Die von SEL AG und Edison gegründete gemeinsame Firma „Hydros“ sei ein „schlechtes Geschäft“ für die Südtiroler, hatten die Grünen kritisiert.Am heutigen Mittwoch folgte Klappe die Zweite: Die Landtagsabgeordneten der Grünen, Hans Heiss und Riccardo Dello Sbarba, legten auf einer Pressekonferenz in Bozen Details der Verträge zwischen der SEL AG und der ENEL offen.Ihr Fazit: Ein Spatz wurde für einen Adler verkauft, die Unterschrift unter einen schlechten Deal gesetzt.“ENEL hat verloren, aber dennoch gewonnen“Der Vorwurf, der am schwersten wiegt: Nur um einen möglichen Rekurs vonseiten der ENEL zu verhindern, sei die SEL AG und damit das Land Südtirol 2008 ein Tauschgeschäft mit dem Energiegiganten ENEL eingegangen, um den Wettbewerb für zwölf Konzessionen für Großableitungen zu gewinnen.Dabei wurde festgelegt: Wer immer den Wettbewerb für sich entscheide, sollte die Konzessionen in SE Hydropower einbringen. An der neuen Gesellschaft sollte die SEL 60 Prozent, für den Wert der Konzessionen, und die ENEL 40 Prozent, für die eingebrachten Anlagen, halten.„Die SEL und das Land befürchteten wegen ihrer Interessenkonflikte allfällige Rekurse. Aus Angst vor der ENEL, entschieden sie sich gegen eine alleinige Teilnahme der SEL am Wettbewerb und damit gegen ein lukratives Energiegeschäft für Südtirol. Die SEL hätte nämlich im Alleingang die Konzessionen für sich entscheiden können. Stattdessen ist man faule Kompromisse mit der ENEL eingegangen. Wohlwissend, dass die ENEL mit ihren Projekten, die sie vorgelegt, keine einzige Konzession erhalten hätte“, kritisierte Dello Sbarba.„Faule Kompromisse“Kompromisse, die laut Grüne, fatale Folgen für Südtirol haben könnten. Denn: Die Verträge, die 2008 und 2009 abgeschlossen wurden, um den Wettbewerb für zwölf Konzessionen für Großableitungen in Südtirol zu gewinnen, sollen eine Reihe von Knebel-Klauseln enthalten.Erstens: „Die ENEL wird weiterhin mindestens 40 Prozent unserer Energie bis zum Jahr 2040 nutzen“, so Dello Sbarba. Zweitens: Der Wert, der von der ENEL eingebrachten Kraftwerke sei mit 340 Millionen Euro überschätzt worden.„Die SEL wusste seit 2005, dass ein großer Teil der Anlagen völlig auszutauschen war. Im Gegensatz zu dieser Überbewertung wurden die auf 30 Jahre laufenden Konzessionen, die Milliarden von Einnahmen abwerfen, maßlos unterbewertet“, gab Dello Sbarba zu bedenken.„Knebel-Klausel des Ausgleichs“Drittens: Im Vertrag sei eine „Knebel-Klausel des Ausgleichs“ besiegelt worden. Im Klartext bedeute dies: Die SEL AG sei – bereits vor dem Ausgang der Wettbewerbe – vertraglich dazu verpflichtet worden, alle Konzessionen zu erringen.Für jede nicht erworbene Konzession habe der Vertrag eine Entschädigungszahlung bzw. Ausgleichszahlung an den Energiekoloss ENEL vorgesehen.„Der Vertrag mit der ENEL war auch mit nur einer Konzession gültig. Die SEL müsste im Fall einer Niederlage zugunsten von ENEL Hunderte Millionen Euro erlegen, ohne irgendeinen Erfolg davon zu tragen. Die verlorene Konzession für das Kraftwerk Mühlbach hat SEL acht Millionen Euro gekostet. Der allfällige Verlust von St. Anton würde 24,4 Mio. Euro kosten“, fasste Dello Sbarba zusammen.Weitere Millionen könnten folgen, da die Staatsanwaltschaft im Zuge der Ermittlungen zu den SEL-Geschäften die Vergabe der Konzessionen für die zwölf Kraftwerke neu überprüfe. Es sei nicht auszuschließen, dass die SEL weitere Konzessionen verliere und „Millionen Euro fällig werden“, warnte Dello Sbarba.Grüne kritisieren „Interessenkonflikt“Die Grünen empört vor allem eines: Das Land habe diese Klauseln gekannt und gewusst, dass die SEL für jede nicht von der Landesregierung zuerkannte Konzession viele Millionen Euro zahlen müsse.„Auch die Gemeinden haben an den Wettbewerben teilgenommen. Aber falls sie verloren hätten und leer ausgegangen wären, hatte das Land keinen Schaden zu befürchten“, unterstrich Dello Sbarba.Netz ohne KundenDem nicht genug: Obwohl mit den Verträgen auch ein Übergang der Kunden möglich gewesen sei, habe die SEL am Ende nur das alte Stromnetz um 79 Mio. Euro erhalten, während die Kunden bei ENEL verblieben seien.Im Trentino hingegen habe die Landesgesellschaft SET mit dem Netz auch die Belieferung von 223.000 Kunden erhalten, verwies Dello Sbarba auf das Vorgehen in der Nachbarprovinz.SEL verkauft weniger StromAuch was die Steuern betreffe, sei der Deal mit der ENEL kein gutes Geschäft.„Die ENEL zahlt an SE Hydropower einen Jahreszins, der einen Gewinn von acht Prozent abwirft. Im Gegenzug erhält ENEL sämtliche erzeugte Energie von 2,2 Mio. MWh pro Jahr, verkauft sie und behält die Gewinne. SEL kann von SEL-Trade eine Energiequote bis zu 60 Prozent der Produktion von SE Hydropower verlangen. Aber gelingt es SEL auch, die gesamte Quote abzurufen? Es sieht nicht danach aus“, kritisierte der Landtagsabgeordnete der GrünenSEL und SE Hydropower zahlten ihre Steuern in Südtirol, aber die ENEL in Rom, was dazu führe, dass das Land niedrigere Steuereingänge verbuche: „In 30 Jahren Konzessionsdauer werden dies Hunderte von Millionen sein“, betonte Riccardo Dello Sbarba.Zeichen stehen weiterhin auf AngriffDie Opposition will nicht aufgeben: Ihre Zeichen stehen weiterhin auf Angriff. Während die Staatsanwaltschaft ermittelt und täglich neue Details über die SEL-Geschäfte veröffentlicht werden, wollen die Grünen vor allem eines: dass Klarheit geschaffen wird, und dass ein „schlechtes Geschäft“ nicht für einen Super-Deal verkauft werde.joi