<b>von Joschka Fischer</b><BR /><BR />Trump stellt im Geschwindschritt die traditionellen Handelsbeziehungen der USA in Frage und damit das globale, von den USA nach 1945 geschaffene System des freien Welthandels, ebenso die bewährten Bündnissysteme der Supermacht USA, wie die NATO in Europa und die damit verknüpften Schutzgarantien, demütigt den ukrainischen Präsidenten Selenskyj in aller Öffentlichkeit bei dessen Besuch in Washington, D.C. und lässt ihn aus dem Weißen Haus werfen, kündigt faktisch die militärische Unterstützung der Ukraine durch die USA im Abwehrkampf gegen den Aggressor Russland auf, unterstützt dadurch mehr Putin als die um ihre Freiheit und Souveränität kämpfende Ukraine, möchte das zerstörte Gaza durch die USA übernehmen und wiederaufbauen, allerdings ohne dessen palästinensische Bevölkerung, die in anderen arabischen Staaten angesiedelt, also vertrieben werden soll und möchte Kanada, Grönland und den Panamakanal durch die USA annektieren und so die gesamte westliche Hemisphäre nicht nur kontrollieren, was die USA faktisch schon heute tun, sondern zum Eigentum der USA machen.<BR /><BR />Trump überrascht immer wieder aufs Neue, denn mit diesem Neo-Imperialismus war kaum zu rechnen. Offensichtlich steckt dahinter die Vision einer zukünftigen Welt, in der wenige globale Großmächte um Ressourcen und Rohstoffe konkurrieren und, wenn nötig, auch kämpfen.<BR /><BR />In den USA lässt er den reichsten Mann der Welt, Elon Musk, im Hintergrund der Stratege des Silicon-Valley basierten Tech-Faschismus und seine DOGE-Truppe den amerikanischen Staatsapparat unter dem Vorwand der Kosteneinsparung und Entbürokratisierung mittels Massenentlassungen und des Schließens ganzer Behörden, wie z. B. USAID, systematisch schwächen.<h3> Was nützt das den USA?</h3>Es stellt sich nach dieser düsteren Aufzählung die alles entscheidende Frage: Was nützt all das den USA? Werden sie dadurch stärker oder schwächer? Legt man an all diese disruptiv wirkenden Entscheidungen die Interessen der USA an, wie den Erhalt ihrer globalen Macht und ihres Einflusses, so kann die Antwort darauf nur vernichtend negativ ausfallen. <BR /><BR />Man muss vielmehr den Eindruck gewinnen, als ob Trumps Politik im Inneren wie im Äußeren auf eine Selbstschwächung, je Selbstzerstörung der Supermacht USA zielte. <BR /><BR />Was gewinnt Amerika durch seinen Rückzug aus, ja, seine Feindschaft gegenüber Europa? Es beerdigt dadurch sowohl ein geopolitisches wie auch zivilisatorisches Gewicht, das für die Dauer mehrerer Jahrzehnte hinweg „der Westen“ genannt wurde, und dieser Westen hat ganz erheblich zum Sieg der Supermacht USA im Kalten Krieg und zum Aufstieg zu ihrer in der Geschichte der Menschheit einzigartigen Macht beigetragen.<BR /><BR /> Was nützt all dies hingegen Russland und schweigend im Hintergrund dem großen China, die dadurch ihre geopolitische Position gestärkt sehen?<h3> Es gibt kein Zurück mehr</h3>Es wird kein Zurück in die Zeit vor Trump mehr geben, denn dieser hat das Vertrauen in die USA, in ihr Wort, in ihre Unterschrift und in die Kraft ihrer Institutionen fundamental zerstört. Die USA verfügen über eine einmalige Lage zwischen Atlantik und Pazifik und sind zu einmaliger Macht aufgestiegen. Es wird keine Garantie geben, dass sich der Trumpismus nicht wiederholen kann, zu welcher Zeit und mit welcher Person auch immer. Und genau deswegen wiegt dieser Vertrauensverlust so überaus schwer.<BR /><BR />Das Verschwinden des Westens und damit einhergehend der Ausfall der globalen Ordnungsmacht Amerika mitsamt seiner alten demokratischen Werte wird die Weltpolitik im 21. Jahrhundert dramatisch verändern. An die Stelle von Ordnung wird Chaos treten, und die Kriegsgefahr wird angesichts der Rivalität weniger globaler Großmächte und des in den USA sich durchsetzenden Irrationalismus erheblich zunehmen.<BR /><BR />„It can’t happen here!“ betitelte Sinclair Lewis zu Beginn der 30er Jahre und angesichts des Siegeszugs von Faschismus und Nationalsozialismus in Europa seinen fiktionalisierten Roman über den Aufstieg des ersten Diktators der USA, und nun scheint es vor unseren Augen zu geschehen.<BR /><BR /> Hier und heute beginnt eine neue Epoche der Weltgeschichte, und wir dürfen – wie angeblich der alte Goethe nach dem Rückzug der Preußen bei Valmy 1792 – sagen: Wir sind dabei gewesen.<BR /><BR /><b>Über den Autor</b><BR /><BR /><i>Joschka Fischer war von 1998 bis 2005 deutscher Außenminister und Vizekanzler. In den beinahe 20 Jahren seiner Führungstätigkeit bei den Grünen trug er dazu bei, aus der ehemaligen Protestpartei eine Regierungspartei zu machen.</i>