Von Hatto Schmidt<BR /><BR /><b>Verspüren Sie bei dem Gedanken an das Ausscheiden Wehmut?</b><BR />Daniel Alfreider: Ich habe mich schon als Kammerabgeordneter im Parlament in Rom immer sehr stark für Minderheitenthemen engagiert. Als ich 2016 in die FUEN-Familie aufgenommen wurde als Vizepräsident, da wusste ich dennoch wenig über diese Familie. Wehmut ist tatsächlich da, denn die FUEN ist eine tolle Organisation, die man sich in Europa nicht wegdenken darf und für die wir weiterhin alles tun sollten. <BR /><b><BR />Sie haben in der FUEN sicher einiges erlebt. Welches waren die wichtigsten Ereignisse?</b><BR />Alfreider: Sicherlich das Zusammenschweißen unserer Anliegen auf die sogenannte Minority-Safe-Pack-Initiative (MSPI). Ich denke, das Minority SafePack war das erste richtig große internationale Projekt, bei dem sich alle für das gesamte Ziel Minderheitenschutz eingesetzt haben. Wir haben durch diese 1,2 Millionen Unterschriften für die Initiative auch eine gewisse Sichtbarkeit und gewisses Gehör gefunden.<BR /><BR /><b>Die FUEN ist in Sachen MSPI heuer in letzter Instanz vor dem EU-Gericht gescheitert: <a href="https://www.stol.it/artikel/politik/problem-ist-der-mangel-an-politischem-willen" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Die EU-Kommission muss sich demnach nicht mit den Inhalten beschäftigen.</a> Was bleibt dann überhaupt von der Initiative?</b><BR />Alfreider: Für mich ist dieses Projekt nicht gestorben. Die darin enthaltenen Anliegen bleiben aktuell, denn es sind universelle Punkte, wie jener, dass die EU-Kommission Kulturprojekte für Minderheiten direkt fördern soll, ohne über die einzelnen Mitgliedsstaaten gehen zu müssen. Man darf solche Projekte nicht einfach liegen lassen, weil ein Stein mitten im Weg liegt. Den Stein werden wir auch noch wegräumen. Ich bin sicher, dass es irgendwann möglich sein wird, den einen oder anderen Punkt aus dem Minority SafePack durchzukriegen, zum Beispiel das Problem des Geoblockings. <BR /><BR /><b>Laut FUEN-Satzung ist dies die letzte Amtsperiode Lorant Vinczes als Präsident. Vor einem Jahr hat er selbst, aber auch Sie die Meinung geäußert, dass er im Sinne der Kontinuität noch eine vierte Amtsperiode bleiben sollte. Tritt er also wieder an?</b><BR />Alfreider: Eine Kandidatur wäre für ihn nur möglich, wenn kein anderer Kandidat da ist. Aber es sind Kandidaturen da. Und somit stellt sich die Frage nicht mehr. Ich möchte an dieser Stelle betonen: Dass es möglich war, eine gewisse Professionalisierung und Stabilität in die FUEN zu bekommen, das ist Vinczes Verdienst gewesen, auch in finanzieller Hinsicht. Stabilität hat die FUEN auch gewonnen, weil gezielt versucht wurde, institutionelle Zuweisungen zu bekommen. Mehrere Regionen Europas sind jetzt effektive Unterstützer, etwa Schleswig-Holstein.<BR /><BR /><b>Nicht wenige in der FUEN sehen den Einfluss Ungarns auf den Verband mit Sorge, zumal Präsident Vincze zuletzt die ungarische Politik gegen Kritik verteidigt hat. Teilen Sie diese Sorge?</b><BR />Alfreider: Deswegen habe ich vorhin gesagt: Für mich ist ganz wichtig, dass diese europäische Organisation in ganz Europa ein Standing hat. Und dass es viele Förderer gibt. Es nützt nichts, zu kritisieren, dass Ungarn viel finanziert und somit Einfluss hat. Wir können auch froh sein, dass Deutschland uns ebenfalls finanziert. Für mich ist das Wichtigste, dass wir mehrere Standbeine haben. Ich würde es gut finden, wenn beispielsweise Österreich ein bisschen mehr investieren würde, wo es dort doch die Kärntner Slowenen und die Burgenländischen Kroaten gibt. Wenn jeder ein bisschen was gibt, dann wäre man nicht von dem einen oder anderen direkt abhängig. Wenn jeder Staat für ein so wichtiges Projekt ein paar Zehntausend Euro gäbe, dann spürt er das nicht einmal. <BR /><BR /><b>An welches eher negative Ereignis erinnern Sie sich?</b><BR />Alfreider: Negativ war der Entscheid der EU-Kommission und dann auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Minority SafePack. Das war, glaube ich, der dunkelste Moment in diesen Jahren.<BR /><BR /><b>Und der schönste?</b><BR />Alfreider: Auch der betrifft das Minority SafePack. Einer der schönsten Momente war, als wir das Ergebnis der Unterschriftensammlung in Italien bekamen: Wir hatten es geschafft, die 80.000er-Hürde zu knacken, das heißt, wir hatten die notwendige Unterschriftenzahl in Italien erreicht, davon allein in Südtirol 50.000. Das ist schon ein Ergebnis. <BR /><BR /><b>Zwei Kandidaten für das Präsidentenamt sind schon bekannt: Gösta Toft und Jens A. Christiansen aus dem deutsch-dänischen Grenzland. Gibt es noch weitere?</b><BR />Alfreider: Auch Olivia Schubert von der deutschen Minderheit in Ungarn kandidiert. <BR /><BR /><b>Und hat die SVP schon einen Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten bestimmt?</b><BR />Alfreider: Wir haben Harald Stauder nominiert. Ihm gefallen genau diese Sachen. Er hat ja eine diplomatische Ausbildung und daher die notwendige Sensibilität. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1208631_image" /></div> <BR /><h3> Zur Person: Daniel Alfreider</h3>Der 44-jährige Bauingenieur begann 2010 seine politische Laufbahn als Gemeinderat und -referent in seiner Heimatgemeinde Corvara. 2012 wurde er zum stellvertretenden Obmann der Südtiroler Volkspartei gewählt. 2013 schaffte er als erster Ladiner die Wahl in die Abgeordnetenkammer in Rom. Auf eine erneute Kandidatur 2018 verzichtete er, um im selben Jahr für den Südtiroler Landtag zu kandidieren. Er wurde nach seiner Wahl zum Landesrat berufen und zum ladinischen Landeshauptmann-Stellvertreter ernannt. Seit 2016 ist Alfreider FUEN-Vizepräsident. <h3>Die FUEN</h3> <a href="https://fuen.org/de" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">Die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN)</a> wurde 1949 in Versailles gegründet. Sie ist der größte Dachverband der autochthonen nationalen Minderheiten, Nationalitäten und Sprachgemeinschaften Europas. Derzeit zählt sie mehr als 100 Mitgliedsorganisationen aus 38 europäischen Ländern. Geleitet wird die FUEN seit 2016 von Loránt Vincze, einem Ungarn aus Siebenbürgen (Rumänien). <BR /><BR />Das Präsidium umfasst weiters sechs Vizepräsidenten und satzungsgemäß den Präsidenten der Jugend Europäischer Volksgruppen. 2023 verfügte die FUEN über ein Budget von 1,25 Millionen Euro, davon stammen 165.500 Euro aus institutioneller Förderung (zum Beispiel von der Region Trentino-Südtirol, vom Land Südtirol und vom deutschen Bundesland Schleswig-Holstein). 1.180.000 Euro kamen aus Projektförderungen, davon aus Ungarn 450.000 Euro und aus Deutschland 730.000 Euro. <BR /><BR /><i>Die Europäische Vereinigung von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen (Midas) wurde 2001 gegründet. 28 Tageszeitungen aus 12 Staaten gehören Midas an. Ziel ist, gemeinsam Strategien zu entwerfen und die Zusammenarbeit beim Austausch von Informationen, bei Druck und Marketing zu fördern. Dieses Interview führte Hatto Schmidt für Midas.</i>