Er ist stark angeschlagen und wirkt amtsmüde, hat seinen politischen Zenit längst überschritten. Der „ewige Sieger“ Silvio Berlusconi hat keinen Grund mehr zu strahlen.Im Zentrum einer stattlichen Reihe von Korruptions- und Sex-Skandalen, während sein Italien in tiefster Schuldenkrise versinkt, versucht er mit einer lädierten Mitte-Rechts-Koalition das Land noch zu regieren. Er möchte es doch noch regulär bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 schaffen.In der düsteren Endzeitstimmung dürfte der Medienzar und Milliardär nur wenig zu feiern haben an seinem 75. Geburtstag an diesem Donnerstag. Wie denn nun weiter, „Cavaliere“ Berlusconi?Er will sein „Scheißland“ weiterregieren Berlusconi leitet mühevoll ein „Scheißland“ – wie er Italien in einem abgehörten Telefonat genannt hat – zwischen Resignation, Wut und wachsenden Selbstzweifeln. Sparpakete zwingen vor allem untere Schichten, den Gürtel noch einmal schmerzhaft enger zu ziehen.Die Opposition verlangt praktisch täglich Berlusconis Rücktritt, um zu retten, was nun noch zu retten ist. Koalitionspartner Umberto Bossi von der Lega Nord schießt quer. Und trotz der Sparpakete stuft die Ratingagentur Standard & Poor's das höchst verschuldete Italien herab, wegen „mangelnder Handlungsfähigkeit“.Der Berlusconi-Abwärtstrend setzt sich fortRegionalwahlen hat er verloren, dazu ein wichtiges Referendum zur Atomkraft, und auch die Bunga-Bunga-Sexgeschichten in seinen Villen poppen in schöner Regelmäßigkeit wieder auf. Der Lack ist also ab, der Glanz des erfolgreichen Wahlkämpfers verblasst, da helfen auch keine Durchhalteparolen mehr.Umfragen sehen den erfolgsverwöhnten Berlusconi tief im Keller, verbale Prügel für das unmoralische Bild der italienischen Politik bezieht er auch von den Bischöfen des Landes – und dezent selbst von Papst Benedikt XVI. Dabei ist doch jeder konservative Politiker in Italien auf die Kirche angewiesen.Das Problem der fehlenden Glaubwürdigkeit Während der Mailänder immer mal wieder sagt, im Frühjahr 2013 aufhören zu wollen, hat er für das Weiterwursteln bis dahin nur ein Argument: Ein Regierungswechsel in tiefster Krise würde Italien nur noch tiefer ins Chaos stürzen.Was Rom aber vor allem nachgesagt wird, ist fehlende Glaubwürdigkeit. Gemeint ist Berlusconi. Dem auch umstrittene Männerfreundschaften beileibe nicht nur Glück gebracht haben – Libyens Muammar al-Gaddafi ist dafür das allerbeste Beispiel.Der Stiefelstaat ist wie gelähmt, die Regierungspolitik kreist um sich selbst – also um Berlusconi – und in der Außenpolitik gilt der wichtige Nato-Verbündete offensichtlich immer weniger.Bis jetzt hat der vor 17 Jahren vom Geschäftsmann zum Politiker mutierte Berlusconi allzeit noch darauf setzen können, dass die Opposition in schlechter italienischer Tradition zerstritten ist und er mit dem Verteilen von Pfründen seine Leute bei der Stange halten kann.Gern prahlt er aber auch damit, sich als Privatier auf eine Jacht zurückziehen zu können – doch welches Parlament schützt ihn dann noch mit maßgeschneiderten Gesetzen vor seinen Prozessen und den von ihm gehassten Richtern.„Mit mir kann sich keiner vergleichen" „Mit mir kann sich keiner vergleichen, nicht in Europa und nicht in der Welt.“ Wie wahr, was Berlusconi da einmal gesagt hat, obwohl er das nicht so meinte, wie es heute aussieht.Der gewandte Mailänder hatte seine Karriere als Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen begonnen, schien jede Krise überstehen zu können. Sein Durchhaltevermögen war gerade für italienische Verhältnisse legendär.So führte er von 2001 bis 2005 die am längsten amtierende Nachkriegsregierung und will das jetzt am liebsten noch mal übertreffen. Facelifting und Haarimplantat sollten dem „Cavaliere“ lange ein jugendliches Aussehen sichern. Und er gründete immer neue Parteien, zugeschnitten auf ihn als Frontmann.Als Bauunternehmer hat der am 29. September 1936 geborene Berlusconi sein erstes großes Geld verdient, stieg dann zum Herren über die größten TV-Sender des Landes auf, wurde seit seinem Gang in die Niederungen der Politik dreimal Regierungschef.Immer umstritten, im Ausland argwöhnisch beäugt oder abgelehnt, entpuppte sich seine so große Schwäche für schöne, junge Frauen als eine Achillesferse.Das groteske Bild von dem Unternehmer-Politiker, der sein Land wirtschaftlich gar nicht vorwärts brachte, wird von den schlimmen Witzen und diplomatischen Ausrutschern des „Cavaliere“ abgerundet. Zuletzt soll er sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerst unflätig beschrieben haben. Auch mit 75 scheint er kein bisschen weise, seine politische Zeit indes gezählt. Derweil drohen ihm immer mehr Prozesse.Hanns-Jochen Kaffsack