Nach dem angekündigten Rücktritt schaut das politische Italien auf Staatspräsident Giorgio Napolitano. Dieser muss jetzt das weitere Vorgehen sondieren.„Erst das Stabilitätsgesetz, dann Neuwahlen“, titelt das Blatt „La Padania“ des bisherigen Koalitionspartners Lega Nord am Mittwoch.Berlusconi hatte am Vorabend seine Bereitschaft zum Rücktritt erklärt, will aber zuerst ein Reformgesetz für mehr Wirtschaftswachstum durchsetzen, das er der EU zugesagt hat.Napolitano hatte den Premier, der zuletzt auch wieder mit Sex-Skandalen Schlagzeilen gemacht hatte, zu einem Krisengespräch getroffen, da Berlusconi im Parlament seine Mehrheit verloren hatte.„Die Regierung hat nicht mehr die Mehrheit, an die wir glaubten“ Berlusconi räumte bei und nach dem Treffen ein, dass seine Mitte-Rechts-Koalition nach dreieinhalb Jahren am Ende ist: „Die Regierung hat nicht mehr die Mehrheit, die wir zu haben glaubten“, sagte der gescheiterte Regierungschef am Abend.„Wir müssen also diese Situation realistisch zur Kenntnis nehmen und uns um die Lage Italienskümmern und um das, was auf den Finanzmärkten geschieht“, fügte er an.Von der Opposition forderte er, dass sie den dringenden Reformmaßnahmen zustimme, die er im Parlament einbringen will. Als Antwort erhielt Berlusconi bereits positive Signale aus der Opposition.Niederlage in der AbgeordnetenkammerAuslöser des Berlusconi-Rückzugs war ein kritisches Votum im römischen Parlament am Dienstag: Zwar passierte dort sein Rechenschaftsbericht 2010, doch stimmten nur 308 der 630 Abgeordneten dafür. Die absolute Mehrheit wären 316 Stimmen gewesen (siehe eigenen Bericht).Rolle von Staatspräsident NapolitanoEs kommt wohl nun stark auf die Rolle des Staatspräsidenten Giorgio Napolitano an, darauf, wie lange er Berlusconi in der Nachspielzeit lässt. Er hat gestern mit ernster, aber nicht überraschter Miene den Worten Berlusconis gelauscht, der sich auch ihm gegenüber über die „Verräter“ in den eigenen Reihen beklagte.Es ist das Stabilitätsgesetz und das Drängen der EU, die, um es lapidar zu formulieren, Napolitano vor einer fristlosen Kündigung Berlusconis abhielten. Er gewährte ihm am Dienstagabend eine Galgenfrist, jene, das Stabilitätsgesetz über die Bühne zu bringen. Mit dem Zusatz: so schnell und in der knappsten Form wie möglich, jedoch so, dass auch die EU zufrieden ist.Es bleibt zu hoffen, dass die Zeit nicht für Berlusconi spielt. Seinem Vorstoß, Neuwahlen anzusetzen, erteilte Napolitano eine Abfuhr: Er sei es, der nun entscheide, nicht mehr Berlusconi, machte er dem Regierungschef klar. Neuwahlen stehen nicht auf Napolitanos Prioritätenliste: Er will einer Übergangsregierung Tür und Tore öffnen, um einen breiten Konsens herzustellen.Was den Rücktritt Berlusconis angeht, da vertraue er dem Staatschef, so drückte der Vizechef der größten Oppositionspartei PD, Enrico Letta, weiter anhaltendes Misstrauen den Ankündigungen Berlusconis gegenüber aus. Die Opposition will in jedem Fall nur eines: dass Berlusconi seinen Schritt jetzt rasch „formalisiert“.Weiter im Visier der FinanzmärkteItalien ist hoch verschuldet, steht im Visier der Finanzmärkte und muss immer mehr Zinsen für frisches Geld bezahlen. Die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds IWF überwachen inzwischen die Sanierungsschritte Italiens.Italien weist nach Griechenland den höchsten Schuldenstand der Eurozone gemessen an der Wirtschaftsleistung auf.Nach einer Abstimmung über die Maßnahmen im Stabilitätsgesetz werde es Konsultationen mit den Parteien geben, hieß es am Abend in Rom. Dabei wolle der Staatspräsident den Vorschlägen und Positionen der politischen Kräfte in Italien „höchste Aufmerksamkeit“ widmen.Nach den Fahrplänen des Parlaments dürfte zunächst der Senat vom 15. bis 18. November das Stabilitätsgesetz mit den Reformzusätzen der Regierung behandeln. Dann geht der Entwurf in das Abgeordnetenhaus.dpa/joi