Seinen Anwälten dürften schon noch einige Schachzüge einfallen. Während bis zum Prozess des Jahres noch viel Zeit vergeht, stehen Berlusconi Bewährungsproben bevor, die schwerwiegend genug sein könnten für ihn und die Zukunft des Landes: Wichtige Weichenstellungen im Parlament, in dem sich der Medienzar bei jedem Vertrauensvotum eine ausreichende Mehrheit sichern muss.Mehr als 24 Stunden und ein nächtliches Krisentreffen mit seinem Bündnispartner Umberto Bossi von der Lega Nord waren notwendig, um Berlusconi nach der (absehbaren) Hiobsbotschaft aus Mailand wieder aufzurichten. Die „Tauben“ in seiner Partei PdL sollen ihn am Dienstag daran gehindert haben, von Sizilien aus sofort mit neuen Breitseiten auf die verhasste Mailänder Justiz zu schießen. Zwischen Wut und Bitterkeit habe er einmal mehr alles hinschmeißen wollen, heißt es in einem Lagebericht. Am Tag danach hatte sich der Cavaliere dann wieder gefangen. „Ich kann jetzt nur eines sagen: Ich bin überhaupt nicht besorgt“, wehrte er am Mittwoch die bohrenden Fragen der Journalisten zu der brisanten Anklage gegen ihn ab. Er gedenke vor allem seine wackelige Mehrheit schon in den nächsten Tagen bombensicher zu machen. Das verlangt allen voran Bossi von ihm. Er will mit einer Föderalismusreform mehr für den Norden herausholen. Und Berlusconi braucht Bossi unbedingt.Angeschlagen nach dem Bruch mit seinem ehemaligen Bündnispartner Gianfranco Fini hängt der Medienmogul seit dem Sommer 2010 mehr denn je vom Koalitionspartner Bossi ab. Damit dürfte sich Berlusconis politisches Schicksal und damit das seiner Mitte-Rechts-Regierung zunächst weiterhin vor allem im Parlament in Rom entscheiden – und dann womöglich vor den Mailänder Richterinnen.„Wir sind uns einiger denn je und werden bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 weiterregieren“, so Berlusconi schon wieder vollmundig nach dem Notstandstreffen mit Bossi. Ob dem so ist, wird sich in der nahen Zukunft zeigen. Erreicht der so schwierige und so wichtige Partner Bossi im Parlament wegen schwächelnder Mehrheiten nicht das, was er jeden Tag neu verlangt, dürfte die Lega auf einen vorgezogenen Urnengang pochen. Diesen muss sie nicht fürchten, wohl aber – nach jüngsten Umfragen – Berlusconi. Was neu für den selbstbewussten Cavaliere ist, der doch auf Italiens Wähler baut.„Das Maß ist voll“, kommentiert die Berlusconi-feindliche Tageszeitung „La Repubblica“ am Mittwoch die Lage. Wie die bisher glücklose linke Opposition plädiert das Blatt für Neuwahlen – als „letzten Ausweg“ aus dem Sumpf der Skandale, in die Berlusconi das Land gezogen habe. Doch dieses könnte auch Wunschdenken bleiben. Berlusconi hatte sich nach der juristischen Bombe aus Mailand zunächst in seinem römischen Palazzo Grazioli eingeigelt – wie es hieß, um mit seinen gewieften Anwälten eine Verteidigungsstrategie zu besprechen.„Das ist ein Staatsstreich, sie wollen mich nicht weiterregieren lassen“, soll Berlusconi zuvor gegen diese „roten“ Richter gewettert haben, die ihn seit vielen Jahren verfolgten. Tatsächlich scheint der Justiz nahezu jeder Hebel recht, wenn es um Berlusconi geht. Außerdem kann man immer schön ausgebreitet in der Presse lesen, was es Neues und Anzügliches über Berlusconi in den Ermittlungen so gibt. Jetzt kommt es für Berlusconi jedenfalls schon deshalb knüppeldick, weil nicht nur alle Welt genüsslich seinen Sexprozess verfolgen dürfte, sondern auch seine Korruptions- und Steuerverfahren neu anrollen.apa