Was haben wir uns in den vergangenen Jahrzehnten nur für eine schamlose, freche Welt gezimmert. Grenzen und rote Linien gibt es nicht mehr. Alles wird niedergetrampelt. Barbusig aus dem Fenster gelehnt, prusten viele ihre Gedanken in die Welt hinaus. Gesagt wird, was gefällt. Es gibt immer mehr Meinung, bei rapide schwindendem Wissen. Corona hat diesen großen Wahnsinn noch verstärkt.
Es ist eine Dimension erreicht, deren Ende noch nicht absehbar ist. Das Virus war der letzte Kick, den es für die totale Enthemmung gebraucht hat.
Es ist erschreckend, welche Parallelen gezogen werden, wenn es um Anti-Corona-Maßnahmen und die Impfung geht: Von Diktatur ist die Rede, von Schulen als Konzentrationslagern, der Holocaust wiederhole sich. Es ist unfassbar, welche absurden Kruditäten und Theorien in die Diskussion geworfen werden. Nur um zu untermauern, dass der Dampfer in die richtige Richtung fährt. Dass die Mehrheit nicht mitreisen will, macht die Minderheit noch fanatischer und resistenter gegen alles und jeden. Man rauscht aggressiv weiter. Immer Vollgas.
Für viele der „Standhaften“ ist die Sachlichkeit eine Erfindung der großen Weltverschwörung, die Wissenschaft nur tote Materie. Jeder bewiesene Krümel wird vom Tisch gewischt, alle fundierten Meinungen einfach niedergebrüllt. Es gibt nur eine ganz große und vor allem wahrhaftige Deutung. Wer dagegenhält, wird schlimmstenfalls mit dem Tode bedroht. Nichts kann mehr konstruktiv sein. Es fehlen immer häufiger die Worte.

„ Es ist erschreckend, welche Parallelen gezogen werden, wenn es um Anti-Corona-Maßnahmen und die Impfung geht: Von Diktatur ist die Rede, von Schulen als Konzentrationslagern, der Holocaust wiederhole sich. ”
— Michael Fink
Daraus erwächst eine Diktatur der Sprachlosigkeit, als überaus gefährlicher Nebenschauplatz der Pandemie. Dieses boshafte und oft vulgäre Übers-Maul-fahren der Leugner und Verharmloser ist eine unerträgliche Entgleisung. Damit stellt sich nicht die Frage, wann, sondern ob wir die richtigen Worte wieder finden werden und dies auch wollen.
Derzeit deutet vieles darauf hin, als würde früher oder später der Tag kommen, an dem es ordentlich kracht. Bis dahin werden die Sorgen größer, Ängste schlimmer, die Verzweiflung bedrückender. Auf beiden Seiten. Es ist unbestritten und steht außer Zweifel, dass schöne, wohlige Gedanken, Bilder, Wünsche und warme Träume, das eine oder andere Hausmittelchen uns vom aktuellen Dilemma nicht befreien werden.
Der Gegner ist einfach zu perfide und lässt sich mit gut zureden eben nicht aus dieser Welt bugsieren. Wenn nicht endlich all jenen, die an das „leichte Grippele“ glauben, die rote Karte gezeigt wird, werden wir uns noch Jahre mit diesem Thema beschäftigen müssen. Eine Vorstellung, die keiner der beiden Seiten gefällt. Sie ist damit eine erste kleine Gemeinsamkeit.