Diese Kehrtwende ist auf viel Kritik gestoßen, aber es gibt gute Gründe dafür, sie zu befürworten. Noch im Präsidentschaftswahlkampf von 2020 hat Biden Saudi-Arabien einen „Paria“ genannt. Als er dann im Weißen Haus war, hat er Mohammed bin Salman (MBS), den De-Facto-Regenten des Landes, diplomatisch geächtet. Und letztes Jahr hat seine Regierung einen Geheimdienstbericht veröffentlicht, der MBS die Schuld an der brutalen Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi von 2018 gibt.<BR /><BR />Aber steigende Energiepreise und massive Inflation – und die entsprechende Frustration der Bevölkerung – haben Biden einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jetzt setzt sich seine Regierung verzweifelt dafür ein, dass Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate ihre Ölförderung steigern. Und dies bedeutet, MBS zu rehabilitieren.<BR /><BR />Aber entgegen der Kritik zeigt Amerika dadurch keine Schwäche. Im Gegenteil: Endlich verfolgt Biden wieder eine lang bewährte US-Politik. Was den Nahen Osten betrifft, bestand die stabilere – und wünschenswertere – Möglichkeit für die USA immer darin, den Status Quo zu akzeptieren. Auch wenn eine robuste oder aktivistische US-Politik manchmal spontan Eindruck gemacht hat, endete sie immer schnell in Geringschätzung, Instabilität und Demütigung.<BR /><BR />Nehmen wir Präsident Dwight D. Eisenhowers Erfahrungen in den 1950er Jahren: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befanden sich die Vereinigten Staaten im Höhenflug. Um die Position des Landes in der Region zu stärken, forderte Eisenhower nach der Suezkrise von 1956 Großbritannien, Frankreich und Israel auf, sich aus ägyptischem Gebiet zurückzuziehen. Aber nur zwei Jahre später, nachdem das US-Militär im Libanon eingegriffen hatte, um die schwache Regierung dort zu stützen, war die Beliebtheit der USA bereits wieder am Ende.<BR /><BR />Auch Ronald Reagan fiel einem solchen destruktiven Muster zum Opfer: Zunächst hatte er 1983 versucht, im Nahen Osten Fuß zu fassen, indem er Truppen in den Libanon schickte, um den dortigen Bürgerkrieg zu entschärfen. Aber nachdem bei zwei tödlichen Bombardements 258 Amerikaner starben, zog Reagan die US-Streitkräfte abrupt ab. Die regionalen Akteure waren nicht beeindruckt: Wie konnte diese scheinbare Supermacht daran scheitern, einen Konflikt in einem Land zu lösen, das kleiner als Connecticut ist und weniger Einwohner als Kansas hat?<BR /><BR />In den 1990ern und 2000ern wurde der Irak zum größten Unruhestifter im Nahen Osten. Nachdem die Streitkräfte des irakischen Präsidenten Saddam Hussein 1990 in Kuwait einmarschiert waren, führte George H.W. Bush einen 38-tägigen – live bei CNN übertragenen – Luftangriff durch, dem ein 100-stündiger Bodenkrieg folgte. Das irakische Militär wurde niedergemacht, Kuwait war frei. Und die USA hatten erneut den Respekt und die Bewunderung der regionalen Akteure gewonnen. Syrien beispielsweise, das 1983 im Libanon noch gegen die US-Truppen gekämpft hatte, gab seinen Widerstand auf und trat einem von den USA gesponserten Friedensprozess bei.<BR /><BR />Aber diese Anerkennung war nur von kurzer Dauer. Als Hussein – gegen amerikanischen Wunsch – an der Macht blieb, wechselten die USA zu einer Politik zur Eindämmung und Isolation des Iraks. Amerikas regionale Verbündete, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, lehnten diese dies aber ab und setzten sich stattdessen für Husseins Wiedereingliederung in die arabische Ordnung ein. So entstand eine Spaltung.<BR /><BR />Dasselbe Muster wiederholte sich in den 2000ern: Ein anderer Bush, nämlich George W., stürzte Hussein durch eine schnelle amerikanische Invasion – was die Gegner der USA erneut aus der Fassung brachte. Diesmal war es Libyens Muammar el-Gaddafi, der seine Massenvernichtungswaffen aufgab, sich dem Bündnis gegen den islamischen Extremismus anschloss und die regionale Hegemonie der USA anerkannte.<BR /><BR />Aber auch hier ließ die Gegenbewegung nicht lange auf sich warten: Das US-Militär verzettelte sich in seinem Kampf gegen irakische Aufständische, und die amerikanischen Diplomaten konnten weder tief verwurzelte Feindschaften noch mörderische Konflikte lösen. Wo die USA versucht hatten, Demokratie zu säen, entstand schließlich ein iranischer Satellitenstaat.<BR /><BR />Erneut war die amerikanische Macht auf dem absteigenden Ast. Sogar bisher unerschütterliche Verbündete wandten sich ab – wie der ägyptische Staatschef Husni Mubarak, der sich sechs Jahre lang weigerte, die USA zu besuchen. Syrien, das wieder zum Gegner geworden war, versuchte, die amerikanisch unterstützten Regierungen im Irak, im Libanon und in den palästinensischen Gebieten zu destabilisieren.<BR /><BR />Inmitten dieser politischen Wirren versuchten die USA vor allem, Stabilität zu schaffen. Dazu waren gute Beziehungen zu autoritären Regierungen – von Ägypten bis hin zu den Golfstaaten – nötig, die ihren Völkern die Grundrechte verweigern.<BR /><BR />Heute sind die Saudis und Emiratis mit der US-Iranpolitik sehr unzufrieden – insbesondere damit, dass die Angriffe iranischer Stellvertreter aus dem Jemen auf ihre Gebiete von den USA nur sehr unentschlossen beantwortet wurden. Aber genau wie Bidens einzige Möglichkeit darin besteht, die Golfstaaten zu besänftigen, bleibt diesen nur, die amerikanische Hegemonie in der Region zu akzeptieren. China und Russland, die bei den internationalen Sanktionen gegen den Iran nicht mitmachen und ihn vor den Vereinten Nationen verteidigen, werden diese fragilen Ölstaaten jedenfalls kaum vor den Mullahs schützen.<BR /><BR />Ägypten hat sich mittlerweile dem russischen Einflussbereich angenähert. Will das Land aber beim Rüstungswettlauf gegen Israel mithalten, gibt es keinen Ersatz für amerikanische Waffen. Jedenfalls erinnern sich die ägyptischen Militäroffiziere noch daran, wie ihre Vorgänger nach dem Krieg von 1967 von den sowjetischen Beratern behandelt wurden: „Sie sind brüsk, unfreundlich und oft arrogant“, schrieb ein ägyptischer General.<BR /><BR />Ebenso kann China, obwohl es Äthiopiens größter Investor und Kreditgeber ist, den Wasserstreit des Landes mit Ägypten nicht lösen. Amerika hingegen – mit seiner langen Tradition der Konfliktlösung, seinem zuverlässigen Ruf und seinem scheinbar bodenlosen Geldbeutel – kann dies erreichen.<BR /><BR />2018, nach dem Mord an Khashoggi, argumentierte ich, die gemeinsamen Interessen und die gegenseitige Abhängigkeit zwischen den USA und Saudi-Arabien würden mit ziemlicher Sicherheit bestehen bleiben – obwohl sich die Saudis nicht immer an die Standards halten, die von anderen engen US-Verbündeten erwartet werden. Bidens Besuch in Saudi-Arabien zeigt, dass nun auch er zu diesem Schluss gekommen ist.<BR /><BR />Aus dem Englischen von Harald Eckhoff<BR /><BR /><b>Zum Autor</b><BR /><BR />Barak Barfi ist ehemaliger Forschungsdozent bei New America und ehemaliger Gastwissenschaftler an der Brookings Institution.<BR /><BR />Copyright: Project Syndicate, 2022.<BR /> <a href="https://www.project-syndicate.org/" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">www.project-syndicate.org</a><BR /><BR />