Der Kaffee mit Schlagobers (!) ist in der Hauptstadt der Alpenrepublik nämlich ein Kapuziner (nicht zu verwechseln mit der Melange), und Wiener Würstchen heißen in Wien Frankfurter. Das könnte man auch freundlich erklären, aber der herbe Charme des Kaffeehausobers lässt das in vielen Fällen nicht zu. Das ist wohl einer der vielen Gründe, warum die österreichische Hauptstadt nun in einem Ranking zu einer der unfreundlichsten Städte der Welt gekürt wurde. Abgestimmt haben, wie jedes Jahr, „Expats“, also als Ausländer in einer anderen Stadt lebende meist Berufstätige.<h3> „Economist“-Ranking</h3>Apropos jedes Jahr: Das Paradoxon wiederholt sich jedes Jahr im Sommer. Erst kommt ein Ranking des britischen „Economist“ über die lebenswertesten Städte der Welt, und in dem liegt Wien regelmäßig vorne – heuer nach 2018 und 2019 wieder einmal auf Platz eins (meist machen sich Wien, Melbourne und Auckland nebst Vancouver die Spitzenplätze aus). Die Stadt an der Donau besticht mit einer hohen Lebensqualität angesichts von viel Grün und Wald rundum, einer top funktionierenden Infrastruktur vom Müll bis zum öffentlichen Verkehr, einer für eine Millionenstadt auffallend hohen Sicherheit, top Schul- und Gesundheitswesen, vergleichsweise moderaten Lebenshaltungskosten, vielen Freiluftveranstaltungen, und und und.<BR /><BR /><embed id="dtext86-55160844_quote" /><BR /><BR /><BR />Das sehen die Expats in der regelmäßig 2 Wochen später veröffentlichten Umfrage sogar ähnlich, aber: 43 Prozent der befragten Expats in Wien beschreiben die Wienerinnen und Wiener als ganz allgemein unfreundlich, <BR />39 Prozent halten die heimische Bevölkerung gezielt gegenüber ausländischen Mitbürgern für unfreundlich. Das ist im weltweiten Städtevergleich Platz 57 von 57. Die mürrische und unnahbare Wesensart der Wiener dürfte auch der Grund sein, warum jeder vierte Expat angibt, dass es schwierig sei, sich an die heimische Kultur zu gewöhnen, und fast jeder zweite, dass es fast unmöglich sei, neue Freunde zu finden.<h3> Wiener Schmäh</h3>Dabei meint es der Wiener natürlich nicht so: Der Wiener Schmäh ist zwar schon ein durchaus rauer, den nur die Wiener untereinander als herzlich empfinden, und das Wort „Grantscherm“ für grantige, unentspannte Menschen (Grant steht für das Grantigsein, Scherm ist die Wienerische Form für Nachttopf) kommt nicht von ungefähr von hier. Auf Zugereiste sieht man grundsätzlich eher von oben herab. Aber die berühmte Wiener Gemütlichkeit ist schon eine, in die der Wiener den Gast hereinlässt. <BR /><BR />Nur für Karl Kraus, den großen Essayisten und Menschenbeobachter der Jahrhundertwende, war auch die Gemütlichkeit eine Drohung: Er verlangte von seiner Stadt nicht mehr als „Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung, Warmwasserleitung“ – da sind wir wieder bei der lebenswerten Stadt –, denn: „Gemütlich bin ich selbst.“