Unaufgeregt, aber konsequent verfolgt Josef Geisler die Ziele der Landesregierung und die Anliegen der Tiroler Bevölkerung. Seit 2013 ist der gebürtige Zillertaler Mitglied der Tiroler Landesregierung. <BR /><BR /><b>Die Frage der Energie bzw. Energieunabhängigkeit ist auch im Bundesland Tirol höchst aktuell. Welchen Weg wollen Sie als verantwortlicher Landesrat gehen?</b><BR />Josef Geisler: Wir haben in Tirol nicht darauf gewartet, bis die Krise ausbricht. Wir haben vor vielen Jahren das Programm „Tirol 2050 energieautonom“ fixiert und sind vor acht Jahren damit gestartet. Unser Ziel ist es, uns selbst mit Energie zu versorgen. Das ist ein hohes Ziel, das nicht so schnell zu erreichen ist. Zum einen müssen wir dem Klimawandel begegnen, zum anderen die Unabhängigkeit schaffen, wollen wir nicht weiter von Despoten und Öl-Scheichs abhängig sein. Wir müssen aber auch einsparen, sprich Energie nicht verbrauchen. Es wird eine Einsparung von 35 bis 37 Prozent – ausgehend vom derzeitigen Verbrauch – notwendig sein. Zudem brauchen wir noch eine große Menge neuer Energie, hauptsächlich Elektrizität, um die Energiewende zu schaffen. Das heißt: Wir brauchen circa 70 Prozent mehr Eigenerzeugung, als wir momentan produzieren.<BR /><BR /><b>Wie wollen Sie diese Herausforderung schaffen?</b><BR />Geisler: Das Rückgrat der Energiewende ist die Wasserkraft. Wir sind derzeit das einzige, österreichische Bundesland, das Großkraftwerke baut. Wir haben das Kraftwerk im Oberland fertiggestellt. Wir bauen Sellrain/ Silz im Kühtai aus und werden auch das Projekt im Kaunertal realisieren. Auch kleinere Kraftwerke befinden sich in der Umsetzung. Beim Thema Wasser geben wir also Gas.<BR /><BR /><b>Wird dies ausreichen, um die Energiewende im Bundesland Tirol zu schaffen?</b><BR />Geisler: Nein. Wir brauchen mehrere Standbeine. Wir setzen dabei vor allem auf die Photovoltaik. Tirol hat hier große Chancen, weil wir viele Sonnenstunden haben. Mit unserem Programm „Solar Tirol“ verfolgen wir die Strategie, dass wir möglichst viele Dächer mit Photovoltaik-Anlagen bestücken und dann haben wir noch ein eigenes Programm für Großparkplätze mit einem Fördervolumen von insgesamt 8 Millionen Euro. Also: Zuerst Dächer und Parkplätze und dann erst andere Freiflächen für die Photovoltaik nutzen. Ich glaube nicht, dass es in Tirol möglich ist, wertvolle Ackerflächen zu bebauen. Wir brauchen diese notwendig für die Lebensmittelproduktion, denn wir wollen uns ja auch hier unabhängig vom Ausland machen.<h3> Chancen bei Geothermie</h3><BR /><b>Wie sieht es mit der Windkraft aus?</b><BR />Geisler: Der Wind ist auch ein Thema, aber in Tirol ein begrenzter Faktor. Dort, wo es sinnvoll ist, auf den Bergkämmen, ist die Errichtung sehr aufwendig und ein großer Eingriff in Natur. Daher wird sich das in Grenzen halten. Interessanter ist Energie aus der Geothermie, aber auch aus Biomasse. Holz ist in Tirol traditionell nicht nur ein Baustoff, sondern auch ein Brennstoff. Da haben wir überall noch Luft nach oben.<BR /><BR /><b>Wie wollen Sie die doch notwenigen Einsparungen in einem beträchtlichen Ausmaß erreichen?</b><BR />Geisler: Die Politik kann nur Beschlüsse fassen, aber wichtig ist es, dass alle mitmachen. Die öffentlichen Einrichtungen sollen hier mit gutem Beispiel vorangehen. Wir wollen das über die e5-Gemeinden erreichen. Dort wird ja schon das Bewusstsein bei Bevölkerung für dieses Thema geweckt. Es braucht hier einfach eine gute Beratung.<BR /><BR /><b>Warum ist der Ausbau der Energieressourcen teils so schleppend?</b><BR />Geisler: Die Energiewende werden wir nicht in drei Jahren schaffen. Die Energiewende kostet auch Geld. In den letzten Jahrzehnten haben wir sehr günstige Energie aus Russland gehabt. Wenn wir uns selbst versorgen wollen, dann müssen wir die eigenen Ressourcen heben. Innerhalb dieser Generation müssen wir den Wandel schaffen. Dies ist aber nicht so einfach. Ich kann ja nicht einfach eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach bauen, wenn das Stromnetz nicht entsprechend ausgebaut ist. Wir machen hier in Tirol aber große Fortschritte und haben hier ein Volumen von 380 Millionen Euro bereitgestellt. Man soll aber ehrlich sein: Den Ausbau zahlen ja wieder die Kunden. Machen wir das zu schnell, steigen die Netzgebühren rapide. Daher teilen wir den Ausbau auf die nächsten 15 Jahre auf, damit die Steigerungen verträglich sind. Es geht der Ausbau von technischer Seite her auch nicht schneller. Unsere Hauptnetze sind gut ausgebaut, die Micro-Netze müssen wir noch verbessern.<BR /><BR /><embed id="dtext86-59442664_quote" /><BR /><BR /><b>Ihr Plan bei den Kraftwerken sieht vor, dass über drei Milliarden Euro im Kühtai, im Kaunertal und für kleinere Kraftwerke aufgewendet wird. Der Widerstand, vor allem gegen die Großprojekte wächst. Kommt man hier nicht in eine zeitliche Bedrängnis, wenn sich aufgrund der Proteste die Verfahren über Jahre, teils Jahrzehnte ziehen?</b><BR />Geisler: Widerstand gegen die Wasserkraft hat es immer gegeben. Im Zillertal haben wir beispielsweise die Energiewende schon längst geschafft, da erzeugen wir sieben Mal so viel Strom, wie wir benötigen. Und in den Talschaften, wo Kraftwerke errichtet wurden, ist nichts schlechter geworden, sondern besser. Wasserkraftwerke sind zu Tourismusmagneten geworden und dienen ja auch dem Hochwasserschutz. Durch die neuen Pumpwasserspeicherkraftwerke haben wir einen mehrfachen Nutzen des Wassers. Das sind die Batterien der Zukunft, um Strom zu speichern und das begreifen viele nicht. Wenn wir keine Sonne und keinen Wind haben, ist diese Wasserkraft unser Rückgrat und stabilisiert unser Netz.<BR /><BR /><b>Wird Ihrer Meinung nach Energie noch teurer? Auf was müssen sich die Tirolerinnen und Tiroler einstellen?</b><BR />Geisler: Uns muss eines klar sein. Wollen wir nicht mehr von Putin und den Scheichs abhängig sein, wird die Produktion von Energie mehr kosten. Wir können in Tirol weiterhin den günstigsten Strompreis anbieten, da wir den Vorteil haben, dass wir alte Kraftwerke haben, die abgeschrieben sind und daher günstigeren Strom produzieren. Je weniger wir zukaufen müssen, desto günstiger wird der Strompreis wieder. Der Ausbau der eigenen Energie ist ein Generationenprojekt mit riesigen Investitionen, das aber für die nächste Generation ist.<h3> Kosten von 114 Euro pro Schaf</h3><b>Neben dem Thema Energie beschäftigt die Tirolerinnen und Tiroler das Thema „Wolf“. Die Alm-Saison steht vor der Tür. Wie sehen Sie die Problematik?</b><BR />Geisler: Das ist kein Tiroler, sondern ein europaweites Thema. Die Population der Wölfe steigt mit großer Geschwindigkeit, weil sie keine Feinde haben. Tirol hat jetzt einen ersten Schritt – mit der politischen Möglichkeit, die wir haben – gesetzt. Der Wolf ist ja nach wie ein streng geschütztes Tier. Wir versuchen jetzt mit unseren Werkzeugen wie dem Jagdgesetz, wo der Wolf als jagdbares Tier verankert ist, und unter besonderen Vorkehrungen, sich diesem Thema zu stellen. Wir haben jetzt die Möglichkeit über die Verordnung geschaffen, um Einsprüche – wie bei den Bescheiden zuvor – zu vermeiden. Aber das ist nur ein erster Schritt. Alle Experten sagen uns, dass der Wolf nicht mehr vom Aussterben bedroht ist. Im Gegenteil: Wir steuern auf ein Problem zu, dass sich die Zivilisation nämlich einschränken muss, wenn sich die Rudel ständig weiter ausbreiten und nicht nur mehr eine Gefahr für Haustüre sind, sondern auch für die Menschen. Wir müssen also den Schutzstatus senken und die Population managen, so wie wir es auch bei den anderen Wildtieren handhaben.<BR /><BR /><b>Gibt es Zahlen, wie viele Wölfe es im Alpenraum gibt?</b><BR />Geisler: Wir haben gut 1000 Wölfe im Alpenraum und müssten mindestens 200 Wölfe jährlich erlegen, damit sich die Population nicht massiv ausbreitet. Das Problem dabei ist, dass die Mühlen in Brüssel langsam mahlen und es zudem unterschiedliche Zugänge gibt. Wir haben zwar jetzt einen Beschluss vom EU-Parlament, der die Kommission auffordert, tätig zu werden. Aber das Problem ist, dass dies dauert. Aus meiner Sicht ist es skurril, dass die Welttierschutz-Organisation den Wolf als „nicht mehr bedroht“ ansieht, Experten ebenso, er aber immer noch unter höchstem EU-Schutz steht.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="894029_image" /></div> <BR /><BR /><b>Sie drängen also auch ein rasches Handeln?</b><BR />Geisler: Ja, denn die Konflikte werden immer mehr. Tirol ist ein sensibler Raum. Wir haben die Almwirtschaft, ein über Jahrtausende gepflegter Kulturraum. Die Almen sind kein Naturraum, sondern ein Kulturraum, der von Menschhand und den Almtieren geschaffen wurde. Wenn dieser sensibler Raum gestört wird, haben wir ein Problem: Almen wachsen zu, Naturgefahren steigen und Pflanzen verschwinden. Zudem sind die Almen ja auch auch ein Erholungsraum für die heimische Bevölkerung.<BR /><BR /><b>Warum findet man hier keine pragmatische Lösung?</b><BR />Geisler: Das Thema Wolf ist eine ideologische Frage. Für die Grünen geht der Schutz des Tieres vor die Almwirtschaft. Für die NGOs ist der Wolf in Wahrheit zu einem Geschäftsmodell geworden. Es gibt Wolf-Patenschaften. Dieses Geld gehört normal den SOS-Kinderdörfern. Wir dürfen nicht ideologisch argumentieren, sondern pragmatisch agieren. Der Wolf soll nicht aussterben. Es gibt im Alpenraum Regionen, wo die Koexistenz funktioniert, aber nicht bei uns.<BR /><BR /><b>Ist der Herdenschutz mit Hunden oder Zäunen keine Lösung?</b><BR />Geisler: Man muss hier die Tatsachen kennen. Herdenschutzhunde sind scharfe Hunde. In Frankreich beispielsweise gibt es riesige Probleme mit solchen Hunden. Wir haben im Tiroler Oberland Projekte mit gelenkter Weideführung und intensiver Behirtung und Hütehunden laufen. Der Aufwand dafür ist mit 114 Euro pro Schaf sehr hoch und wirtschaftlich nicht darstellbar. Almen im großen Stil einzuzäunen ist im Hochgebirge ebenfalls nicht machbar. Außerdem können sich Wildtiere leicht in Zäunen verhängen. Zäune stören das ökologische Gleichgewicht. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="894032_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><BR />ZUR PERSON<BR /><BR />Josef Geisler ist am 12. Dezember 1961 geboren und ist in Aschau im Zillertal wohnhaft. Von 1986 bis 2003 war er Gemeindevorstand von Aschau im Zillertal, von 2003 bis 2009 Bürgermeister von Aschau. Seit 1994 sitzt Geisler im Tiroler Landtag für die Tiroler Volkspartei. Seit 24. Mai 2013 ist er Mitglied der Tiroler Landesregierung.<BR />