Trump fühlte sich in einer so starken Position, dass er mit J.D. Vance ein „Running Mate“ auswählte, das extremere Positionen als er selbst vertritt. Ein Verbindungsglied zu dem reaktionären „Projekt 2025“, das so etwas wie eine Blaupause für den Umbau der USA zu einer Autokratie liefert.<BR /><BR />All das fühlte sich Ewigkeiten her an, als Kamala Harris vor mehr als 12.000 enthusiastischen Anhängern in Philadelphia ihr „Running Mate“ vorstellte. In der Arena herrschte eine Euphorie, wie sie die Demokraten zuletzt mit Barack Obama als Kandidat erlebt hatten. Statt „Yes we can“ rufen die Menschen jetzt „Yes we Kam“. Welch einen Unterschied ein paar Tage in der amerikanischen Politik ausmachen können.<BR /><BR />Der historische Rückzug des 81-jährigen Biden hat den Weg freigemacht für den kometenhaften Aufstieg Harris', die wie Obama einen multiethnischen Hintergrund hat. Und wie dieser wählte sie einen volkstümlichen Mann zu ihrem „Running Mate“, der eine Wellenlänge zu den kleinen Leuten hat.<BR /><BR />Während „Onkel Joe“ sein ganzes Leben in der Politik verbracht hatte und gerne Anzug mit Einstecktuch trug, arbeitete der in einem Dorf in Nebraska aufgewachsene Walz zunächst als Lehrer im ländlichen Minnesota, führte das Football-Team seiner Highschool aus dem tiefsten Keller zur ersten Meisterschaft im Bundesstaat und verbrachte seine Wochenenden in der Uniform der Nationalgarde.<BR /><BR />Das „Running Mate“ mit dem Image eines normalen Dads aus dem Mittleren Westen ist die ideale Ergänzung zu der „Göre“ aus Kalifornien. Er spricht die Wählergruppen an, die Harris dringend benötigt, damit die „blaue Mauer“ der Demokraten in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania hält.<BR /><BR />Der Mister „Normalo“ aus Minnesota hätte nicht besser erfunden werden können, wenn es ihn nicht gäbe. Er entstammt nicht den Eliten mit Harvard- oder Yale-Abschluss wie J.D. Vance, der nur so tut, als habe er etwas mit den einfachen Leuten gemein, die sich nach einem Amerika zurücksehen, in dem ein Job reichte, die Familie durchzubringen.<h3>„Kinderlose Katzenfrauen“ gegen Essen für Kinder</h3>Während Vance sich mit rechten Tech-Titanen wie Peter Thiel tummelt und über „kinderlose Katzenfrauen“ und anderen Unsinn schwadroniert, sorgte Walz als Gouverneur dafür, dass Kinder in der Schule etwas zu essen bekommen, Arbeiter sich um ihre kranken Familienangehörigen kümmern können und alle Frauen Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen haben.<BR /><BR />Er kommt als echt rüber, weil er sagt, wie es ist. Und das in einfacher Sprache und mit Humor herüberbringen kann. Statt die wichtigen Wechselwähler, die oftmals schlecht oder wenig informiert sind, mit hochtrabenden Argumenten über die Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat zu überfordern, schafft es Walz, mit einem Wort dieselbe Botschaft zu kommunizieren. Trump und Vance seien einfach nur „weird“, was auf Deutsch so viel heißt wie „sonderbar“, „schräg“ oder „wirr“.<BR /><BR />Der Kontrast zu den 2 „schrägen Typen“, die in apokalyptischer Sprache das Ende Amerikas beschwören, könnte nicht größer sein. Und die Dynamik des eben noch als gelaufen gedachten Rennens um das Weiße Haus hat sich damit auf den Kopf gestellt. Das versuchte Attentat auf Donald Trump ist nicht viel mehr als eine Fußnote historischer Wochen, die einer wilden Achterbahnfahrt gleichkamen.+Thomas J. Spang