Die Trojaner Stuxnet und Flame seien lediglich eine Warnung an die Iraner und andere Staaten gewesen, sagte Brunecker Politologe und Soziologe Roland Benedikter.Der Flame-Virus war im Mai entdeckt worden. Sicherheitsfirmen gehen davon aus, dass er Hunderte Behördencomputer in Nahost infiziert hat und dort Überwachungs- und Störaktionen ausführen soll. Laut US-Medienberichten soll Präsident Barack Obama persönlich den Einsatz der Schadsoftware gegen den Iran befohlen haben. Ziel ist es demnach, das Atomprogramm des Iran unschädlich zu machen.Der Wissenschaftler warnte davor, die Auseinandersetzung über das Internet sei nur die Vorbereitung für einen realen Krieg. Die bisher eingesetzten Viren hätten praktisch keinen Schaden angerichtet, obwohl die Rechner in zentralen Bereichen infizierten, etwa der Stromversorgung und der Wasserversorgung. „Das war wie ein US-Kampfflugzeug, das am Roten Platz landet, und nichts macht.“ Flame sei lediglich ein „kleiner Schuss vor den Bug“ gegen das Regime in Teheran gewesen, dass „nächste Mal kommt die USA mit einer Bombe“. Das Timing der Viren stimme mit dem Zeitplan der westlichen Regierungen überein, mutmaßliche iranische Bemühungen zum Bau einer Atombombe binnen der kommenden eineinhalb Jahre zu vereiteln.Doch der Iran ist nicht der einzige Schauplatz für Cyber-Konflikte. Benedikter sieht eine immer schärfere Konfrontation im Internet zwischen den USA und China, die vor allem auf die Kontrolle über Schlüsseltechnologien abziele. Die Cyberspionage habe der klassischen Wirtschaftsspionage den Rang abgelaufen und mache auch vor militärischen Geheimnissen nicht halt.Im Jahr 2009 soll es zu einem massiven Fall von chinesischer Spionage bei der Entwicklung des neuesten US-Kampfjets, des F-35 Joint Strike Fighter, gekommen sein. Chinesische Hacker sollen die Baupläne inklusive aller Schwachstellen des Jets gestohlen haben. Nach Schätzungen von Experten führte der Fall zu einer jahrelangen Verzögerung bei der Entwicklung des Prestigeprojektes, das insgesamt mehr als 300 Milliarden US-Dollar kosten soll.Cyber-Spionage ermögliche äußerst effiziente Einsätze, glaubt Benedikter. China brauche das Kampfflugzeug gar nicht nachzubauen, sondern es reiche aus, über die Informationen zu verfügen, um kostspielige Umstellungen bei dem Milliardenprojekt zu bewirken. Solche Cyber-Einsätz seien zum Schlüssel für die künftige militärische Rüstung geworden.Die USA und China haben nach Experten-Einschätzung in der Cyber-Rüstung bereits in den vergangenen Jahren kräftig aufmunitioniert. So habe es früher mehr als 100.000 Hacker im kalifornischen High-Tech-Mekka Silicon Valley gegeben, von denen die meisten nun für Sicherheitsfirmen und das US-Heimatschutzministerium arbeiten würden, so Benedikter. Auch in China gebe es Zehntausende Hacker, die im Dienste der Regierung und Firmen stehen würden, um Know-How aus dem Westen abzusaugen. „Der Cyberwar macht einen Machtzuwachs möglich, der mit konventionellen Mitteln nie zu erreichen wäre“, erklärte der Südtiroler, der sich auf Einladung der Sicherheitsfirma CIS zu einem Symposium von IT-Firmen in Wien befand.Alexander Fanta/apaZur PersonDer Stanford-Professor Roland Benedikter stammt aus Bruneck.Der 47-Jährige hat drei Doktortitel in Politischer Soziologie, Politikwissenschaft und Erziehungswissenschaft. Zwischen 1993 und 1996 hat er die Europäische Akademie als engster Mitarbeiter von Werner Stuflesser mit aufgebaut. Anschließend war er Persönlicher Referent von Kultur-, Schul- und Wissenschaftslandesrat Bruno Hosp.Seit 1996 ist er Lehrender und Professor an verschiedenen Universitäten Europas, darunter in Italien, Österreich, Deutschland, England, Bulgarien und Türkei, sowie in den USA und Australien. Seit 2009 dient er als Europäischer Stiftungsprofessor "in residence" für Interdisziplinäre Politische Soziologie an der Universität von Kalifornien in Santa Barbara und als Langzeit Visiting Scholar 2009-13 an der renommierten Stanford Universität in den USA.