Die politische Karriere des erfolgreichen TV-Tycoons, der noch im Frühjahr 2008 mit überwältigender Mehrheit die Parlamentswahlen gewonnen hatte, könnte ans Ende gelangt sein.Doch die Talfahrt des Silvio B. hat schon lange begonnen. Seit über zwei Jahren sorgt der 75-jährige Mailänder mit Skandalen um sein Privatleben, Justizverfahren und Streit mit Verbündeten für Aufsehen. Nachfolgend eine Chronik des politischen und privaten Niedergangs des Ministerpräsidenten und Medienzaren.Mai 2009Berlusconis zweite Ehefrau Veronica Lario kündigt nach 20 Ehejahren die Trennung von ihrem Mann an. „Ich kann nicht bei einem Mann bleiben, der mit Minderjährigen verkehrt“, sagt Lario.Hintergrund der Bemerkung ist die unklare Beziehung des Premierministers zur 18-jährigen Schülerin Noemi Letizia. In den darauffolgenden Wochen berichten Medien ausführlich über Berlusconis Vorliebe für Partys mit blutjungen Frauen. Die süditalienische Nobelprostituierte Patrizia D'Addario behauptet, Geld erhalten zu haben, um die Nacht mit Berlusconi zu verbringen.Dezember 2009Ein psychisch gestörter Mann bewirft Berlusconi bei einer Parteiveranstaltung in Mailand mit einer Alabasterminiatur. Der Premier wird am Kiefer verletzt, einer Operation unterzogen und muss drei Wochen lang ruhen.Februar-Mai 2010Bei ausgelassenen Partys in Berlusconis Villa in Arcore taucht die 17-jährige Nachtclub-Tänzerin Karima El Marough auf, die nach Erfolg und Ruhm im Fernsehen strebt. „Ruby Rubacuori“ (Ruby Herzensbrecherin) lässt sich die junge Frau nennen.Mehrere Nächte verbringt die junge Schönheit laut italienischen Medien in Berlusconis Villa. Später bestätigt sie, sie habe von Berlusconi zwar 7.000 Euro erhalten, aber nie intime Beziehungen zu ihm unerhalten.Als die junge Marokkanerin wegen des Diebstahls von 3.000 Euro in der Wohnung einer Freundin festgenommen wird, schaltet sich der Regierungschef höchstpersönlich bei der Mailänder Polizei ein, damit Karima freikommt.Nach Aussagen der Polizei erwirkt Berlusconi die Freilassung, weil er darauf hinweist, dass das Mädchen eine Verwandte des damaligen ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak sei.September-Dezember 2010Berlusconi trennt sich im Streit von seinem engsten Verbündeten, dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer Gianfranco Fini, der dem Premier einen „autoritären Führungsstil“ vorwirft.Fini steigt aus Berlusconis Partei aus und gründet mit befreundeten Parlamentariern die Rechtspartei FLI. Damit schrumpft Berlusconis Mehrheit im Parlament beträchtlich.Fini versucht nach 17 Jahren Freundschaft mit dem Premier seine Regierung zu kippen, doch sein Anliegen scheitert. Berlusconi besteht im Dezember knapp eine Vertrauensabstimmung im Parlament und regiert weiter.Frühjahr 2011Ein Prozess wegen Steuerbetrugs wird im Februar in Mailand gegen Berlusconi fortgesetzt, nachdem das Verfassungsgericht ein von der Regierung im Parlament durchgepeitschtes Immunitätsgesetz teilweise als rechtswidrig bezeichnet hatte.In Mailand wird auch der Prozess gegen Berlusconi wegen des Vorwurfs der Bestechung seines britischen Rechtsanwalts David Mills fortgesetzt. Am 6. April beginnt der sogenannte Ruby-Prozess. Die Mailänder Staatsanwaltschaft wirft Berlusconi vor, das Mädchen bei ausschweifenden Partys zwischen Februar und Mai 2010 für Sex bezahlt zu haben.Berlusconi soll zudem sein Amt missbraucht haben, um die Freilassung der Marokkanerin zu erwirken, als diese wegen Diebstahlverdachts in Polizeigewahrsam war.Juli 2011Die TV-Holding Fininvest im Besitz der Familie Berlusconi wird mit einem Gerichtsurteil zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 564 Millionen Euro an den Rivalen CIR verurteilt. Fininvest muss CIR für ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 1991 entschädigen, mit dem die TV-Gruppe die Kontrolle über das Verlagshaus Mondadori erhielt.Ein Strafgericht hatte Jahre später geurteilt, dass der damalige Richterspruch „gekauft“ worden war. Berlusconi wurde wegen Verjährung jedoch nie dafür belangt. Die hohe Entschädigung ist ein schwerer finanzieller Schlag für Fininvest. Nach der Überweisung der Summe hat Berlusconis Fininvest beim Kassationsgericht in Rom Einspruch gegen das Urteil eingelegt.Juli-September 2011Italien gerät immer tiefer in den Strudel der Schuldenkrise. Im August und September bringt der gebeutelte Premier zwei milliardenschwere Sparpakete zur Eindämmung der ausufernden Verschuldung über die Bühne.An den Finanzmärkten herrscht wochenlang pure Panik. Die Mailänder Börse meldet riesige Verluste und der Zinsunterschied zwischen italienischen und deutschen Anleihen erreicht ein schwindelerregendes Rekordhoch.Oktober-November 2011Die EU verlangt von der Regierung Berlusconi ein Konjunkturpaket mit Maßnahmen zum Wirtschaftswachstum, zu dem sich der Premier wegen tiefgreifender Meinungsverschiedenheiten mit seinem Wirtschaftsminister Giulio Tremonti nicht aufrafft.Beim G20-Gipfeltreffen in Cannes musste der Premier vergangene Woche einwilligen, sein Reform- und Sparpaket unter Aufsicht des Internationalen Währungsfonds zu stellen, was als schwere Demütigung für den Regierungschef betrachtet wird. Die Forderungen nach Berlusconis Rücktritt werden lauter. Cirka 20 Parlamentarier kehren dem Premier den Rücken und verlassen seine Partei. Berlusconi weigert sich weiterhin, seine Demission einzureichen und kündigt an, sich im Parlament einer Vertrauensabstimmung unterziehen zu wollen. Die Stunden des Premiers sind gezählt. apa/stol