Er sei kein Gegner der Lastkraftwagen, aber es brauche auf der Transitroute Brenner klare und neue Spielregeln: Nordtirols Verkehrslandesrat René Zumtobel setzt auf Gespräche mit den Nachbarregionen, aber auch auf Einsicht und Vernunft.<BR /><BR /><b>Für jeden Verkehrslandesrat ist der Transitverkehr ein politischer Dauerbrenner und Zankapfel mit den Nachbarregionen. Wie sehen Sie die Situation?</b><BR />René Zumtobel: Seit Amtsantritt war es mir wichtig, die Gespräche mit den Nachbarregionen, die vom Transit betroffen sind, aktiv anzugehen. Mit Südtirol habe ich ein sehr gutes Verhältnis, da ich Landesrat Daniel Alfreider schon von meiner Zeit als Bahnmanager gut kenne. Die Transitproblematik besteht. Was wir brauchen, sind Lösungen, die wir gemeinsam über Regionen hinweg suchen müssen. Ich bin ein Fan vom präsentierten Slot-System, sprich einer buchbaren Straße. Ich komme von der Bahn, da ist es immer schon so gewesen, dass man Trassen buchen muss. Bei der von Südtirol beauftragten Studie kommt heraus , dass das Slot-System gesetzlich möglich und technisch umsetzbar ist. Ich sehe das System als große Chance, das zu einem europäischen Leuchtturmprojekt zwischen München und Verona werden kann. Das Slot-System gibt es ja schon im Kleinen. Seit 2019 regelt es am Hamburger Hafen das Löschen und Beladen von Frachten bzw. die Zufahrt der Lkw. <BR /><BR /><b>Wie verteidigen Sie die aktuellen Beschränkungen für den Lkw-Verkehr?</b><BR />Zumtobel: Was aktuell passiert, sind Schutzmaßnahmen. Wir sind an einem Punkt angelangt, wo wir mit 2,5 Millionen Lastkraftwagen am Brenner das dreifache Aufkommen der gesamten Alpenquerungen der Schweiz haben, obwohl unsere Transitroute nicht die kürzeste ist. 30 bis 40 Prozent wählen den Brenner aber nur, weil es eben am günstigsten ist, über den Brenner zu fahren. Das heißt: Wir brauchen neben den Slots auch eine Kostenwahrheit. Wir im Bundesland Tirol verlangen 95 Cent pro Kilometer, Bayern 18 Cent. Was die Situation noch verschärft, ist der Umstand, dass wir mit 110 Kilometern den kürzesten Abschnitt haben. Die ganze Achse beläuft sich auf 430 km. Unsere höhere Maut macht sich auf der Gesamtachse wenig bemerkbar, daher ist der Brenner der billige Jakob im Transit.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="882044_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Welche Lösung schlagen Sie vor?</b><BR />Zumtobel: Es braucht Fairness. Wir müssen die Maut auf das Schweizer Niveau erhöhen. Warum ist mir das so wichtig? Das Wipptal ist ein V-Tal und nicht eine Ebene wie bei Verona. Das heißt, dass gerade im Winter die Luftemissionen neunmal stärker wirken. Es braucht 3 Lösungen: Das Slot-System mit einer nationalstaatlichen Einigung, eine neue gemeinsame Wegekostenrichtlinie, sprich Erhöhung der Maut, und die Verlagerung auf die Schiene, wo wir eine Modernisierung der Infrastruktur vornehmen müssen. Die Unterinntaltrasse ist ein Beispiel dafür, wie es gehen kann: Wir haben einen schnelleren Transport, mehr Kapazitäten und weniger Lärm. Das ist der Beweis dafür, dass der Ausbau der Infrastruktur ein wesentlicher Beitrag dazu ist, die Verlagerung des Gütertransits auf die Schiene zu erreichen. Unser Ziel muss es ja auch sein, dass wir mit Inbetriebnahme des Brennerbasistunnel, diesen füllen können. <BR />Ich habe ja auch keine Freude, wenn die Lkw vor der Blockabfertigung bis nach Rosenheim stehen. Ich möchte, dass der Verkehr fließt und Blockabfertigungen mit Dosiersystemen entfallen. Ich bin kein Gegner vom Lastkraftwagen, aber wir müssen den Verkehr entzerren und gleichmäßig halten. Wir werden das Slot-System brauchen, da wir künftig laufend Baustellen auf der Brennerautobahn haben werden, auch in Südtirol. Es wird zu Einschränkungen kommen. Ich will die Beteiligten davon überzeugen, dass die Maßnahmen keine Willkür der Tiroler sind, sondern einen tieferen Sinn haben, um Lösungen zu erreichen.<BR /><BR /><b>Wie begegnen Sie den Klagedrohungen aus Bayern und Italien?</b><BR />Zumtobel: Die Gesundheit der Menschen steht über dem freien Warenverkehr. Klagen sind immer die letzte Option. Ich will an gemeinsamen Lösungen arbeiten. Für mich unumstößlich ist das Nachtfahrverbot, weil es gut ist für die Luftqualität und Lärmemissionen reduziert. Wir können über flexiblere Dosierungen reden. Wir müssen aber miteinander auf Augenhöhe reden, wenn wir eine Lösung finden wollen, die wir brauchen. Wenn wir jetzt um 10 Milliarden Euro einen Tunnel bauen, dann werde ich doch Interesse haben, dass dieser gefüllt wird. Ich bin Optimist und denke, Lösungen sind möglich. Daher sollte man das Slot-System angehen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-58944356_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>Was ist die Ersatzlösung, falls das Slot-System nicht kommt?</b><BR />Zumtobel: Falls dieses nicht kommt, müssten wir unsere Maßnahmen weiterführen. Wir müssen aber – unabhängig davon – auch die Bahnverbindungen stärken. Wir haben ja auch 11 Millionen Pkw am Brenner. Für diesen Verkehr müssen wir unser Angebot vergrößern. Züge dürfen nicht am Brenner enden. Wir müssen den regionalen, öffentlichen Verkehr ausbauen und gewährleisten, dass sich Touristinnen und Touristen auch vor Ort bewegen können. Die Gästekarte als Fahrkarte für Gäste in der Region, um vor Ort mobil zu sein, zum Beispiel. Ich bin ein Fan der Idee, dass die, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, auch belohnt werden sollen. Aber dazu braucht es einfache digitale Ticketing-Systeme. Es kann ja nicht sein, dass ich am Brenner aussteigen muss, um beim Ticketautomaten einen Fahrschein für die Weiterfahrt zu lösen.<BR /><BR /><b>Sie haben die Baustellen angesprochen. Das Thema Lueg-Brücke ist ja sehr umstritten. Wie schätzen Sie die Situation ein?</b><BR />Zumtobel: Hier gibt es eine klare Ansage: Starten statt warten. Der Betreiber Asfinag hat ein Sanierungsprojekt vorgelegt. Mir sind 2 Sachen wichtig. So schnell wie möglich beginnen und die Interessen der Bevölkerung mitnehmen. Diese sind klar definiert. Wir brauchen einen Lärmschutz und einen Nachhaltigkeitsnutzen, beispielsweise dass Baustraßen nach dem Abschluss der Sanierung zu Radwegen werden, dass man Hangschutzmaßnahmen macht, und ein Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs erfolgt, damit man den Betroffenen auch Alternativen anbieten kann. Die Lueg-Brücke ist ja nur eine Baustelle, weitere Brückensanierungen nördlich wie südlich des Brenners werden folgen. Wir brauchen während der Sanierung 2 Spuren in beide Richtungen, damit die örtliche Bevölkerung nicht unter die Räder kommt. Daher müssen wir auch den Ausweichverkehr mit Fahrtverboten verhindern. Wie gesagt, es ist ja nicht die Lueg-Brücke allein. Es wird in Zukunft immer Bauphasen geben, die eine Reduktion des Verkehrs erfordern. Daher müssen wir hier überregional zusammenarbeiten. Ein internationales Baustellenmanagement ist unbedingt notwendig, das fordere ich ein.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="882047_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>Für die von vielen geforderte Lueg-Tunnellösung sehen sie keine Chance?</b><BR />Zumtobel: Der Tunnel ist kein Thema mehr. Die Lueg-Brücke hat eine negative Bewertung. Jeder Zeitraum, der jetzt vergeht, ist nicht gut. Bei einem kranken Patienten muss man ja auch umgehend mit der Therapie beginnen.<BR /><BR /><b>Als ehemaliger Bahnmanager setzen Sie ganz stark auf den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Welche Ziele wollen Sie erreichen?</b><BR />Zumtobel: Wir werden in den nächsten Jahren diesen weiter ausbauen. Wir schreiben laufend neue Busleistungen aus und auf der Schiene bekommen wir ab dem Herbst 20 neue Triebzüge, die 100 Sitzplätze mehr haben. Es braucht 3 Säulen: Mehr Angebot, mehr Qualität und der Tarif muss stimmen, damit die Leute den öffentlichen Verkehr nutzen. Ich möchte eine Tiroler Mobilitätsgarantie bzw. einheitliche Standards schaffen. Wir haben das 10-Jahresprogramm „Tirol auf Schiene“ initiiert, wo wir die Infrastruktur massiv verbessern werden. Wir wollen Mobilität-Drehscheiben schaffen. Bei den Bussen wird es 2035 keinen Bus mehr mit fossilem Brennstoff mehr geben. Das wird ein wesentlicher Beitrag dazu sein, um die Mobilitätswende zu erreichen.<BR /><BR />ZUR PERSON<BR /><BR /><BR />René Zumtobel, der jährlich in Partschins Urlaub macht, ist am 16. Februar 1971 geboren und wohnt in St. Leonhard im Pitztal.<BR />Seine berufliche Laufbahn startete er 1990 mit der Ausbildung und dem Einsatz als Fahrdienstleiter ÖBB-Infrastruktur. 1995 wurde er Fachbeamter Technische Dienstzweige in der Bundesbahndirektion Innsbruck, von 1996 bis 1999 Controller für den ÖBB-Personennahverkehr AG. In weiterer Folge war er unter anderem Pressesprecher für die Bundesländer Tirol und Vorarlberg der ÖBB-Holding bzw. Regionalmanager für das Bundesland Tirol, ÖBB-Personenverkehr AG, Nah- und Regionalverkehr in Innsbruck.<BR />Seit 25. Oktober 2022 ist er Mitglied der Tiroler Landesregierung.<BR /><BR /><BR /><BR /><BR />