<b>STOL: Haben Sie Sorge, dass nicht genug gegen den Borkenkäfer getan wird?</b><BR />Günther Unterthiner: Man hört die Motorsägen in den Wäldern – aber nicht in der Form, die wir bräuchten. Mein Eindruck ist, es wird noch etwas zugewartet. Ich habe Sorge, dass das Thema noch nicht richtig bei den Leuten angekommen ist. Wir werden in der Öffentlichkeitsarbeit eine Schippe drauflegen.<BR /><BR /><b>STOL: Aber aktiv eingreifen wird die Forstbehörde nicht?</b><BR />Unterthiner: Förster sind nicht für die Bewirtschaftung der Wälder zuständig, aber wir können helfen, unterstützen, fördern. Die neuen Förderungskriterien stehen kurz vor dem Abschluss. In Kürze stehen sie in angepasster Form zur Verfügung. Bisher waren sie Teil des ländlichen Entwicklungsprogramms der EU, wir in einem engen Korsett: Es gab keinen Spielraum, die Kriterien anzupassen. Das entsprechende Programm stammt aus dem Jahr 2015. Damals konnte natürlich niemand ahnen, welche Probleme mit dem Schadholz wir haben würden. Dieses Programm ist ausgelaufen. Nun wird das Ganze über eine Landesförderung abgewickelt: Das ist einfacher und effizienter. Man hat auch in Abstimmung mit dem Bauernbund eine Prämienanpassungen gemacht. Wir sind optimistisch, dass wir bis Ende des Monats dieses neue Förderpaket stehen haben.<BR /><BR /><embed id="dtext86-57873731_quote" /><BR /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Im April schon fliegt der Käfer aus und beginnt mit der Vermehrung. Die Zeit drängt.</b><BR />Unterthiner: Bisher ist der Verlauf des Winters für die Arbeiten günstig: Die Forstwege sind gut befahrbar. Die Käfer sind in Winterruhe. Sind sie erst ausgeflogen – also ab Mitte/Ende April –, wird es extrem schwierig, die Verbreitung des Käfers noch einzufangen. Sehr viele werden ausschwärmen und sich vermehren – und zwar alle 7 bis 9 Wochen. Ab diesem Zeitpunkt kommt man den befallenen Bäumen fast nicht mehr hinterher. Bäume, die jetzt bereits grau sind, sind unproblematisch: In ihnen sitzen keine Käfer mehr. Bei rot-braunen Bäumen ist es hingegen sehr wahrscheinlich, dass Käfer in ihnen überwintern. <BR /><BR /><b>STOL: Wie weit ist die Bekämpfung der Käfer?</b><BR />Unterthiner: Wir haben es mit einer enormen Menge an Schadholz zu tun: Unter Normalbedingungen haben wir in Südtirol eine Holznutzung von 700.000 bis 800.000 Kubikmetern. Seit Sturm Vaia, Schneedruck und Borkenkäfer aufgetreten sind, haben wir Schadholzkubikmeter im Millionenbereich. Zudem ist ihre Aufarbeitung um einiges schwieriger: Normalerweise kann ein Bauer mit Waldarbeiterkurs seine Bäume selbst hacken. Beim Schadholz ist die Arbeit viel gefährlicher. Weniger Bauern sehen sich dazu in der Lage. Einige Waldeigentümer sind damit auch überfordert; nicht jeder kann mit der Motorsäge in seinem Wald aufräumen. Es braucht also mehr spezialisierte Firmen, die diese Arbeit übernehmen – aber lokal gibt es zu wenige davon. Natürlich gibt es Firmen von auswärts, die sich bereit erklären, Partien zu übernehmen. Nicht immer gelingt das. Erst kürzlich habe ich von Passeirer Kollegen gehört: Dort war eine Partie geplant, aber das Forstunternehmen ist abgesprungen, weil es in Nordtirol einen größeren Auftrag übernehmen konnte. Und auch von den Waldeigentümern, die sich zusammengetan hatten, waren einer oder 2 plötzlich nicht mehr bereit mitzumachen. Wenn so etwas passiert, sind wir natürlich „kesslun“. Darüber wollte ich mit den Forstunternehmern und deren Vertretern im lvh reden: Die Situation ist weiterhin sehr angespannt. Wir können es nur schaffen, wenn wir sehr koordiniert vorgehen. <BR /><BR /><b>STOL: Wären forstwirtschaftliche Nutzungsgemeinschaften, wie es sie in Deutschland gibt, keine Option für Südtirol?</b><BR />Unterthiner: Wir haben schon auch solche Modelle: In Villnöß hat zum Beispiel Peter Prader selbst ein Sägewerk und kauft Holz. Schon nach dem Sturm Vaia hat man dort angefangen, das koordiniert anzubieten, und das übrige Schadholz der Eigentümer im Einzugsgebiet mitgenommen, die einverstanden waren. Auch nach den Schneedruck- und Borkenkäferschäden hat man das dort so gemacht. Es gibt auch noch einige andere positive Beispiele – aber leider noch etwas zu wenig an konkreten Initiativen.<BR /><BR /><b>STOL: Könnten zielgerichtete Förderungen Bewegung in die Sache bringen – indem das Land konkret umgesetzte Maßnahmen belohnen würde statt flächen- oder mengenbezogen zu unterstützen?</b><BR />Unterthiner: Wir haben voriges Jahre eine neue Förderschiene in die Wege geleitet, die in diese Richtung geht: die Schutzwaldpflegeprämie. Während bei der Schadholzprämie die Entnahme des Schadholzes pro Kubikmeter gefördert wird, vereinbart das Land mit dem Waldeigentümer für eine bestimmte Fläche Schutzwald Maßnahmen: Das können Aufforstungen sein, Pflegemaßnahmen, das Querschlägern von Bäumen – alles, was der Schutzwirkung des Waldes dient. Nach Abschluss dieser Tätigkeiten bekommt der Waldeigentümer für die beeinflusste Schutzwaldfläche eine entsprechende Förderung; nicht nach Kubikmetern, sondern nach Fläche. Waldeigentümer und Land schließen einen Vertrag für die Aufrechterhaltung oder Instandsetzung der Schutzwirkung.<BR /><BR /><b>STOL: Wie sind die Erfahrungen mit dieser Förderung?</b><BR />Unterthiner: Erste Projekte sind in die Wege geleitet, aber noch nicht zum Abschluss gekommen. Meistens kommen die Vorschläge dazu von der Forstbehörde, aber auch der Waldeigentümer kann die Initiative ergreifen.<BR /><BR /><b>STOL: Gibt es Zahlen zu den konkreten Fortschritten auf den Borkenkäfer-Flächen?</b><BR />Unterthiner: Bis Ende Jänner haben die Bezirke die Aufgabe, die Flächen genau zu kartieren und daraus abzuleiten, wo welche priorisierten Maßnahmen notwendig sind. Das ist aufwendig. Erste Ergebnisse liegen vor, etwa aus Bruneck. Bis Ende Jänner haben wir flächendeckend die Information zur befallenen Fläche. Diese beinhaltet auch graue Bäume: Sie spielen aber für die Bekämpfung des Käfers keine Rolle mehr. Wir müssen den Fokus nämlich auf jene Bäume legen, die für die weitere Ausbreitung des Käfers in Frage kommen: <a href="https://www.stol.it/artikel/wirtschaft/der-plan-gegen-den-borkenkaefer-das-ist-jetzt-im-wald-zu-tun" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Das sind die roten bzw. braunen Bäume und die befallenen, die noch grün sind. (Lesen Sie dazu auch das Interview mit Prof. Ralf Petercord.)</a> Letztere sind aber nur vor Ort zu erkennen. Wenn wir die roten und braunen abräumen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir befallene erwischen. Die Zeit jetzt ist extrem wichtig: Im Mai, Juni ist die Dynamik zwischen den Bruten so groß, dass frisch befallene Bäume zu spät erkannt werden können. Im Sommer wird es extrem schwierig, dem Käfer Einhalt zu gebieten. Bäume, die jetzt rot und braun sind, sind im Herbst befallen worden. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass Käfer in diesen Bäumen überwintern.<BR /><BR /><embed id="dtext86-57873735_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Welche Strategie verfolgen Sie bei der Bekämpfung? Welche Flächen haben Priorität?</b><BR />Unterthiner: Im Sinn der sauberen Waldwirtschaft ist es die beste Prävention, befallene Bäume unmittelbar aus dem Bestand zu holen. Wenn ich kleinflächigen Befall, kleine Käfernester ausmerze, erreiche ich in Summe mehr, als wenn ich mit großen befallenen Flächen beginnen würde – etwa an einem Hang, dessen Bäume schon grau sind. Da kann man nicht mehr viel retten. Bei der Priorisierung machen wir aber auch einen Verschnitt der Kartierung mit den Schutzwaldflächen. Ein Beispiel ist der Wald oberhalb der Gadertaler Straße: Wenn am Hang etwas zu retten ist, werden wir den Fokus darauf legen. Dieser Wald schützt nämlich die darunter verlaufende Straße vor Hangrutschungen. So werden wir es landesweit handhaben: Wir müssen systematisch sehen, wo es sinnvoll ist, kurzfristig einzugreifen. Es ist geplant, dies mit den jeweiligen Eigentümern zu besprechen. Das ist eine Knochenarbeit: 70 Prozent des Südtiroler Waldes sind ja in Privatbesitz. Den Befall komplett abzuschöpfen schafft man nicht. Dafür war der Befall im vergangenen Jahr zu pandemisch. Teilweise lassen wir befallene Bäume auf Kämmen bewusst stehen, um den dahinterliegenden Wald vor Sonneneinstrahlung zu schützen. Zu starke Sonneneinstrahlung schwächt den Wald nämlich zusätzlich. Das ist eine tödliche Kombination.<BR /><BR /><embed id="dtext86-57873850_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Wie sind die Erfolgsaussichten?</b><BR />Unterthiner: Unser Ziel ist, bis Ende April so viel befallenes Holz als möglich aus dem Wald zu holen. Realistischerweise muss man sagen, dass es auch von den klimatischen Bedingungen im Frühling abhängt. Wir haben nicht alles selber im Griff. Auch wenn wir viele Herde herausbringen, ist ein 100-prozentiger Erfolg nicht möglich.<BR /><BR /><b>STOL: Wie viel Prozent sind möglich?</b><BR />Unterthiner: Schwer zu sagen: Ich wäre sehr zufrieden, wenn wir auf den prioritären Flächen einen sehr hohen 2-stelligen Prozentsatz erreichen – über 50 Prozent. Dafür muss viel zusammenspielen: Die Koordination mit Forstunternehmen vor Ort, die Logistik muss heuer passen – das war letztes Jahr ein Schwachpunkt. Wir brauchen Lagerplätze: Dafür sind wir im Austausch mit den Gemeinden, damit diese Flächen zur Holzablagerung kostenlos zur Verfügung stellen. Wir hatten vor Weihnachten einen Workshop mit Interessensvertretern und werden wieder einen solchen machen: Alle Partner müssen sich proaktiv einbringen. Allerdings habe ich aus den letzten Informationsveranstaltungen die Wahrnehmung mitgenommen, dass das noch zu wenig passiert.<BR /><BR /><b>STOL: Wäre es dem Land auch möglich, das einzufordern?</b><BR />Unterthiner: Das Forstgesetz bietet die Möglichkeit. Die ultima ratio, wenn jemand nicht mitspielt, wäre, ein Ultimatum zu setzen. Derzeit wird das aber nicht angewendet: An dem Punkt sind wir noch nicht. Gegenüber der Interessensvertretung der Waldeigentümer haben wir immer die aktive Rolle der Eigentümer beschworen. Das ist wichtig angesichts der Größe des Phänomens und 23.000 privater Waldeigentümer. Wir sind darauf angewiesen, dass sie ihre Rolle aktiv wahrnehmen. Vom Besitz von Grund und Boden leitet sich eine Verpflichtung ab.<BR /><BR /><embed id="dtext86-57873976_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Die Forstverwaltung hat selbst nicht die Möglichkeiten, das befallene Holz aus den Wäldern zu holen?</b><BR />Unterthiner: Es ist vom Umfang der Aufgabe her extrem schwierig, das nur über die Forst bzw. die öffentliche Hand zu organisieren – das wäre eine Mammutaufgabe. Und es wäre äußerst bedenklich. Muss jedes Mal, wenn etwas passiert, die öffentliche Hand das Problem lösen? Als Verwaltung können wir das nicht stemmen. Das ist bei den Schäden durch den Sturm Vaia so gewesen, bei den Schneedruckschäden und jetzt beim Borkenkäfer. Mir ist klar, dass das extreme Herausforderungen für die Waldeigentümer sind. Leider ist es nicht machbar, sie von dieser Verpflichtung zu entbinden. Wir gestalten die Rahmenbedingungen so, dass die Eigentümer ihrer Aufgabe gerecht werden können: mit Beratung, Bereitstellung der Infrastruktur – aber die Maßnahmen im Wald können wir nicht leisten. <BR /><BR /> <a href="https://www.stol.it/tag/Borkenk%C3%A4fer" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">STOL hat immer wieder über den Borkenkäfer-Befall in Südtirol berichtet. Hier finden Sie mehr Artikel zum Thema.</a><BR />