<b>Von Bernd Posselt</b><BR /><BR />Die Bilder spiegelten ein Leben wieder, das in seinen Höhen und Tiefen kaum vielfältiger sein konnte: Student, Verfechter der katholischen Soziallehre und Abgeordneter im kaiserlichen Wien, führender Journalist in seiner Heimat, Politiker und Publizist im italienischen Nationalstaat, zu dem diese nach dem Ersten Weltkrieg geschlagen wurde; Häftling und von den Faschisten Verfolgter, Bibliothekar des Vatikan, Vater der 1945 gegründeten demokratischen Republik Italien und mit dem Deutschen Konrad Adenauer (1876–1967) und dem Franzosen Robert Schuman (1886–1963) einer 3 christlichen Gründerväter der heutigen EU.<BR /><BR />Auch wenn seine Rolle beim Zustandekommen des 1946 in Paris zwischen Österreich und Italien geschlossenen Abkommens über Südtirol so umstritten ist wie dessen Inhalt, ist es doch, zusammen mit dem von Silvius Magnago erkämpften Paket und dessen Fortschreibungen, die völkerrechtliche Basis für die Südtiroler Autonomie. Die Region als Ganzes und ihre beiden autonomen Provinzen sind gemeinsam durchaus ein Bollwerk gegen den römischen Zentralismus und in Kombination mit dem österreichischen Bundesland Tirol eine schlagkräftige Repräsentanz für die EU-Ebene in Brüssel.<BR /><BR />Für das heutige Europa sind aber vor allem 2 offene Fragen interessant, die De Gasperi zutiefst bewegt haben. Er war von den 3 Gründervätern derjenige, der am meisten für ein starkes Europäisches Parlament plädierte. Auf seinem Totenbett kämpfte er im August vor 70 Jahren noch mit aller verbliebenen Kraft telefonisch gegen die Bestrebungen in Frankreich, die wenig später schließlich die Europäische Verteidigungsgemeinschaft zu Fall brachten.<BR /><BR />Genau das braucht die EU heute: ein durchsetzungskräftiges Parlament als Motor einer supranationalen Demokratie und eine echte europäische Streitmacht in einer immer gefährlicheren Welt. Diese Aufgaben hat De Gasperi uns hinterlassen.