Ziel ist es, die Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen: Die betreffenden Universitäten werden von „öffentlichen Treuhandstiftungen“ getragen, die nicht den EU-Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge unterliegen und denen Personen mit engen Beziehungen zur Regierung angehören. Es ist tatsächlich schwer vorstellbar, dass eine derart verfehlte und kontraproduktive Entscheidung getroffen wurde.<BR /><BR />Die Europäische Union ist angesichts möglicher Korruption und Interessenkonflikte selbstverständlich rechtlich befugt und verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich des Einfrierens oder der Streichung bestimmter Mittel. Doch es wird weitaus mehr schaden als nützen, ungarischen Universitäten den Zugang zu Mitteln aus Erasmus+ und Horizon Europe zu versperren.<BR /><h3> Was nützt es Europa, wenn seine jungen Menschen keine Verbindungen zu ihren ungarischen Altersgenossen haben?</h3>Erasmus+-Mittel ermöglichen Studierenden einen Aufenthalt an einer ausländischen Universität. In den vergangenen drei Jahrzehnten haben mehr als zehn Millionen junge Menschen – das entspricht der gesamten ungarischen Bevölkerung – von Erasmus+ (und seinen Vorgängerprogrammen) profitiert, was es zu einem der stärksten europäischen Instrumente zur Förderung der Integration macht. Im Jahr 2020 nahmen mehr als 22.000 Ungarinnen und Ungarn an Erasmus+-Austauschprogrammen teil.<BR /><BR />Die Vorteile von Erasmus+ gehen weit über Bildungsinhalte hinaus. Das Programm ermöglicht es jungen Menschen in einer Lebensphase, in der sie ihre Weltanschauung entwickeln und ihre Zukunft planen, Kontakte mit ihren europäischen Studienkollegen zu knüpfen und Freundschaften zu schließen. Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass der Kontakt mit fremden Kulturen Menschen – insbesondere die Jugend – offener und toleranter macht. Wie sollen europäische Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gefördert werden, wenn man ungarische Studierende daran hindert, diese Erfahrung zu machen? Was nützt es Europa, wenn seine jungen Menschen keine Verbindungen zu ihren ungarischen Altersgenossen haben? <BR /><BR />Das Programm Horizon Europe – das Forschenden aus der gesamten EU die Zusammenarbeit ermöglicht, um Innovationen im öffentlichen Interesse voranzutreiben – ist nicht anders. Das Vorgängerprogramm Horizon 2020 stellte rund 80 Milliarden Euro für Forschungsarbeiten bereit, an denen nicht nur EU-Länder, sondern auch über ein Dutzend Nicht-EU-Partner wie Israel und die Türkei beteiligt waren. Das Budget von Horizon Europe ist sogar noch größer: 95,5 Milliarden Euro. Der freie Zugang zu den Forschungsergebnissen ist für alle Projekte verpflichtend, was die Wirkung des Programms verstärkt.<BR /><BR />Sowohl Erasmus+ als auch Horizon Europe fördern die Zusammenarbeit und die Integration – die Säulen der Stärke und des Einflusses Europas. Bei den Begünstigten handelt es sich vorwiegend um aufgeschlossene, pro-europäische Menschen, die im Allgemeinen nicht über politischem Einfluss verfügen, auch wenn einige – vor allem junge Menschen – dazu übergehen könnten, Regierungen kritisch zu hinterfragen, die sich über europäische Werte hinwegsetzen.<BR /><BR />Erasmus+ und Horizon Europe begünstigen keine machtpolitischen Akteure, weder in Ungarn noch anderswo. Erasmus+ bietet keine größeren Zuwendungen, sondern nur Einzelstipendien für Studierende. Horizon Europe stellt zwar etwas höhere Beträge zur Verfügung – im Durchschnitt etwa 1 Million Euro –, doch diese Stipendien werden an Teams aus etwa fünf Forschenden vergeben und über mehrere Jahre hinweg ausgezahlt. Bei milliardenschweren Infrastrukturprojekten können erhebliche Risiken in Bezug auf Korruption oder Interessenkonflikte bestehen, die angegangen werden müssen; bei Erasmus+ und Horizon Europe ist dies nicht der Fall. <BR /><h3> Einfrieren der Beiträge für die Universität ist kontraproduktiv</h3>Darüber hinaus haben einige ungarische Einrichtungen, wie die Corvinus-Universität Budapest (deren Rektor einer der Verfasser ist), Regeln für eine wettbewerbsorientierte Auftragsvergabe eingeführt, um Good Governance zu gewährleisten. Von 2014 bis 2020 erhielt die Corvinus-Universität 3,6 Millionen Euro an Horizon 2020-Forschungsmitteln für elf Projekte. Vor dem Aussetzungsbeschluss hatte die Corvinus-Universität allein im Jahr 2022 vier Millionen Euro an Horizon Europe-Fördermitteln erhalten. Das Einfrieren weiterer Beiträge für die Universität ist eindeutig kontraproduktiv.<BR /><BR />Nachdem das Vereinigte Königreich für den Austritt aus der EU gestimmt hatte, wurde es von Erasmus+ und Horizon 2020 ausgeschlossen. Doch diese Entscheidung wurde von den Briten getroffen – und von EU-Staats- und Regierungschefs beklagt. Und die Entscheidung wurde bald teilweise wieder rückgängig gemacht. Das Vereinigte Königreich erkannte, wie töricht es war, die Forschungsbeziehungen zur EU zu kappen, und handelte Ende 2020 Zugang zu Horizon Europe aus.<BR /><BR />Jetzt ist es die EU, die die Führung dabei übernimmt Partner von diesen wichtigen Programmen auszuschließen, die nicht nur Lernen und Innovation, sondern auch den Austausch von Werten und Kultur fördern – die Bausteine eines erfolgreichen, vereinten Europas. In ihrem Bemühen, den Anschein zu erwecken, dass sie die EU stärkt, tut die Europäische Kommission das Gegenteil.<h3>EU soll Entscheidung rückgängig machen</h3>Die EU sollte denjenigen die Stirn bieten, die sie destabilisieren, aber das sind weder Erasmus+ Studierende, noch Horizon Europe-Forschende. Bestraft man sie für die Handlungen der führenden Politiker ihres Landes, bestraft sich Europa selbst. Deshalb muss die Europäische Kommission ihre Entscheidung, die Förderung ungarischer Einrichtungen einzustellen, dringend rückgängig machen und alle ungarischen Studierenden und Forschenden wieder in EU-Programme aufnehmen.<BR /><BR />Junge Menschen sind unsere größte Hoffnung für eine bessere Zukunft. Wir sollten ihnen jede Möglichkeit geben, zu lernen, zu wachsen und Kontakte zu knüpfen, anstatt sie von ihrer eigenen Zukunft abzuschneiden.<BR /><BR />Aus dem Englischen von Sandra Pontow<h3> Zu den Autoren</h3>Előd Takáts ist Rektor der Corvinus-Universität Budapest. Piroska Nagy Mohacsi ist Gastprofessorin an der London School of Economics and Political Science.<BR /><BR />Copyright: Project Syndicate, 2023.<BR /> <a href="https://www.project-syndicate.org/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.project-syndicate.org</a><BR /><BR />