Und sollte auch das nicht umgesetzt werden, fordern wir die Einsetzung eines Kommissärs, der die entsprechenden Maßnahmen in die Wege leitet.<BR /><BR /><b>Wann genau wollen Sie die Klage beim Verwaltungsgericht Bozen einreichen?</b><BR />Andreaus: Nach Ende der Gerichtsferien, spätestens bis Ende September.<BR />Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten Ihrer Klage ein?<BR />Andreaus: Sehr gut. Sowohl die zuständigen Stellen der EU-Kommission als auch die Wettbewerbsbehörde haben bestätigt, dass Land und Gemeinde Kaltern ihren Verpflichtungen nicht nachkommen. Daher gehen wir von einer hohen Erfolgschance aus.