Die Direktorin der Caritas sagt klar und deutlich, was sie von den Einmal-Zahlungen der Landesregierung hält und wo diese den Hebel ansetzen müsste. <BR /><BR /><b>Wo ist zurzeit die Not in Südtirol am größten?</b><BR />Beatrix Mairhofer: Die materielle Not nimmt zu – aufgrund der stark steigenden Inflation und der stark steigenden Energiepreise, die sehr viele Menschen in Schwierigkeiten bringen – auch jene, die bisher mit ihrem Einkommen eigentlich zurechtgekommen sind. Gleichzeitig steigt aber auch die psychische Not – Ängste und Sorgen, die die Leute schwer belasten. Das tun sie dann auch bei unseren Diensten kund. Viele Menschen haben große Zukunftsängste – auch aufgrund der Berichte in den Medien. Zu jenen, die besonders von dieser Krise betroffen sind, zählen kinderreiche Familien, Alleinerziehende und Alleinstehende, Mindestrentner und Menschen mit geringem Einkommen. Wohnnebenkosten bringen WOBI-Mieter in Schwierigkeiten – weil höhere Nebenkosten für die Zukunft bereits jetzt eingefordert werden. <BR /><BR /><b>Kann die Caritas Menschen in finanzieller Not Lösungen anbieten?</b><BR />Mairhofer: Wir versuchen es mit der Schuldnerberatung, da werden beispielsweise Sparpläne ausgearbeitet. Wenn alles nichts nützt und keine Aussicht auf Erfolg hat, dann gibt es auch finanzielle Zuwendungen, damit die Bürger zum Beispiel noch die Stromrechnung bezahlen oder Lebensnotwendiges begleichen können. <BR /><BR /><embed id="dtext86-56841539_quote" /><BR /><BR /><b>Gibt es Einzelfälle, die Sie besonders betroffen gemacht haben?</b><BR />Mairhofer: Wir haben mit vielen Rentnern zu tun, die ihr Leben lang gearbeitet haben und schlecht rentenversichert waren. Am Ende bekommen sie nicht genug Geld, um über die Runden zu kommen. Das bedrückt mich. Es ist eine Bringschuld der Gesellschaft, Bürgern, die ihr ganzes Leben lang – 40 Jahre und mehr – im Arbeitsleben gestanden sind, so viel zu geben, dass sie auch überleben können. Wenn solche Menschen in den Städten in Miete leben, dann haben sie es noch viel schwerer. Die Mietnebenkosten können dann oft nicht mehr gestemmt werden. Festgestellt haben wir auch, dass die Gesundheitsarmut zunimmt.<BR /><BR /><b>Inwiefern?</b><BR />Mairhofer: Wir beobachten, dass oft zuallererst bei der Gesundheit gespart wird. Gesunde Ernährung und Gesundheitsleistungen, die nicht völlig kostenlos sind, werden gestrichen – und das hat Konsequenzen. Wenn ich mich ständig schlecht ernähre, den Zahnarzt nicht mehr besuche und auch andere ärztliche Leistungen nicht in Anspruch nehme, zudem nicht heize, weil es zu teuer ist, dann kann dies auch schwer wiegende Folgen haben.<BR /><BR /><b>Wie groß ist die Wohnungsnot in den Städten?</b><BR />Mairhofer: Die hohen Kosten fürs Wohnen sind ein akutes Problem. Ich appelliere an die Solidarität der Vermieter. In Bozen bekommt man keine Wohnungen mehr unter einer Miete von 1200 Euro, berichtet mir eine Mitarbeiterin, die Wohnungshilfe leistet.<BR /><BR /><b>Was halten Sie von den Una-Tantum-Zahlungen der Landesregierung – helfen diese wirklich oder ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein?</b><BR />Mairhofer: Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein – längerfristig sind solche Maßnahmen nicht zielführend. Die Problematik wird nicht gelöst. Die Schere zwischen denen, die viel besitzen und jenen, die kaum über die Runden kommen, wird in Südtirol immer größer. Deshalb braucht es strukturelle, langfristige Reformen. Es muss etwas passieren: Die Mindestrenten müssen erhöht und die Löhne angepasst werden. Die Preissteigerungen sind in Südtirol enorm – am höchsten von ganz Italien und die Löhne stagnieren. Auch beim Thema Mieten muss etwas passieren: Mehr Wohnraum in den Zentren muss geschaffen werden und es braucht eine Preisdeckelung. Das Wohngeld ist ein zweischneidiges Schwert. <BR /><BR /><BR /><BR />