Hinter Grillos Erfolg steckt jedoch viel mehr als Populismus, Politik-Überdruss und Euro-Skepsis. Hinter dem Wahltriumph steht eine effiziente Organisation, ein fester Glaube an das Internet als Mittel zur Verbreitung einer „horizontalen Demokratie“ und eine präzise Strategie. Dafür ist der Informatikguru Gianroberto Casaleggio, das „Gehirn“ der Protestbewegung und Drahtzieher des eklatanten Grillo-Erfolgs, verantwortlich.Der 56-jährige Computer-Experte Casaleggio, Mitbegründer der „5 stelle“-Bewegung, ist Grillos Alter Ego. Er arbeitete früher bei dem Informatikkonzern Olivetti und gründete später den Internetdienst Webegg. Heute besitzt er eine Agentur, die den Internetauftritt Grillos betreut. Casaleggio ist das Gegenmodell zu GrilloDer Blog Grillos zählt inzwischen zu den meistgelesenen Politikblogs der Welt. Nach Medienberichten gilt Casaleggio als „Graue Eminenz“ in der politischen Formation, für die Beppe Grillo vor allem als Sprachrohr auftritt.Casaleggio ist das Gegenmodell zu Grillo. Während der extrovertierte Kabarettist mit seinem Rhetoriktalent und den herben Witzen Menschenmengen zum Lachen bringt, wirkt der Mailänder Casaleggio ernst und eher schüchtern. Während Grillo monatelang mit seiner „Tsunami Tour“ als Schreihals auf den Plätzen Italiens herumtobte, hielt sich der Informatik-Experte hinter den Kulissen. Er weigert sich systematisch, in der Öffentlichkeit aufzutreten und gibt nur äußerst selten Interviews. Während Grillo klein und rundlich ist, ist Casaleggio hager und groß gewachsen. Mit seinen langen Haaren und der runden Stahlbrille erinnert er an John Lennon.Statt der hierarchischen, vertikalen Polit-Struktur, in der Parteizentralen und Bürokraten das Sagen haben, soll die „Web-Demokratie“ der übers Internet vermittelten Zivilgesellschaft alle für die Gemeinschaft wichtigen Beschlüsse fassen, lautet Casaleggios Credo. Seine Zielvorstellung ist der informierte Bürger, der über das Internet an allen politischen Prozessen teilhat. Das Netz selbst betrachtet er als „die Zukunft der Politik“. Der Berufspolitiker, der Politik ausschließlich zur Stärkung seines Egos und für die eigenen Interessen betreibe, werde so überflüssig. Kritiker: Wenig Transparenz bei KandidatenauswahlEine neue politische Kultur soll aufgebaut werden, in der der Bürger und Wähler sich auch im Alltag politisch für seine Gemeinschaft engagiert. Die Bürger selbst sollen ihr Schicksal in die Hand nehmen und Entscheidungen treffen, das Internet ermögliche eine neue Form „horizontaler Demokratie“.Casaleggio, der mit Grillo das Buch „Wir sind im Krieg – Das Netz gegen die Parteien“ geschrieben hat, beschäftigt sich intensiv mit den Wahlkämpfen in den USA, in denen das Internet eine immer stärkere Rolle spielt. In seiner Freizeit liest er Science Fiction-Bücher von Isaac Asimov und die Werke des Propheten der sozialen Netzwerke Marshall MacLuhan. Seine Kritiker werfen ihm vor, alle Strategien der „5 stelle“-Bewegung von oben diktatorisch über die Website durchzusetzen. Casaleggio habe mit strengsten Methoden und oft untransparenten Entscheidungsmechanismen die Kandidaten für die Parlamentswahl ausgesucht. Dissens sei in der Gruppierung nicht zugelassen. Wer mit den Meinungen des Gurus nicht einverstanden sei, werde gnadenlos aus der Bewegung verbannt.Das Ziel: "Alleine regieren"Nach dem Erdbeben, das die „5 stelle“-Bewegung mit dem eklatanten Erfolg bei der Parlamentswahl ausgelöst hat, hegt Casaleggio weitere ambitionierte Ziele. „Das, was in Italien geschieht, ist nur der Beginn eines viel radikaleren Wandels, der bald alle Demokratien ergreifen wird“, erklärte Casaleggio in einem seiner seltenen Interviews. Das Programm seiner Bewegung vergleicht er mit jenem der Sozialdemokraten in Schweden. Die Grillo-Truppe werde im neu gewählten Parlament keine politischen Allianzen eingehen, sondern mal für mal Gesetze unterstützen, die dem eigenen Programm entsprechen.Langfristiges politisches Ziel des Duo Grillo-Casaleggio ist, bei der nächsten Parlamentswahl die absolute Stimmenmehrheit zu erobern, damit die Protestbewegung allein regieren könne. „Wenn die Bewegung ihren Werten treu bleibt und den Wandel in Italien in die Wege leitet, werden wir bestimmt wachsen. Ich hoffe, dass wir eines Tages Italien allein regieren werden“, betonte Casaleggio. Bei seinem einzigen öffentlichen Auftritt im Wahlkampf in Rom meinte Casaleggio, dass sich Italien nur mit „Transparenz, Ehrlichkeit und Kompetenz“ retten könne.In seinen bewegten Jahren an Grillos Seite hat Casaleggio auch Phasen der Krise erlebt. „In diesen fünf Jahren haben Beppe und ich öfters einmal alternativ beschlossen, das Handtuch zu werfen. Als ich aufgeben wollte, war er nicht dazu bereit, und als er aufgeben wollte, wollte ich weitermachen und so haben wir es bis hierher geschafft“, sagte Casaleggio bei der letzten „5 stelle“-Wahlveranstaltung vor Hunderttausenden begeisterten Fans in Rom. Damals wusste Casaleggio noch nicht, dass es seine Bewegung bei den Wahlen in einem Schlag auf 25 Prozent der Stimmen schaffen und zum entscheidenden Faktor in Italiens Politik aufrücken würde. Der Guru kann jetzt feiern: Seine Revolution hat zumindest im römischen Parlament bereits begonnen.apa