<b>Sie sind nun Rektor der Uni Bozen: War das für Sie ein Karriereziel?</b><BR />Prof. Alex Weissensteiner: Es hat sich eher zufällig so ergeben. Neben der Forschung und der Lehre waren für mich in dieser Hinsicht die Arbeit im Qualitätspräsidium und die Leitung des größten Studienprogramms in Bozen wichtig: Man hat Ideen, will etwas gestalten und kann das in bestimmten Positionen auch tun. Ich trete in große Fußstapfen. Das ist eine Ehre, aber auch eine Verantwortung. Das spüre ich auch.<BR /><BR /><b>Sie sind der erste Südtiroler in dieser Funktion. Ein Schritt in Richtung einer stärkeren lokalen Verankerung der Universität?</b><BR />Prof. Weissensteiner: Ich war viele Jahre im Ausland, habe in Innsbruck gelehrt, in Wien, in Vaduz, in Dänemark. In Südtirol bin ich natürlich verwurzelt. Ich kenne die Gesellschaft, ich kenne die Betriebe. Wir wollen die Universität noch stärker für mittlere und kleine Unternehmen öffnen und generell den Menschen, die hier leben, Ausbildungsmöglichkeiten bieten – zusätzlich zu unseren Studienprogrammen. Es gibt eine wachsende Gruppe von Leuten, die nach dem Studium eine Weiterbildung brauchen: im Gesundheitswesen, in der öffentlichen Verwaltung, im Bankensektor, im Journalismus.<BR /><BR /><b>Stagniert die Nachfrage der „klassischen“ Studenten?</b><BR />Prof. Weissensteiner: Wir hatten im vergangenen Jahr 7 Prozent mehr Studierende in den Bachelor-, Master- und Doktoratsstudien. Wir wachsen weiter. Mit der neuen Fakultät für Ingenieurwesen haben wir einen Meilenstein gesetzt. Das ist nicht das Ende der Reise.<BR /><BR /><b>Inwiefern?</b><BR />Prof. Weissensteiner: Wir haben exzellente Dozenten, wir haben optimale Strukturen, aber wir haben keine 100-jährige Geschichte. Wir müssen die neuen Studiengänge erst aufbauen. Die Marke unibz ist noch nicht so bekannt wie die anderer Universitäten. Wir müssen das Vertrauen der zukünftigen Studenten in die Institution gewinnen. Man kann nicht erwarten, dass ein neuer Studiengang am ersten Tag ausgebucht ist. Das braucht Zeit.<BR /><BR /><b>Die Universität sollte dazu beitragen, den Braindrain zu verringern: Kann sie das?</b><BR />Prof. Weissensteiner: Von den einheimischen Studierenden bleiben sehr viele nach dem Studium in Südtirol. Auch 30 bis 40 Prozent derjenigen, die von außerhalb kommen, bleiben – zumindest für eine gewisse Zeit – im Land.<BR /><BR /><b>Ist das ein zufriedenstellender Wert?</b><BR />Prof. Weissensteiner: Es ist ein realistischer. Was wäre, wenn wir diese Leute nicht hätten? <BR /><BR /><b>Die Südtiroler Wirtschaft verspricht sich viel von den neuen Fakultäten – etwa im Ingenieurwesen: Für kleine Hochschulen ist es eine Herausforderung, internationale Experten – vor allem aus dem deutschen Raum – zu gewinnen und zu halten.</b><BR />Prof. Weissensteiner: Wir sind infrastrukturell und personell sehr gut ausgestattet. Kommt deshalb jeder nach Bozen? Nein. Die Kombination aus Arbeitsplatz und Lebensqualität – das macht uns zum Teil attraktiv. Das Gleiche gilt für das Gehalt – inklusive der Steuererleichterungen des Ministeriums. Mit den Gehältern in der Schweiz können wir natürlich nicht mithalten. Wir sehen tatsächlich ein Problem, wenn wir Lehrende aus dem deutschsprachigen Ausland berufen wollen: In Deutschland zum Beispiel ist der Professor ein Beamter. Ein Weggang würde sich negativ auf seine Pension auswirken... Es ist nicht einfach. <BR /><BR /><b>Soll das Studienangebot weiter ausgebaut werden?</b><BR />Prof. Weissensteiner: Unser Ziel muss immer sein, 3 Dinge zusammenzubringen. Erstens: Wir brauchen ein Angebot, das den Studierenden etwas bringt – eine interessante Tätigkeit, ein gutes Einkommen, im Idealfall beides. Zweitens: Wir haben einen bestimmten Bedarf im Land: Wenn wir Leute ausbilden, für die es im Land keine Arbeit gibt, ist das wirtschaftlich schwer zu rechtfertigen. Drittens: Was können wir als kleine Hochschule leisten? Nur wenn die Schnittmenge dieser 3 Bereiche groß genug ist, wollen wir aktiv werden.<h3> Platz für 5000 Studenten – Ziel: Mehr Weiterbildung</h3><div class="img-embed"><embed id="1079796_image" /></div> <BR /><BR />Die Universität Bozen hätte Platz für 5000 Studenten“, sagt der neue Rektor Alex Weissensteiner. „Die Immatrikulationszahlen liegen etwas darunter.“ Die Zahl der Bewerber sei je nach Studiengang unterschiedlich: „Im Bereich Design kommen auf einen Bachelor-Studienplatz 3 Bewerber. Ähnlich sieht es bei den Wirtschaftswissenschaften aus.“ <BR /><BR />Ein Ziel des neuen Rektors: „Ein Angebot im Bereich der Weiterbildung zu schaffen. Die Bocconi in Mailand hat die Struktur der SDA Bocconi, es gibt die Luiss Business School in Rom, auch in Bologna gibt es eine solche Einrichtung“. In Bozen gilt dem Bereich nun verstärkte Aufmerksamkeit. Denn: In den nächsten Jahren wird die klassische Zielgruppe der Universität – die 19- bis 25-Jährigen – aufgrund des demografischen Wandels um 10 Prozent zurückgehen. <BR /><BR />49 Prozent der 4249 im Jahr 2023 Inskribierten sind Südtiroler (in absoluten Zahlen: 2061), 8 Prozent kommen aus dem deutschsprachigen Ausland (35 Studenten aus Österreich, 305 aus Deutschland), 14 Prozent (590) aus dem Trentino, 21 Prozent (902) aus dem übrigen Italien. Die restlichen 8 Prozent kommen aus anderen EU-Ländern (116 Studenten) sowie aus Nicht-EU-Ländern (240). „Die Zusammensetzung ist von Fakultät zu Fakultät unterschiedlich – an der Fakultät für Bildungswissenschaften in Brixen zum Beispiel gibt es mehr Südtiroler, an anderen weniger“, erklärt Weissensteiner. <BR /><BR />Die schwierige Situation auf dem Wohnungsmarkt erschwert den Zugang für auswärtige Studierende freilich. „Mehr als die Hälfte unserer Studierenden kommen von außerhalb. Sie brauchen Schlafplätze. Die hohen Preise schrecken sehr gute Leute ab, nach Bozen zu kommen“. Immerhin: Der Rektor sieht Anzeichen, dass die Politik das Problem wahrnimmt, „und vielleicht gibt es in 2, 3 Jahren Lösungen, die den Preisdruck für die Studenten etwas mildern.“