Über die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds PNRR hat man von Rom aus staatsweit die Einrichtung sog. Gemeinschaftshäuser für eine wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung gefördert. Insgesamt werden bis Mitte 2026 staatsweit 1400 entstehen. <BR /><BR />In Südtirol wird es 10 solcher Häuser geben: Brixen, Klausen, Naturns und Innichen sind jetzt fertiggestellt, Leifers, Bruneck und Meran im Bau, Neumarkt und Sterzing stehen vor Baubeginn. Andernorts ist man schon weiter (400 sind bereits „aktiv“) und stellt fest: Es ist schwer, sie mit Leben, sprich Personal, zu füllen. <BR /><BR />Insbesondere die Allgemeinmediziner, die eine wesentliche Rolle im neuen Konzept spielen sollen und müssen, zieren sich. Weswegen insbesondere die Regionen auf das Dekret drängen. Ansonsten drohen die teuren Infrastrukturen (2 Milliarden Euro allein aus dem PNRR, für Südtirol decken diese aber nur ein Drittel der tatsächlichen Investitionskosten) leere Schachteln zu werden. <BR /><BR />Die römische Lösung, wie sie derzeit im Gespräch ist, sieht daher vor, den Ärztenachwuchs bei den Allgemeinmedizinern künftig gleich wie das Krankenhauspersonal anzustellen – und einzuteilen. Derzeit sind Basisärzte Freiberufler mit Konvention. <BR /><BR />Die bereits Praktizierenden sollen das auch bleiben können (nicht müssen), allerdings vertraglich verpflichtet sein, Stunden in den Gemeinschaftshäusern abzudecken – gestaffelt nach ihrer Zahl der jeweils zu betreuenden Bürger – und so eine Öffnung der Häuser von 8 bis 20 Uhr gewährleisten. <h3> Hausärzte laufen Sturm</h3>Doch: Die Hausärzte laufen Sturm. Am kommenden Sonntag findet in Rom ein Treffen aller Hausärztegewerkschaften statt, um sich abzustimmen. Ein einheitliches Nein zu den Plänen scheint wahrscheinlich. <BR /><BR /><BR />„Bei diesen Plänen spielen wir ganz sicher nicht mit, die entbehren jeder Logik“, stellt Dr. Domenico Bossio, Vize-Landessekretär der gesamtstaatlichen Hausärztegewerkschaft FIMMG und Hausarzt in Lana, klar. „Die meisten konventionierten Hausärzte in Südtirol haben doch eh schon mehr als die eigentlich vorgesehenen 1500 Patienten und arbeiten weit mehr als 36/38 Stunden in der Woche. Und dann sollen sie noch mehrere Extrastunden in den Gemeinschaftshäusern machen? Das macht wenig Sinn“, betont er. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />Doch nicht nur für die Ärzte, auch für die Patienten sieht er Nachteile: Für die bedeute das neue Modell nämlich in erster Linie eine Verschlechterung der Gesundheitsversorgung: „In den Häusern trifft der Patient nicht auf seinen Vertrauensarzt, sondern auf den jeweils Diensthabenden. Damit geht die kontinuierliche Betreuung verloren“, sagt Dr. Bossio. <BR /><BR />Von einer größeren Wohnortnähe könne man ebenfalls nicht überall reden: „Das Meraner Gemeinschaftshaus ist für einen Laureiner genauso weit entfernt wie das Meraner Krankenhaus. Dafür wird dort aber künftig der Hausarzt fehlen. Denn wenn die jungen Allgemeinmediziner in die Gemeinschaftshäuser gehen sollen und/oder wollen, dann bleiben künftig unattraktive Gebiete in der Peripherie ohne Hausärzte“, sagt Dr. Bossio voraus. Die Richtung, die nun eingeschlagen wird, wird also wohnortferner anstatt wohnungsnaher. <BR /><BR />Und das erst recht, wenn, wie zu befürchten ist, mit Inkrafttreten der neuen Richtlinien staatsweit verärgerte ältere Hausärzte sofort in Pension gehen. „Damit wären in Italien sozusagen von einem Moment zum anderen 20 Millionen Bürger ohne Hausarzt“, so Dr. Bossio. Zwar sind Südtiroler Basisärzte im Durchschnitt jünger als im restlichen Staatsgebiet (wir haben berichtet), dennoch „würde das auch hier ein riesiges Loch in der Gesundheitsversorgung aufreißen“. Sein Gegenvorschlag: Vermehrte Gruppenmedizin im Territorium und ein neues Grundkonzept, das eine bessere Abstimmung der Basisärzte garantiert. <BR /><BR />„Damit auch in der Peripherie sichergestellt ist, dass ein Patient zwischen 8 und 20 Uhr eine dringende Visite bekommt, auch wenn sein Hausarzt die Praxis zu hat“. <h3> Messner: „Der Hausarzt, der allein für sich arbeitet, ist ein Auslaufmodell“</h3>„Die wohnortnahe Betreuung ist für uns eine Chance, die Gesundheitsleistungen näher zum Patienten zu bringen“, ist Gesundheitslandesrat Dr. Hubert Messner überzeugt. Wie berichtet, sollen in den Häusern Allgemeinmediziner, Fachärzte, Hauskrankenpflege, der ambulante Betreuungsdienst und andere Leistungen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich unter einem Dach zusammenfinden. Für den Patienten, so Dr. Messner, spare das Wege, und die beteiligten Fachkräfte könnten vernetzter und ressourcensparender zusammenarbeiten. <BR /><BR /><BR /><BR /><BR />Zudem sollen die Häuser von 8 bis 20 Uhr geöffnet sein – und alles zusammen die Krankenhäuser entlasten. Die größte Stärke der neuen Gemeinschaftshäuser sieht der Landesrat dabei in der Betreuung chronisch Kranker, die man dort ganzheitlich und angemessen entsprechend der Betreuungspfade behandeln könne. Das Ganze, das weiß er, hängt aber entscheidend davon ab, dass ausreichend Allgemeinmediziner dort Dienst tun. <BR /><BR />„Der Hausarzt, der allein für sich arbeitet, ist ein Auslaufmodell: Die junge Ärztegeneration denkt anders, die ist nicht nur bereit, vernetzt zusammenzuarbeiten, die fordert das sogar“, sagt er, weswegen er sich auf lange Sicht auch weniger Sorgen um die Häuser macht. <BR /><BR />Zumal er die aktuelle Aufregung schon deswegen nicht versteht, weil die Gewerkschaften im gesamtstaatlichen Kollektivvertrag zumindest für „neue“ Hausärzte (Konventionierung ab 1. Jänner 2025) entsprechenden Stunden in den Gemeinschaftshäusern bereits zugestimmt hätten. Doch noch hat er es überwiegend mit seinen „alten Hasen“ zu tun, und da weht ihm auch in Südtirol vehementer Gegenwind ins Gesicht. Was bietet er als Zuckerlen? „Ein Sekretariat, die Räumlichkeiten, die diagnostischen Geräte und eine optimale Vernetzung mit den vertretenen Fachärzten“, sprudelt es hervor. <BR /><BR />Und auch das Argument, dass damit die Versorgung nicht wohnortnäher werde, sondern ferner, lässt er nicht gelten: „Die Gemeinschaftshäuser ersetzen weder unsere Hausärzte noch die Sprengel“, sichert er zu. Und wenn tatsächlich, wer kann, sofort in Pension geht? „Es sind doch Ärzte, wo bleibt da die Deontologie?“, hält er dagegen.